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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Dankesrede von Deniz Yücel

Meine Damen und Herren,
liebe Mitglieder der Kurt Tucholsky-Gesellschaft,
verehrte Jury,
wie Sie sich denken können, ist die Verleihung des Kurt-Tu­cholsky-Preises nur ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für mich. Ein großer Schritt raus der Schmuddelecke des Internets und rein in die Hall of Fame der deutschen Publizistik, wo mein Name nun dank Ihnen neben so verdienten Kollegen wie He­ribert Prantl, Wolfgang Büscher oder Erich Kuby stehen darf.
Ich habe mich informiert – ich kriege ja nicht alle Tage einen Preis verliehen, um genau zu sein: Der Kurt-Tucholsky-Preis ist der erste Preis, dessen man mich für würdig befunden hat. Ich habe mich also informiert – viele Journalistenkollegen würden sagen: ich habe recherchiert; ich halte es lieber mit der wahrheitsgemäßen Formulie­rung: ich habe im Internet nachgeschaut – dieser großartigen Erfin­dung, die Ratschläge für jede erdenkliche Lebenslage bietet: Was sage ich, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht? Was sage ich, wenn meine Frau davongelaufen ist? Oder eben: Was sage ich, wenn ich einen Preis bekomme?
Das Internet also rät: Dankbarkeit und Demut zeigen, gerne auch Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass es mich erwischt hat und nicht jemand anderen, der dieser Auszeichnung würdiger ge­wesen wäre. Nun, undankbar will ich nicht sein. Aber für Bescheiden­heit sehe ich auch keinen Grund. Im Gegenteil, ich finde, die Jury hat eine gute Wahl getroffen.

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Die Jury hat deshalb eine gute Wahl getroffen, weil die Diskus­sion in der Leserschaft über meine WM-Kolumne »Vuvuzela« – und ebenso über die Folgereihe »Trikottausch«, die ich zur der Frauen-WM im Jahr 2011 geschrieben habe –, unmittelbar an Tucholsky an­knüpfte. »Satire darf alles«, meinten die einen; »Satire darf alles, aber…« meinten die anderen.
Wir können also festhalten: Tucholskys berühmtes Diktum ist – zumindest vordergründig – weithin akzeptiert. Natürlich gibt es Aus­nahmen, viele Muslime in aller Welt zum Beispiel, die sich in den vergangenen Jahren nur allzu oft als dauerbeleidigte Leberwürste prä­sentiert haben, damit aber nur demonstrierten, wie wenig sie auf Höhe der Zeit sind. Oder Renate Künast, die trotz des Höhenflugs ihrer Partei die Wahl in Berlin verloren hat, weil sie, im Gegensatz zu Klaus Wowereit, im Ruf stand, eine allzu humorfreie Gesellin zu sein. Wer aber heute als humorfrei gilt, rangiert damit in der öffentlichen Meinung vor Kinderschändern und AKW-Betreibern, aber noch nach den Rauchern und Pestizidessern.
Ob die katholische Kirche mit ihren Klagen gegen die Zeitschrift Titanic oder Kai Diekmann und Jürgen Klinsmann mit ihren Klagean­strengungen gegen meine Zeitung, die taz –die zumindest für dieses Land gültige Erfahrung der vergangenen Jahre lautet: Wer klagt, ver­liert. Oft vor Gericht, immer in der Gunst der Öffentlichkeit. Mehr noch: Wer gegen einen Spott vor Gericht zieht, setzt sich erst recht dem Spott aus.
Ironie, einst ein Mittel der Subversion und der Kritik an herr­schenden Verhältnissen, ist also zum Mittel dieser Verhältnisse ge­worden. Ob in der Politik oder in der Werbung, ohne Witz geht nichts mehr. Damit aber erfüllt die Ironisierung der Gesellschaft eine stabili­sierende Funktion. Wenn alles bis zur Ironie selbst ironisch gemeint ist, ist niemand mehr für irgendetwas verantwortlich. »Repressive Toleranz« hätte Herbert Marcuse gesagt.
