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Tucholsky im Spiegel [April 2017]

In der Zeitschrift Volltext, Nr. 4/2016, S. 64, gibt die österreichische Literatur­kritikerin Daniela Strigl im Fragebogen Zum Geschäft der Literaturkritik heute gleich an erster Stelle ihrer Antwort zu Protokoll:
(Frage): Welche LiteraturkritikerInnen schätzen Sie am meisten? Für welche Qualitäten?
(Antwort): Tucholsky für seine Geradlinigkeit und seinen Humor
Das Veranstaltungsmagazin des Mindener Tageblattes titelte in der Ausgabe für den 5. bis 11. Januar 2017
Hommage an Kurt Tucholsky
Schauspieler erinnern mit einer Revue an das Leben des Schriftstellers
um auf die diesjährige (vorgezogene) Geburtstagsveranstaltung am 8. Januar 2017 hinzuweisen. Organisiert von den zahlreichen Mitglieder*innen unserer Gesell­schaft aus Minden und inhaltlich repräsentiert vom Ensemble der Tucholsky Büh­ne Minden hinzuweisen. Im Weiteren heißt es dann u. a.:
Die Theatergruppe führt eine Hommage auf, in Erinnerung an die Anfänge, gemischt mit dem Biographical KurtT, das sie 2006 gespielt hat. Mit Songs und Texten aus der Feder des Berliner Journalisten und Satirikers erzählt das sou­verän agierende Ensemble aus seinem Leben. Seine Mutter kommt zu Wort, seine Frau Else Weil und auch seine Geliebte Mary Gerold. Mit der Marien-Kantorin Anna Somogyi am Flügel und der Sängerin Susanne Spitzmüller hat sich die Gruppe zwei hervorragende Musikerinnen als Verstärkung geholt. Ihre Interpretation des Gedichts Der Graben geht zu Herzen.
Soweit der Vorbericht, der uns wie immer ein volles Haus bescherte. Nachzutragen ist, dass unser Vorsitzender Ian King zu Beginn die Besucher*innen begrüßte, der Unterzeichner den Abend moderierte, der Büchertisch großes Interesse fand und die Mindener Brigitte Rothert in unsere Gesellschaft eintrat (Näheres dazu im Be­richt des Schatzmeisters).
In Ossietzky Nr. 1, 7. Januar 2017, finden sich vor allem Nachrufe auf den am 15. Dezember 2016 verstorbenen Mitbegründer und Mitherausgeber Eckart Spoo, der auch unserer Gesellschaft ein steter Freund, hilfreicher Unterstützer und nimmer­müder Ratgeber war.
Im Nachruf von Otto Köhler, zusammen mit dem leider auch bereits verstorbenen Lothar Kusche Träger des Kurt-Tucholsky-Preises 2013, heißt es auf S. 28 u. a.:
Wir von Ossietzky halten uns an das Beispiel, das Eckart Spoo uns gab, als er vor 19 Jahren schrieb: »Wir müssen wenigstens hinsehen. Möglichst genau hinsehen. Und uns erinnern. Dazu verpflichtet uns die Tradition, für die der Name Ossietzky steht.« In seinem Sinne verurteilte Eckart Spoo »das unver­schämte Drängeln nach weltweiter militärischer ›Verantwortung‹« – dieses Or­well-Wort gab es damals schon, bevor dieser Bundespräsident Gauck es in den Mund nahm. Er verurteilte die »Aufmärsche gewalttätiger junger Nazis« vor allem in »Dresden« – damals jung, heute, zwanzig Jahre älter und noch gewalttätiger. Und auch daran hat sich nichts zum Besseren geändert: »der immer rabiatere Umgang mit Flüchtlingen wie mit den einheimischen Armen, das Ausräubern öffentlicher Einrichtungen, das Mitmachen der SPD, die sich bemüht, alles zu bestätigen, was Tucholsky einst bitter über sie geschrieben hat.«
Erhard Weinholz schreibt in Ossietzky, Nr. 3, 4. Februar 2017, S. 93ff., über die Veränderung des Bötzowviertels in Berlin unter der Überschrift Umstrittenes Gelände u. a.:
Als die Bezirksverwaltung die seit mehr als hundert Jahren bestehende Büche­rei in der Esmarchstraße schließen wollte, blieb es nicht bei Protesten. Stammbewohner und Zuzügler, Westler und Ostler besetzten die Bibliotheksräume, gründeten den Verein Pro Kiez als Träger und betreiben seit dem Sommer 2008 die Bibliothek ehrenamtlich. Das sagt sich so einfach, war aber mit einer Unzahl von Problemen und Konflikten verbunden; gesichert ist der Fortbestand der der Kurt-Tucholsky-Bibliothek bis heute nicht.
