Unterrichtsreihe zu Kurt Tucholsky

vielleicht haben Sie sich auf der Suche nach brauchbaren Materialien für Ihre Stundengestaltung bereits die Frage gestellt: Warum sollte ich Kurt Tucholsky zum Gegenstand meines Unterrichts machen?

Die Antworten sind vielfältig: Zunächst lässt sich der häufig gestellten Forderung nach Aktualität eines Lehrmaterials, das motivierend und lebensnah im Unterricht verwendet werden kann, mit Tucholsky-Texten problemlos nachkommen. Obwohl seine Schaffensphase zwischen 1907 und 1932 lag, sind viele seiner Zeitungsartikel, Gedichte, Reiseberichte, Essays, Glossen, usw. zeitlos in dem Sinne, dass sie zeitlose Themen in klarer Sprache und auf hintergründig-humorvolle Weise zum Inhalt haben. Als besonders skurriler Nachweis der Aktualität Tucholskys kann der Umstand gewertet werden, dass anlässlich der hereinbrechenden Finanzkrise monatelang ein Gedicht im Internet kursierte, das ihm zugeschrieben wurde, was sich aber bald als Missverständnis herausstellte.

Tucholskys Texte sind punktuell in vielen Lehrbüchern der Fächer Deutsch, Politik oder auch Geschichte zu finden. Allein die intensive Beschäftigung mit seinen politischen Schriften ist bereits deshalb ergiebig, weil mit ihnen ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt werden kann. So lässt sich im Geschichts- oder Politikunterricht die Entwicklung des politischen Systems der Weimarer Republik und das Aufstreben des Dritten Reiches mit Hilfe zahlreicher Abfassungen Tucholskys anschaulich und aus sehr persönlicher Perspektive nachvollziehen. Ebenso wäre für den Religions-/ Ethikunterricht die Auseinandersetzung mit der nach wie vor umstrittenen Aussage Tucholskys „Soldaten sind Mörder“ im Rahmen einer Diskussion um Pazifismus und Militarismus (z.B. Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr) lohnenswert. Darüber hinaus wären die diversen von Tucholsky verfassten Kabarett- und Chansontexte und deren vielfältigen Vertonungen ein sinnvoller Themenkomplex für den Musikunterricht. Diese Beispiele zeigen bereits, dass sich zusammengenommen aufgrund der thematischen Vielfalt der Tucholsky-Texte ein abwechslungsreiches und lehrreiches Projekt in verschiedenen Bildungsgängen und für unterschiedliche Alterstufen durchführen ließe.

Für den Deutschunterricht lassen sich weitere Argumente pro Tucholsky finden: Da wären beispielsweise die Mannigfaltigkeit der von Tucholsky verwendeten Textsorten sowie die einfache, aber nicht schlichte Sprache des Schriftstellers, die zu Stilübungen mit Schülerinnen und Schülern geradezu einlädt. Hinzu kommt die Eigenschaft Tucholskys, menschliche Schwächen und in diesem Zusammenhang auch die Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau mit viel Humor zu beschreiben und zu kommentieren. Die selbstironische Grundhaltung, die in vielen Texten vermittelt wird, sollte in deutsche Klassenzimmer transportiert werden, in denen Schülerinnen und Schüler auf der Suche nach eigener Identität oftmals positive Vorbilder suchen und benötigen.

Das Leben Tucholskys stellt in seiner Ambivalenz ebenfalls ein Untersuchungsfeld dar, das die Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern berühren und Anlass zu umfassenden Diskussionen und Reflexionen bieten kann: Auf der einen Seite steht Tucholsky als der konsequente Kriegsgegner und Kämpfer für ein friedliches „Haus Europa“, der für Werte wie Gleichberechtigung, Menschlichkeit und Standhaftigkeit eintritt. In seinem Privatleben jedoch ist er der zerrissene Lebemann, der sein selbst verschuldetes „ungelebtes Leben“ mit seiner Frau Mary in seinem tragischen Abschiedsbrief beklagt.

Die Arbeitsblätter, die Sie im Download-Bereich dieser Homepage finden, sind in der vorliegenden Form als Reihe oder auch einzeln im Unterricht einsetzbar, sollten aber auch als Impulse gesehen, sich weiterhin mit Tucholsky zu beschäftigen und sich für die Materialentwicklung aus dem reichhaltigen Fundus seines Werkes für den Unterricht zu bedienen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und vor allem viel Freude bei Ihren Unterrichtsstunden.

Dr. Uwe Wiemann

Arbeitsblätter

1. Einstieg:

• Folie mit Foto

• Zeitzeugen über K.T.

2. Grundlagen und Annäherung:

• „Start“ (Vorwort zum Sammelband Mit 5 PS)

• M. Hepp: „Pseudonyme sind wie kleine Menschen“

• Übersicht der von K.T. verwendeten Textsorten

• „Gebrauchslyrik“ + Beispiel „Bürgerliche Wohltätigkeit“

3. Literarische Verfahren und Strategien

• „Der Mensch“

• „Was darf die Satire?“

• Paul Heyse: „Lied von Sorrent“

• Theobald Tiger „Sorrent“

4. Themenkreis „Liebe“

• „Unser ungelebtes Leben...“ K.T.s Abschiedsbrief an Mary Gerold

• „Aus!“

• „Lottchen beichtet 1 Geliebten“

• „Herr Wendriner betrügt seine Frau“

• Auszug aus Schloß Gripsholm

• „Der andere Mann“

• Chansons „Augen in der Großstadt“ und „Sie, zu ihm“

5. Themenkreis „Krieg und Pazifismus“

• „Der bewachte Kriegsschauplatz“

• Folie mit Aufklebern „Soldaten sind Mörder“, Karikatur etc.

• „Der Graben“ + Vertonung von Hanns Eisler und Oliver Steller

• „Drei Minuten Gehör“

• „Krieg dem Kriege“

6. Themenkreis „Kommunikation“

• „Herr Wendriner erzieht seine Kinder

• „Ratschläge für einen schlechten Redner“

• „Zeitungsdeutsch und Briefstil“

7. Abschlussreflexion und Text „Mein Nachruf“

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