Das heißt nicht, dass Satire heute nicht mehr subversiv wirken könne. Auch diese Gesellschaft besteht auf ihre Konventionen und Wahrheiten, die bei Lichte betrachtet ähnlich abstrus sind wie jene Wahrheiten, die vor 20, 30 Jahren beispielsweise von dort aus ver­kündet wurden, wo das erste Haus der Demokratie stand, nämlich im Büro der SED-Kreisleitung in der Friedrichstraße. Zwar verträgt diese Gesellschaft im Gegensatz zum SED-Staat Kritik. Aber ganz so auf­geklärt und ressentimentfrei, wie sie sich selbst wähnt, ist sie nicht. Man muss vielleicht nur genauer hingucken, um die ehernen Wahr­heiten zu erkennen und zu kritisieren. Und man muss vielleicht ebenso rasant wie geschmeidig mal zum Florett greifen und mal zur Streitaxt.
Ein Ausdruck der allgemeinen Ironisierung ist, dass die meisten Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Nachrichtensendungen im Fernsehen, oft genug an prominenter Stelle, mit Rubriken zur »Auflo­ckerung« daherkommen. Routiniert vorgetragene, aber harmlose Nachrichten aus dem Ressort Vermischtes oder kunstvoll formuliertes Feuilleton über der Welten Lauf, die den Leser (oder den Zuschauer) mit den Verhältnissen aussöhnen sollen, indem sie ihnen das Gefühl vermitteln, dass alles nicht so schlimm ist. Das Problem: Es ist aber schlimm.
Satire ist etwas anderes. Sie dient nicht der Unterhaltung, sondern der Kritik. Ihr Ziel ist nicht das Amüsement, sondern die Aufklärung. Einzig zu diesem Behufe bedient sie sich des Humors, weil der här­teste Schlag oft jener ist, der die Verhältnisse der Lächerlichkeit preisgibt. Lacht kaputt, was euch kaputt macht.
Dafür muss die Satire über die Grenze des Erträglichen hinausge­hen. Die bornierteste Affirmation, die gröbste Vergewaltigung der Sprache, das Bedienen niedrigster Dienste, die krasseste Übertrei­bung, der Bruch mit allen Konventionen, auch den selbst gesetzten, derb, böse, unkorrekt – es darf, es muss sogar wehtun. Und der sub­versiven Wirkung der Satire kann es nur nutzen, wenn sie nicht in die »Witzecke« verbannt ist; wenn also eine Restunsicherheit darüber bleibt, wie das alles nun gemeint ist.
Der Satiriker ist ein Kritiker, und als solcher muss er nicht, wie zuweilen gefordert wird, konstruktiv sein. Im Gegenteil, seine Auf­gabe ist die Subversion. Dafür darf er hämisch sein und er darf urtei­len, ohne Alternativen zu präsentieren. Nur eines muss der Satiriker bei alledem bleiben: glaubwürdig. Wenn, wie Tucholsky schreibt, der Satiriker ein gekränkter Idealist ist, der die Welt gut haben will und gegen das Schlechte anrennt, muss er seine Mitschuld daran eingeste­hen, dass die Dinge so schlecht sind wie sie sind.
Dieses Eingeständnis erfolgt natürlich nicht im Stil einer öffentli­chen Bußübung, sondern mit den Mitteln der Satire selbst. Der Satiri­ker nimmt also seine Branche, seinen Berufsstand, sein eigenes Blatt, sein eigenes politisches Milieu und natürlich sich selbst nicht von der Kritik aus. Schließlich neigen diejenigen, die davon überzeugt sind, für das Gute und Wahre (viel seltener auch für das Schöne) zu kämp­fen, in viel zu vielen Fällen zu Selbstgerechtigkeit und Denkfaulheit. Die Rede ist natürlich von jenem politischen Lager, dem ich mich fast seit meiner Kindheit zugehörig fühle: der Linken. »Wer links ist, hat mit den Linken ein Problem«, hat Stefan Ripplinger einmal nicht bloß im Hinblick auf die gleichnamige Partei geschrieben. Die Satire ist links, aber sie macht sich nicht gemein. Der Satiriker ist ein Moralist im Gewand eines Nihilisten. Er ist glaubwürdig, weil er sich selbst widerspricht. Er weiß es nicht besser, aber er weiß, was falsch ist.