Anmerkung: Mitglieder*innen unserer Gesellschaft haben schon mehrfach Unter­stützungsaktionen für den Erhalt der nach unserem Namensgeber benannten Bi­bliothek organisiert bzw. sich daran beteiligt. Mit dem Verein „Pro Kiez“ verbindet uns eine Mitgliedschaft auf Gegenseitigkeit.
Auch das folgende Heft, Ossietzky Nr. 4, 18. Februar 2017, kommt nicht ohne unseren Namensgeber aus. Volker Bräutigam beginnt seinen kritischen Artikel über den Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz aus Würselen, in dessen Schatten sich nach Aussage von Schulz Aachen erst entwickeln konnte, unter der Über­schrift »St. Martin und St. Michael« mit einem Tucholsky-Zitat:
Die SPD – Sie wissen schon, Tucholsky: die »Hier können Familien Kaffee kochen«-Partei – hat mit Martin Schulz wieder einen »Hoffnungsträger«. Das verkünden ihre Offiziellen, ohne rot zu werden, mit dieser Farbe haben es die Sozialdemokraten ohnehin nicht mehr so.
Die Zweitausendeins-Läden sind Geschichte. 1969 gegründet, wurde der letzte Laden Ende 2016 geschlossen. Aber nicht die unter dem Titel Merkhefte alle vier Wochen versandten kleinformatigen Kataloge auf Dünndruckpapier.
Die Merkhefte werden nunmehr von der Frölich & Kaufmann Verlag u. Versand GmbH aus Berlin in Kooperation mit der Zweitausendeins-Versand-Dienst GmbH, jetzt ansässig in Leipzig, herausgegeben und kostenlos verschickt.
Das aktuelle Merkheft Nr. 311 März/April 2017 ziert ein Hund mit einer zu­sammengefalteten Zeitung im Maul. Geworben wird damit schon auf der Titelseite für
Kurt Tucholsky
Bissiges über den Hund. Mit Illustrationen von Klaus Ensikat. Seite 6
Auf Seite 6 erfährt die geneigte Leser*innenschaft dann mehr:
Der Hund als Untergebener. Bissiges über Hunde und ihre Halter. Il­lustration von Klaus Ensikat.
Kaum ein Text Kurt Tucholskys rief bei seinen Lesern eine derart aufge­brachte Reaktion hervor wie sein satirischer Aufsatz Traktat über den Hund aus dem Jahr 1927. Auch in anderen Prosastücken, Feuilletons und Gedichten, die hier erstmals gesammelt vorliegen, hat sich der bekennende Katzenfreund Tucholsky humorvoll mit dem nicht immer unproblematischen Verhältnis zwischen Herrn und Hund auseinandergesetzt: »Es scheint wirklich so, dass die meisten Menschen hierzulande einen Hund nur deshalb besäßen, um noch einen unter sich zu haben.«
[56 S., statt 19,95 als Sonderausgabe nur 9,95 €, Nr. 773590, Merkheft, Postfach 650634, 13306 Berlin – online unter merkheft.de]
Auf der gleichen Seite wird noch folgendes Buch beworben. »Die komischen deutschen Erzähler«:
Gerd Haffmans hat 119 Geschichten um die Wechselfälle des Lebens grup­piert und zum Lachen, Grinsen oder auch zu divertiertem Lippenkräuseln freigegeben. Geschichten u. a. von Wilhelm Busch, Heinz Erhardt, Franz Kafka, Erich Kästner, Mascha Kaléko, Loriot Thomas Mann, Harry Rowohlt, Kurt Tucholsky u.v.a.
