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So wäre es, wenn …

Frank-Burkhard Habel (nach Ignaz Wrobel)

Schlagzeile in ›BILD‹. Kommt die Impfpflicht? –

Wie wir erfahren, ist soeben im Bundesjustizministerium ein Referentenentwurf fertiggestellt worden, der sich mit der Einführung der Impfpflicht befasst.

Alle Morgenjournale. Die von einer Boulevardzeitung verbreitete Meldung von der Wiedereinführung der Impfpflicht ist falsch. Im Bundesjustizministerium haben allerdings Erwägungen geschwebt über eine gewisse, natürlich partielle und nur für ganz bestimmte wenige Einzelfälle zu verhängende Form körperlicher Eingriffe; doch haben sich diese Erwägungen zu einem Referentenentwurf, wie das betreffende Blatt behauptet, noch nicht verdichtet.

14 Stunden Pause

Die Nachtjournale. Die Impfpflicht ist da! – Der stechende Minister! – Würden Sie Ihre Kinder impfen, Herr Spahn? – Endlich eine kräftige Maßnahme! – Immer feste hinein! – Pfui! – Die Kanülenregierung! – Rückkehr zur Ordnung!

Sozialdemokratischer Leitartikel. … sich tatsächlich bewahrheitet. Wir finden keine parlamentarischen Ausdrücke, um unsrer flammenden Entrüstung über diese neue konservativ-diskriminierende Schandtat Ausdruck zu geben. Nicht genug damit, dass dieses Ministerium dem Volk die Steuerlast aufbürdet – nein, der rechtschaffene Arbeitnehmer soll nun auch noch, wie es im Feudalismus üblich war, mit Nadelstichen abgestraft werden. Die Bundestagsfraktion hat bereits schon jetzt zu verstehen gegeben, dass sie gegen diesen neuen Plan schärfsten Protest …

›Münchner Neueste Nachrichten‹. … wir sagen müssen: der erste vernünftige Gedanke, der aus Berlin kommt.

5 Stunden Pause

Anti-Impf-Demo. »Eine Schmach und eine Schande! Ich könnte es keinem der Gestochenen verdenken, wenn sie nachher hingingen und ihren Quälern ihrerseits in alle Körperteile … « (Ungeheure Aufregung vor der Bühne. Die Leute schreien, werfen Plakate in die Luft und winken mit Taschentüchern. Es werden 34 Portemonnaies geklaut. Es bilden sich Pfützen von Schweiß.)

tageszeitung: … natürlich absolute Gegner*innen der Impfpflicht sind und bleiben. Es ist allerdings bei der gegenwärtigen Konstellation zu erwägen, ob diese in der großen Politik doch immerhin nebensächliche Frage für die Bündnisgrünen ein Anlass sein kann, die unbedingte Unterstützung, die sie der gegenwärtigen Regierungskoalition zugesagt hat, abzublasen. Andrerseits …

Protestversammlung der Antifa. (Verboten.)

Telefonzelle im Bundestag. » … Halloo! Hallo, Saarbrücken? Allô, allô – Je cause, mais oui, mademoiselle – aber bitte! Ne coupez-pas! Ja, deutsch! Sind Sie da? Also … Zusatzantrag der Frau Sahra Wagenknecht beraten, haben Sie? dem zufolge der Oberarm der Impflinge vorher mit Nelken desinfiziert – – hallo! Saarbrücken … !«

E-Mails an den Bundespräsidenten. … flammenden Protest! Nordwestdeutsche Arbeitsgemeinschaft höherer Hausärzte. … Ansehen Deutschlands im Ausland. Verein der linksgerichteten ziemlich entschiedenen Piraten. …  aber auch die nationalen Belange der deutschen Wirtschaft nicht zu vergessen! Verband der medizinischen Rohr-Fabrikanten.

Überschrift eines sozialdemokratischen Leitartikels. »Jein –!«

Bundestagsbericht der Tagesschau. Heute wurde unter atemloser Spannung der Tribünen die 1. Lesung des neuen ›Gesetzes zur Einführung der vorbeugenden medizinischen Zwangsertüchtigung‹, wie sein amtlicher Titel lautet, durchberaten. Das Haus war bei der vorhergehenden Beratung der Schleusen-Gebühr-Reform für den Bezirk Havelland-Ost sehr gut gefüllt, weil diese Vorlage von allen Parteien als ein Angelpunkt für die drohende Belastung der jetzigen Koalition angesehen wird; ihre Annahme wurde rechts mit Händeklatschen, links mit Zischen begrüßt. Bei der Lesung des Ertüchtigungsgesetzes leerte sich das Haus langsam, aber zusehends. Als erster sprach als Gastredner der Senior der deutschen Immunulogie, Professor Dr. med. Dr. Dr. hon. Roland Heilmann. Er führte aus, dass die Wiedereinführung der Impfpflicht ihn mit schwerer Besorgnis erfülle, er aber andrerseits eine gewisse Befriedigung nicht zu unterdrücken vermocht habe. Sein alter Kollege Prof. Brinkmann habe ihm schon im Jahre 1984 gesagt …