Dafür steht der Satire heute ein neues Medium zur Verfügung: das Internet. Ich weiß nicht, was Tucholsky zum Internet gesagt hätte, aber ich glaube zu wissen, was Flaubert gesagt hätte. Auf die Frage, was er von der Eisenbahn halte, soll Flaubert nämlich geantwortet ha­ben: »Ich bin gegen die Einführung der Eisenbahn, weil sie nur noch Menschen erlaubt, zusammenkommen, um zusammen zu dumm zu sein.«
Nun könnte man diesen kulturkonservativen Skeptizismus mit dem Hinweis ergänzen, dass die Menschen durch Eisenbahn und In­ternet ja ebenso gut zusammenkommen können, um zusammen klug zu sein. So oder so aber ist das Internet ein Medium, in dem der Sati­riker Menschen findet, die ihm freiwillig und entgeltlich einen Teil seiner Arbeit abnehmen. Und mit etwas Glück und Können kann der Satiriker seinen Gegenstand dank des Internets nicht nur einen abs­trakten Kritik unterziehen, sondern auch, gewissermaßen am lebenden Objekt, den Beweis führen, dass es um die Dinge wirklich so bestellt ist, wie er es annimmt: nicht gut.
Hieran knüpft sich eine andere Frage an: Ist es eigentlich erfreu­lich oder erschreckend, wenn sich die Realität für so schlecht erweist, wie man als Kritiker angenommen hat? Darauf weiß ich keine Ant­wort.

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Ich hatte eingangs gesagt, dass ich nicht undankbar sein möchte. Nun, da ich zum Ende komme, ist es höchste Zeit, diese Ankündigung wahrzumachen und einigen Menschen meinen ausdrücklichen Dank auszusprechen. Danken möchte ich zunächst meinen Eltern Ziya und Esma Yücel, die vieles gemacht haben; unter anderem mich zur Poli­tik, zur Literatur und zum Humor zu erziehen. Sobald ich hier von der Bühne trete, muss ich meinen Vater anrufen. Noch gestern sagte er zu mir: »Du hast mit deinen Kolumnen alle veräppelt; nicht, dass diese Leute dich jetzt veräppeln und nur so tun, als ob sie dir den Preis ge­ben wollten.« Ich bin mir nicht sicher, ob er das ernst gemeint hat. Aber: Papa, jetzt stehe ich schon auf der Bühne, dahinter kommen sie nicht mehr zurück. Hier ist der Scheck!
Ich danke ferner den Kolleginnen und Kollegen von der taz; je­nen, die mich in meinem Tun ermutigt haben und sich bereitwillig als »taz-Experten« zitieren ließen, und jenen, die mir zu verstehen gaben, dass sie mein Tun für weniger gut hielten.
Namentlich erwähnen möchte den geschätzten Dirk Knipphals, den Literaturredakteur der taz, der so freundlich war, mich für den Kurt-Tucholsky-Preis vorzuschlagen. Bereits der Vorschlag war eine Auszeichnung; wenn Sie das Feuilleton des taz kennen, werden Sie vielleicht wissen, dass der Publikumserfolg eines Films, einer Platte oder eines Romans noch lange kein Grund ist, in diesen heiligen Spalten besprochen zu werden.
Namentlich erwähnen möchte ich ferner meinem Kollegen Jan Feddersen, der viele freundlichen Worte für mich gefunden hat und dessen vornehmlichste Aufgabe als verantwortlicher Redakteur des WM-Teams darin bestand, alle externe und interne Kritik an meiner Kolumne ebenso freundlich wie bestimmt abzuwimmeln.
Erwähnen möchte ich ferner meinem Kollegen Matthias Urbach, den Verantwortlichen von taz.de, dazu bereit war, alle unumstößlichen Prinzipien von taz.de zugunsten dieses sozialen Experiments umzu­stoßen.
Erwähnen möchte ich den Kollegen Carl Ziegner, der die Texte auf taz.de produziert hat, oft genug nach Abpfiff der Spiele, also zur nachtschlafenden Zeit. Carl war stets mein erster Leser, und wenn er mir am Telefon lachte oder per Mail seine Lieblingsstelle vortrug, wusste ich: So schlecht kann’s nicht sein.
