Stellungnahme „Krieg dem Kriege“

Kurt Tucholsky: „Krieg dem Kriege“

Stellungnahme der Kurt Tucholsky-Gesellschaft e.V.

„Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen.
Werden die Menschen es niemals lernen?“[1]

Mit dem unverhohlenen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Wladimir Putin seinen Worten, die der Ukraine das Existenzrecht absprechen, erneut Taten folgen lassen. Wieder einmal hat sich die Welt von einem Diktator, der seine Absichten und Ansichten nie verheimlicht hat, täuschen lassen.

Umso wichtiger ist ein entschlossenes Handeln der Welt jetzt erforderlich. Hier und heute muss diesem Großmachtstreben, das wortwörtlich über Leichen geht, Einhalt geboten werden. Die Lektionen des blutigen 20. Jahrhunderts dürfen nicht vergebens gelehrt worden sein.

„Krieg gleich Mord“[2] – auf diese einfache Formel brachte Kurt Tucholsky den Wahnwitz dessen, was in russischen Medien nur in zynischen Euphemismen benannt werden darf und doch nichts anderes ist als ein Krieg.

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft verurteilt dieses Morden aufs Schärfste und schließt sich hierin dem weltweiten und lauten Protest aus allen Bereichen der Gesellschaft an. Dieser Krieg, der – wie jeder Krieg – Elend, Leid und Tod bringt, richtet sich gegen eine Bevölkerung, die sich das selbstverständliche Recht genommen hat, selbst über ihr Schicksal zu bestimmen.

Wir fordern im Andenken an unseren Namensgeber Kurt Tucholsky die russische Regierung auf, sofort alle Angriffe einzustellen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen und deren territoriale Integrität wieder herzustellen.

Der Schutz der Zivilbevölkerung und das Offenhalten von Fluchtwegen und humanitären Korridoren müssen nun an erster Stelle stehen.

Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges, der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, ist Kurt Tucholsky zu einem entschiedenen Kriegsgegner geworden. Es steht zu befürchten, dass der jetzt eskalierte Krieg zur Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts werden wird.

Daher muss uns die nun einsetzende Aufrüstung beunruhigen. Bereits vor 90 Jahren war bekannt, wohin dies führen muss: „Ich halte im übrigen dieses Wettrüsten für Wahnwitz – es muss zum Kriege führen, und es ist gar kein Mittel […] ihn zu verhindern.“ (Kurt Tucholsky, 1935)[3] und auch diese Lektion hat uns das 20. Jahrhundert gelehrt. Das jetzt zu vergessen und ein neues Wettrüsten zu befeuern, würde in die Katastrophe führen – was angesichts des heutigen Waffenarsenals die Auslöschung der menschlichen Zivilisation bedeuten könnte.

„Boykott. Blockade. Innere Einmischung in diese Barbarei, ohne Krieg zu führen.“ empfahl Kurt Tucholsky 1935 und in diesem Sinne sind die ersten Sanktionen der Weltgesellschaft gegen den Aggressor zu begrüßen. Dass Putin zur Einsicht kommen wird, dafür gibt es derzeit keine Anzeichen. Und so bleibt nur mit den Worten aus Tucholskys vielleicht bekanntestem Anti-Kriegsgedicht an die Ausführenden selbst zu appellieren:

„Werft die Fahnen fort!

Die Militärkapellen spielen auf zu euerm Todestanz.

Seid ihr hin: ein Kranz von Immortellen –

das ist dann der Dank des Vaterlands.

   Denkt an Todesröcheln und Gestöhne.

   Drüben stehen Väter, Mütter, Söhne,

   schuften schwer, wie ihr, ums bisschen Leben.

   Wollt ihr denen nicht die Hände geben?

   Reicht die Bruderhand als schönste aller Gaben

   übern Graben, Leute, übern Graben -!“[4]

Im Kriegsgebiet leisten unabhängige Journalist:innen unter Einsatz ihres Lebens unschätzbare Arbeit. Arbeit, die wichtig ist, um den Propagandamaschinerien der Kriegführenden etwas entgegenzusetzen. Nur, wenn wir wissen, was tatsächlich vor sich geht, können wir richtig handeln. Daher schließt sich die Kurt Tucholsky-Gesellschaft dem gemeinsamen Spendenaufruf des netzwerk recherche, n-ost, Reporter ohne Grenzen und der taz Panter Stiftung an und ruft zu Spenden zugunsten ukrainischer Journalist:innen auf. Spenden können Sie hier:

https://www.betterplace.org/de/projects/106590-unterstuetzung-fuer-journalist-innen-in-der-ukraine

[1]aus: Kurt Tucholsky als Theobald Tiger: Krieg dem Kriege, erschienen in: Ulk, Jg. 48, Nr. 24 vom 13. Juni 1919, S. 2

[2] aus: Kurt Tucholsky als Ignaz Wrobel: Krieg gleich Mord, erschienen in: Die Weltbühne, 19.04.1932, Nr. 16, S. 588.

[3] aus: Kurt Tucholsky: Beilage zum Brief an Hedwig Müller vom 16.3.1935 [Q-Tagebuch]

[4] aus: Kurt Tucholsky als Theobald Tiger: Der Graben, erschienen in: Das Andere Deutschland, 20.11.1926