[650 S., Lesebändchen, Fadenheftung, Leinen, Haffmanns Verlag, 19 €, Nr. 799840.]
Die Welt bewirbt in ihrer Ausgabe vom 28. Februar 2017 ganzseitig (S. 12) eine neue »alte« Zeitschrift mit der Überschrift:
Das ANALOGE muss sich radikalisieren.
Es folgt der Untertitel:
»Die Dame« war in der Weimarer Republik eine revolutionäre Zeitschrift. Jetzt kommt sie zurück an den Kiosk. Nicht als Retro-Artefakt, sondern als Ausru­fezeichen in der digitalen Welt.
Im Textteil heißt es dann weiter:
Nun erscheint bei Springer eine Zeitschrift, die nicht nur gedruckt wird, son­dern das auch noch besonders aufwendig. 1,5 Kilogramm wiegt sie, 292 Sei­ten hat sie, 15 Euro kostet sie. (…) Die Marke (…), die am 2. März an den Kiosk kommt, heißt Die Dame. Nicht irgendeine Dame, sondern eben Die Dame. Die Zeitschrift erschien zwischen 1912 und 1937 im Berliner Ullstein-Verlag. Für die Zeitschrift arbeiteten Autoren und Künstler wie Kurt Tuchols­ky, Hannah Höch, Tamara de Lempicka, Joachim Ringelnatz, Bertolt Brecht, Vicky Baum. Nach der Enteignung Ullsteins durch die Nazis ging die Zeit­schrift an den »Deutschen Verlag«, wo sie bis 1943 erschien. Mit dem Frauen­bild der Nazis hatte die Welt der Dame freilich nichts am eleganten Organza­hut. Ein »Zentralorgan der Intelligenz der Weimarer Republik« nennt Christi­an Boros, Kunstsammler, Unternehmer und Herausgeber der neu aufgelegten Dame die Zeitschrift.
Ein großes Dankeschön an unser Ehrenmitglied Wolfgang Helfritsch, der in Ossietzky Heft 5, vom 4. März 2017, S. 172f, seine Rezension eines äußerst le­senswerten Buches unter der Überschrift »Zwischen Nationalpreis und Misstrauen« wie folgt beginnt:
»Beim Barte des Proleten!« Da drückte mir doch im Umfeld der Tuchols­ky-Jahrestagung 2016 in Szczecin der Autor und Kabarettist Jürgen Klammer seine gleichnamige Dokumentation über die Berliner »Distel« in die Hand. Und die legte ich vor dem Auslesen nicht wieder aus derselben.
Jürgen Klammer: Beim Barte des Proleten – Geschichten aus dem Ka­barett-Theater Distel, selbstironieverlag, 272 Seiten, 34.90 €. Der Verlag freut sich über Direktbestellungen unter: info@selbstironieverlag.de. Bei dieser Gelegenheit, sozusagen als Pendant, der Hinweis auf die ebenso lesenswerte Autobio­grafie von Wolfgang Helfritsch: »In 80 Jahren durch drei Welten – Erinnerungen und Episoden aus einem kurzen Leben«, 463 Seiten, 24.80 €, Verlag Ille & Riemer 2015, ISBN 978-3-95420 009-2.
Mein Dank gilt diesmal auch Marc Reichwein, unserem neuen Jurymitglied. Sämtli­che Artikel sind wie immer über die Geschäftsstelle abrufbar.
Bernd Brüntrup