Erwähnen möchte ich schließlich Frauke Böger, die nicht nur meine liebste Kollegin ist, sondern auch sonst meine Herzallerliebste und die dieselbe Aufgabe bei meiner Kolumne »Trikottausch« über­nommen hat. Sie ist auch diejenige, die eine ganze Reihe von Fragen, die taz-Lesern immer wieder gestellt haben, mit ein und demselben Satz beantworten kann: Liest die Texte von Yücel eigentlich niemand gegen? Doch, ich! Kann überhaupt jemand in der taz-Redaktion den Yücel leiden? Doch, ich! Den Yücel will bestimmt keine haben! Doch, ich! Dafür liebste Frauke, Danke!
Danken möchte natürlich meinen Leserinnen und Lesern, die – aus freien Stücken zum Gesamtwerk Vuvuzela beigetragen haben. »Die Satire ist immer erst nach dem letzten Kommentar zu Ende«, hat ein kluger Leser mal eine Vuvuzela-Folge kommentiert. Besser kann ich es nicht sagen.
Ganz besonders danke ich natürlich der Kurt Tucholsky-Gesell­schaft und der Jury, dass sie mich des Kurt Tucholsky-Preises für würdig befunden hat. Als der eben erwähnte Kollege Dirk Knipphals mich fragte, was ich davon halten würde, wenn er mich für den Kurt-Tucholsky vorschlüge, war meine Antwort ungefähr: »Man muss vielleicht einen an der Waffel haben, um solches Zeug zu schreiben. Erst recht muss man einen an der Waffel haben, um dieses Zeug derart prominent und ohne den Hinweis ›Vorsicht: Satire‹ zu veröffentli­chen. Ganz gehörig einen an der Waffel muss man aber haben, um für dieses Zeug einen Preis zu spendieren.« Dafür, dass Sie einen an der Waffel haben, möchte Ihnen meinen Dank und meinen Respekt be­kunden.
Und last but not least danke ich Ihnen allen, dass Sie an diesem sonnigen Sonntagvormittag die Zeit gefunden haben, um mit mir zu feiern. Dafür meinen aufrichtigen, herzlichen Dank! Sağolun, varolun!

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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Ein Lob dem Ätzenden – Laudatio auf Deniz Yücel

Laudatio auf Deniz Yücel, Träger des Kurt-Tucholsky-Preises 2011, gehalten am 22. Oktober 2011 im Berliner Haus der De­mokratie
Dieser Mann, das möchte ich Ihnen erzählen, ist so freundlich. Von ab­solut umgänglicher Art, er beherrscht die Umgangsformen, die man als angemessen, ja bürgerlich bezeichnet. Obwohl, und das trifft die­sen Menschen umso besser, in Wahrheit, neuen Forschungen zufolge, der zivilisatorische Habitus in Takt und Ton recht eigentlich dem proletarischen Teil aller Gemeinwesen zugerechnet werden muss: Wo es klamm ist und umständehalber materiell dauernd knarzt, ist es we­nigstens vonnöten, miteinander nicht raubauzig umzugehen; wo es ohnehin nach der Decke zu strecken gilt, muss man sich in puncto Manieren nicht auch noch auf die Nerven gehen.
Damit komme ich, sozusagen, ganz zwanglos auf Deniz Yücel zu sprechen, der mein Kollege ist, und zwar ein von mir überaus ge­schätzter, denn er bekommt von Ihnen dieses Jahr den Kurt-Tu­cholsky-Preis für seine Kolumne namens »Vuvuzela«, die voriges Jahr angelegentlich der Fußballweltmeisterschaft der Männer in Südafrika beinahe täglich in der taz, in der papiernen wie der elektronischen Ausgabe, erschien. Und das ging auch mich was an, denn das Sonder­projekt unserer Zeitung zu diesem weltgrößten Sportereignis wurde von mir geleitet – und Deniz Yücel war ein Teil unseres Teams.