Der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Mützenich verkündigte nach einer ausführlichen Ehrung des Gastredners Heilmann in außerordentlich glänzender und ironischer Rede das klare Nein seiner Partei. (Siehe jedoch weiter unten: ›Letzte Nachrichten‹.) Unter dem Beifall der SPD und Linken bewies Abgeordneter Mützenich …

Es sprach dann, nach entsprechenden Ausführungen des Linken Gysi, der es vorzieht, gegen Stachel zu löcken, für die Freien Demokraten der Abgeordnete Kubicki. Seine Partei, so führte er aus, stehe dem Gesetz sympathisch gegenüber. Allerdings hätten wir ja alle schon einmal als Kinder tief in der Nase gebohrt. (Stürmische, minutenlang anhaltende Heiterkeit.)

Sozialdemokratische Parteikorrespondenz…. Wasser auf die Mühle der Kommunisten. Der klassenbewußte Arbeiter ist eben so diszipliniert, dass er weiß, wann es Opfer zu bringen gilt. Hier ist eine solche Gelegenheit! Schweren Herzens hat sich der Parteivorstand dem Gebot der Stunde gebeugt. Es ist eben leichter, vom Schreibtisch her gute Ratschläge zu erteilen, als selber, in hartem realpolitischem Kampf, die Verantwortung …

Interview mit der Bundeskanzlerin. … dem Vertreter der ›World‹ fast feierlich zugesagt, dass natürlich die Ausführungsbestimmungen der Humanität voll Genüge tun werden. Es wird, wie regierungsseitlicherseits bestimmt zugesagt werden kann, dafür gesorgt werden …

8 Wochen Pause

Kleine Nachrichten. Gestern ist im Bundestag das Gesetz für die Einführung der körperlichen medizinischen Ertüchtigung mit den Stimmen der drei Rechtsparteien gegen die Stimmen der Linken angenommen worden. Sozialdemokraten, Bündnisgrüne und Freie Demokraten enthielten sich der Abstimmung.

Phoenix-Das ganze Bild. Gestern ist in Celle die erste Zwangs-Impfung vollstreckt worden. Es handelte sich um einen Arbeiter, Ernst A., der der versuchten Tierquälerei an jungen Maikäfern bezichtigt war. Dem Delinquenten wurden 3 Impfdosen verabfolgt. Das Personal arbeitete einwandfrei; Minister Spahn wohnte der Prozedur persönlich bei. A. ist Mitglied der KPD. 

8. März 2046. » … auf die arbeitsreiche Zeit von 25 Jahren zurückblicken. Wenn das Bundesertüchtigungsamt bis heute nur Erfolge gehabt hat, so dankt es das in erster Linie der vollen Unterstützung aller Bundesbehörden sowie dem Bundesverband der medizinischen Bundesertüchtigungsbeamten. Die bewährte Maßnahme ist heute nicht mehr wegzudenken. Sie ist eine politische Realität; ihre Einführung beruhte auf dem freien Willen des ganzen deutschen Volkes, dessen Vollstrecker wir sind. Das Gegebene, meine Herren, ist immer vernünftig, und niederreißen ist leichter als aufbauen. In hoc signo vinces! So dass wir also heute voller Stolz ausrufen können:

Das deutsche Volk und seine Impfpflicht – sie sind untrennbar und ohne einander nicht zu denken!

Das walte Gott!«

F.-B. Habel, seines Zeichens Zweiter Vorsitzender der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, hat Ignaz Wrobels Satire „Was wäre, wenn …“ zur vorgeblichen Wiedereinführung der Prügelstrafe aus der Weltbühne 38/1927 aufgegriffen, und gibt sie weitgehend wörtlich mit aktuellen Anpassungen wieder. Er ist bereits erfolgreich geimpft und empfiehlt Gleiches allen, die diesen Blog besuchen. Die Glosse bezieht sich allein auf Politikbetrieb und Medienecho.

Eine Antwort auf „So wäre es, wenn …“

Super!
In diesem Zusammenhang verweise ich darauf, dass ich immer noch eine Ko-Autorin für mein Kinderbuchprojekt „Angie und die 16 Schwachmatys“ suche (taz-Nordwiese vom 17. April).

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