Nicht lange, nachdem ich Zweiter Vorsitzender der KTG geworden war, bin ich bei einer Vorstandssitzung einem älteren Gast begegnet, der sich als Tilman Westphalen vorstellte und meinen Kollegen und Kolleginnen bekannt schien. Tilman fackelte nicht lange, sondern fragte, ob ich bei der bevorstehenden Tagung der Erich Maria Remarque-Gesellschaft, die er mitgegründet hatte und der er damals vorstand, einen Vortrag über Tucholsky als Kriegsgegner halten würde. Als Neuer in unserem Vorstand habe ich mich zunächst geziert: war der Herr sicher, dass ich, der relativ Unbekannte in der Runde, wirklich der Richtige sei? Vermutlich hatten Wolfgang Helfritsch und Bernd Brüntrup ihn vorher gut bearbeitet, denn er sagte sofort: Ja, mach das. Und wenn Du auch etwas über heutige Kriege erzählen willst, ist das auch erwünscht. Da ich wegen der Irak-Invasion, wo Tony Blair für den Tod von einer halben Million unschuldiger Menschen verantwortlich gewesen war – aus der Labour-Partei ausgetreten war und noch immer auf Blairs Prozess vor dem Haager Menschenrechtsgericht warte – konnte ich trotz anfänglicher Unsicherheit nicht nein sagen.
Es folgte eine der interessantesten Tagungen, denen ich je beigewohnt hatte, mit Freunden wie Ernst-Adolf Flaskämper in der Remarque-Stadt Osnabrück. (Tagung im Zimeliensaal der Uni – noch immer weiss ich nicht, was eine Zimelie ist! – und Empfang im Rathaus. Tilman wusste wohl schon seit Jahren, wie Gäste zu behandeln waren.) Ein freundlicher, stets mehr fördernder als fordernder Gastgeber, der die Referent*innen ermutigte, egal ob sie über baskische Separatisten oder die angeblich grundgesetzwidrige Kriegsteilnahme durch die Bundeswehr erzählten: je kontroverser, desto mehr genoss Tilman das Gesagte. Wir haben uns nachher bei einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften in Weimar wiedergetroffen. Noch einmal war ich von seinen profunden literarischen und politischen Kenntnissen sowie seiner menschlichen Güte beeindruckt. Seither vielleicht bei der einer oder anderen KTG-Tagung. Hoffentlich habe ich sie auch nur halb so gut geleitet wie er damals in Osnabrück.
Tilmans riesige Verdienste um Remarque, die EMR-Gesellschaft und die “Friedensstadt Osnabrück” sollen andere beschreiben, die ihn besser kannten. Ich kann nur hinzufügen: auf Anrufe von dort habe ich mich immer gefreut. Seiner klaren, pazifistischen Haltung blieb er bis zuletzt treu. Wir haben in der KTG haben eines unserer besten und begabtesten Mitglieder am 25. April 2021 verloren. Jetzt frei nach Raabes Hungerpastor: Gib deine Waffen weiter, Tilman Westphalen!
Ian King, Vorsitzender der KTG-Gesellschaft