Okay, Kollege Yücel kann auch zur Last fallen. Ich fand übri­gens: auch mir. Mehr aber anderen Kollegen, denn die Allüren einer, lassen Sie es mich so sagen, Diva mit menschlichem Antlitz, sind die­sem Manne ja nicht fremd. Mir fallen zu dieser seiner Aura so viele Anekdoten ein – etwa auch die, dass er sehr mächtigen Wert darauf legt, nicht als Spross einer migrantischen Familie zu gelten, nein, er lässt sich nicht so leicht türkisieren, sondern als Kind eines Kommu­nisten, den es ins Hessische verschlagen hat. Hören Sie Deniz Yücel mal anderthalb Minuten zu – man hört aus ihm Äppelwoi und grüne Soße heraus.
Aber, Spaß und Ernst beiseite: Diese Kolumne namens »Vuvu­zela« war in meinen Augen – und ist es noch! – ein Juwel zeitgenössi­scher deutscher Kolumnistik. Von Satire oder Comedy möchte ich in diesem Zusammenhang lieber schweigen: Denn das Denken und Schreiben meines Kollegen lebt, anders als die Autoren von Zeit­schriften wie »Eulenspiegel« oder vor allem »Titanic« nicht vom Lus­tigmachen über ander Leute, von Bildungsdünkel und lippenkräuseln­der Mokanz über die Zumutungen und Anmaßungen anderer Men­schen, gern solcher, die sich nicht mit gleichen, sprachlichen Mitteln wehren können. Und Deniz Yücel passte mit seinen sprachlichen Vermögen umso schärfer zu den anderen – als einer, der es besser und, jawoll, ätzender kann.
Lebt beispielsweise der Humor der taz-Satireseite »Wahrheit« überwiegend von dem Muster: »Helmut Kohl hat Käsefüße« … wor­aufhin das Publikum, auch unser alternatives gesinntes, lacht, so muss dem Kollegen Yücel das begnadete Verdienst zuerkannt werden, dass er nur und exklusiv und ausschließlich Großmäuler, Lautsprecher, Se­xisten, Hasenpfötchen und Feiglinge zu geißeln weiß. Humor auf Kosten Schwacher? Nicht mit ihm. Die »Vuvuzela«, wie auch seine sehr ähnlich gestrickte Kolumne zur Fußballweltmeisterschaft der Frauen, die er »Trikottausch« nannte, lebten vom Spott über das, was zu grell war, zu übertrieben, zu national aufgeheizt und zu unsauber. Sein Vorbild, falls man das so sagen darf, könnte der »Bild-Zeitungs­kolumnist« F.J. Wagner sein – in Wahrheit ist dieser nur ein Kopist dessen, was Yücel schriftlich zu umreißen vermag. Anders als mein Kollege scheut Wagner nicht vor Mitteln der Hetze, der missbräuchli­chen Art und des Schmunzelns auf Kosten Schwächerer zurück. Dass er das GroßeGanze im Nationalen rechtsgedreht denkt, ist ohnehin die Sache: Aber das soll nicht kritisch gemeint sein – konservativ zu den­ken ist ja nicht strafbar.
Yücel jedenfalls wirkt mit seinen Texten subversiv, er provoziert mit ihnen heftig böse Reaktionen, er missachtet die Gebote jener Menschen, die man die politisch Korrekten nennen könnte – er bringt sie schmallippig-giftelnd zum Schäumen – und das muss man gut fin­den, denn andere Leidenschaften haben diese Menschen nicht.
Yücel, wenigstens dies auch noch, ist aber passioniert an und für sich. Nichts im Leben ist ihm einerlei, deshalb möchte ich ihn auch nicht einen Freund stumm qualmender Gemütlichkeit nennen – weder solche linker Provenienz noch die von rechts. Ihr Preisträger ist ein würdiger, denn er schludert gegen die Gedankenlosigkeit von Alliier­ten und kameraderiehafte Aspirationen von Gutmeinenden. In Wahr­heit ist Deniz Yücel ist guter Mensch – er muss ein Freund sein von allen, die es nicht bequem haben möchten, schauen sie sich wach und lustvoll die Welt an.
Herzlichen Glückwunsch diesem Preisträger!
 JAN FEDDERSEN, Redakteur für besondere Aufgaben bei der taz, Pub­lizist und Buchautor in mannigfaltiger Weise, Liebhaber von Tucholsky-Filmen wie »Schloss Gripsholm« und ansonsten kein Freund allzu destruk­tiver Kritik an der Weimarer Republik. Er ist bekennender Verfassungspat­riot.