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[Rezension] Unda Hörner: Ohne Frauen geht es nicht

Neben Bertolt Brecht ist Kurt Tucholsky der deutsche Autor der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, über dessen Liebesleben be­sonders ausführlich geschrieben wurde. Die Germanistin Unda Hörner, die in Tucholskys Lieblingsstädten Berlin und Paris stu­dierte, hat mit dem schmalen, aber kompakten Band »Ohne Frau­en geht es nicht« auf Erkenntnisse anderer Publizisten von Helga Bemmann bis Klaus Bellin aufgebaut. Ist Hörners Bändchen nun aufschlussreich? Oder überflüssig?
Die Frage ist mit einem klaren »Sowohl als auch« zu beantworten. Wer sich für Tucholsky und die Frauen interessiert – wohlgemerkt die Frauen, und nicht, wie es der Untertitel verheißt »die Liebe« – und keinen Stapel von Büchern wälzen möchte, wird hier kompakt bedient. Von dem wenigen, was wir über Kitty Frankfurter wissen, bis über Liebschaften und zu dem Vielen, was wir von Mary Gerold kennen, referiert die Autorin kenntnis- und zitatenreich wie es gelaufen ist.
Zudem hat sie viele Memoirenbücher von Tucholskys Zeitgenossinnen gelesen und das eine oder andere Detail in den Vordergrund gerückt. Tucholskys Liebe (zumindest zu Frauen) verlässt sie aber, wenn sie über die Diseusen und gar die zeitgenössischen Autorinnen spricht.
Die offenbar platonische Liebe zu Gussy Holl ist bekannt. Hörner lässt offen, ob es mit Hesterberg oder Kühl zu intimen Begegnungen kam. Gerade an diese beiden Künstlerinnen denkt die Autorin of­fenbar nicht, wenn sie feststellt, dass nach 1933 Tucholskys Interpretinnen ver­stummten. Es mag für Rosa Valetti gelten, oder auch für Claire Waldoff. Kate Kühl und Heinrich Manns Ex-Geliebte Trude Hesterberg machten (wenngleich viel zahmer) im Dritten Reich weiter, beide auch in der DDR, bevor sie vom westdeutschen Kulturbetrieb aufgesogen wurden.
Ein anderes Kapitel befasst sich mit den Autorinnen unter Tucholskys Zeitgenos­sen. Hörner legt glaubhaft nahe, dass sich Tucholsky und Vicky Baum durch den anderen Kurt, Tuchos Freund Szafranski, gekannt haben müssen. Aber auch Irmgard Keuns und Gabriele Tergits damalige emanzipierte Haltungen referiert sie mit Zitaten aus Tucholskys Rezensionen auf eingängige Weise.
Tucholsky-Freunde, die schon tief mit Leben und Werk des Meisters vertraut sind, müssen den Band nicht erwerben. Wer es aber kaufen möchte, um Freun­dinnen und Bekannte auf Tucholsky neugierig zu machen, der sollte zugreifen.

Frank-Burkhard Habel

Hörner, Una: Ohne Frauen geht es nicht, Tucholsky und die Liebe, ebersbach & simon. Berlin. 2017, 144 Seiten, geb., 16,80 € ISBN 978-3-86915-137-3