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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Zur Freilassung von Deniz Yücel

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft freut sich, dass Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der Zeitung DIE WELT, von einem Gericht in Istanbul auf freien Fuß gesetzt wurde und zu seiner Familie, seinem Freunden- und Kollegenkreis nach Berlin zurückkehren durfte. Wir freuen uns, weil Deniz kein Terrorist ist – wie vom türkischen Präsidenten vorschnell behauptet – sondern Journalist. Wer den Unterschied nicht wahrhaben will, richtet sich selbst. Wir freuen uns nicht zuletzt, weil Deniz freigekommen ist, ohne Kompromisse und trotz alledem mit einem guten Schuss Humor gesegnet. Gerade diese Eigenschaften, in Verbindung mit einem funkelnd-witzigen Schreibstil, überzeugten 2011 eine Jury, Deniz den Kurt-Tucholsky-Preis zu verleihen. In der Haft ist er sich selbst und unserem Vorbild Tucholsky treu geblieben.
Andere Tatsachen dürfen jedoch nicht vergessen werden. Deniz wurde mehr als ein Jahr lang als unschuldige Geisel festgehalten. Auch jetzt arbeiten dort Staatsanwälte an Prozessvorbereitungen, fordern für Deniz 18 Jahre Haft. Am  Tag seiner Befreiung bekamen drei andere Journalisten – die Brüder Ahmet und Mehmet Altan sowie Nazli Ilicak – wegen angeblicher Unterstützung des gescheiterten Putschversuchs vom Juli 2016 von einem anderen Istanbuler Gericht lebenslängliche Haftstrafen. Damit erwarten sie vierzig Jahre hinter Gittern.
In den 1930er Jahren war die Türkei unter Kemal Atatürk ein Zufluchtsort für politisch oder religiös  Verfolgte aus Deutschland, wie der spätere Regierende Bürgermeister von West-Berlin, Ernst Reuter und seine Familie. Auf solche rechtsstaatliche und gastfreundliche Traditionen konnte das Land jahrelang stolz sein. In den letzten Jahren hat das türkische Regime dieser aufgeklärten Vergangenheit anscheinend den Rücken gekehrt. Aber für eine Wende zur Einsicht ist es nie zu spät. So darf die Entlassung von Deniz kein einzelner Schritt bleiben. Andere Inhaftierte  – auch solche ohne deutschen Pass – sollten ebenfalls freikommen.

Im Namen des Vorstandes der Kurt Tucholsky-Gesellschaft
Dr. Ian King, 1. Vorsitzender

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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik 2011 an Deniz Yücel

Deniz Yücel (Foto: taz.de)
Deniz Yücel (Foto: taz.de)

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft vergibt den mit 3000 € dotierten Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik an den Journalisten Deniz Yücel.
Die Begründung der Jury:

In seiner Kolumne »Vuvuzela«, die während der Fußballweltmeisterschaft 2010 erschien, hat Yücel sowohl den deutschen Spießer als auch die deutsche Spießerin auf angenehme Art entlarvt. Dabei übersteigert er bewusst das nationalistische Element, riskiert lustige Wortspiele sowie einen überdeutlichen Stimmungsumschwung nach der deutschen Niederlage (»Gurkentruppe….«) Das wäre vielleicht peinlich, wenn so etwas nicht den Lebensinhalt der Sportseiten im Boulevard bildete. Deniz Yücel hat sich Tucholskys Maxime zu eigen gemacht, der 1919 geschrieben hatte: »Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird.«

Über den Preisträger:
Deniz Yücel wurde 1973 im südhessischen Flörsheim geboren. Er ist deutscher und türkischer Staatsbürger. Yücel studierte von 1998 bis 2004 Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er arbeitet seit 1999 als freier Autor für Jungle World, konkret, Tagesspiegel, Jüdische Allgemeine, qantara.de, taz, Süddeutsche Zeitung, amnesty journal, Der Standard, Blond, sowie den Bayerischen, Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunk.
Von 2002 bis 2007 war er Redakteur bei der Wochenzeitung Jungle World. Seit 2007 arbeitet er als Redakteur im Schwerpunktressort der taz.
Links:
Laudatio von Jan Feddersen
Dankesrede von Deniz Yücel
Die Kolumne »Vuvuzela«