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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Pressemitteilung

[Ausschreibung] Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2021

Der Preis

Der in der Mitgliederversammlung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft in Gripsholm 1994 beschlossene Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik, wird von der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, mit Sitz in Berlin, verliehen und getragen. Der Preis wird im Zweijahresabstand verliehen.

Die Ehrung erfolgt für politisch engagierte und sprachlich prägnante Werke der literarischen Publizistik, die sich im Sinne des Namensgebers kreativ und kritisch mit zeitgeschichtlichen Entwicklungen und Vorgängen auseinandersetzen und Realitäten hinter vorgeschobenen Fassaden erhellen sowie für nachhaltige künstlerische Interpretationen von Texten Tucholskys.

Der Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik kann für journalistische und literarische Werke verliehen werden, die den »kleinen Formen« zugerechnet werden können.

Die Begutachtung soll sich auf bisher unveröffentlichte oder innerhalb der letzten fünf Jahre veröffentlichte Publikationen beziehen. Möglich ist auch die Auszeichnung eines Lebenswerkes.

Die Preissumme beträgt 5.000 €

Die Jury

Die Jury für die Vergabe des Preises im Jahr 2021 besteht aus:

  • Doris Akrap
  • Zoë Beck
  • Nikola Richter
  • Dr. Ulrich Janetzki
  • Prof. Dr. Stuart Parkes

Die Jury wählt den⁠ʔ⁠die[i] Preisträgerʔin durch Stimmenmehrheit. Sie kann eine Preiszuerkennung aus inhaltlichen oder formalen Gründen ablehnen. Sie kann für nicht ausgezeichnete Vorschläge ehrende Würdigungen aussprechen.

Einreichung von Vorschlägen

Die Ausschreibungsfrist beginnt am 2. November 2020. Die Vorschläge sind bis zum 31. März 2021 an die Geschäftsstelle der KTG zu richten:

Kurt Tucholsky-Gesellschaft e.V.

Besselstraße 21/II

32427 Minden

Mobil: 0049-(0)151 67 61 14 66
Fax: 0049-(0)571 39 86 88 94

info@tucholsky-gesellschaft.de

Vorschlagsberechtigt für die Würdigung durch den Preis sind die Mitglieder der KTG, frühere Preisträgerʔinnen, ordentliche Mitglieder geistes- und sozialwissenschaftlicher Fachbereiche von Universitäten und Hochschulen, deutschsprachige Verlage und Bibliotheken sowie verantwortliche Redakteurʔinnen journalistischer Medien.

Mitglieder der Jury sind nicht vorschlagsberechtigt. Eigenbewerbungen sind nicht zulässig.

Die vorgeschlagenen Arbeiten – in Betracht kommen Manuskripte, Bücher, Artikel, Internetbeiträge und audiovisuelle Beiträge – sollen bevorzugt digital eingereicht werden. Hierbei ist auf gängige Formate und Vervielfältigbarkeit zu achten. Beizulegen ist ein kurzer Lebenslauf desʔder Vorgeschlageneʔn und eine kurze Begründung des Vorschlages. Soweit die Einreichung auf analogen Datenträgern erfolgt, müssen die vorgeschlagenen Werke in fünffacher Ausfertigung eingereicht werden[ii].

Die Arbeiten der Preisbewerber_innen müssen in deutscher Sprache verfasst sein.

Die Entscheidung über denʔdie Preisträgerʔin erfolgt bis zum 15. September 2021.

Die Annahme des Preises verpflichtet denʔdie Preisträgerʔin zu einem öffentlichen Vortrag im Rahmen der Verleihungsfeierlichkeiten. Die KTG darf den Text des Vortrages honorarfrei veröffentlichen.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


[ii] Da die Beiträge allen Jury-Mitgliedern zugänglich gemacht werden müssen, sind insbesondere seltene Formate oder mit DRM geschützte Beiträge nicht zweckmäßig. In diesen Fällen kann die Jury um Neueinreichung in geeigneter Form bitten. Ist dies nicht erfolgreich, kann die Jury Beiträge ablehnen.


[i] Das Graphem ʔ steht für den stimmlosen glottalen Plosiv oder Glottisschlag. Dieser Verschlusslaut erscheint in den meisten Varietäten der deutschen Sprache vor vokalischem Anlaut, beispielsweise Acht [ˈʔaxt], der Alte [deːɐ̯ ˈʔaltʰə] und vor vokalisch anlautenden Wortstämmen in zusammengesetzten Wörtern, beispielsweise beachten [bəˈʔaxtʰən]. In den meisten Varietäten des Deutschen wird dieser stimmlose glottale Plosiv ausgesprochen. Mitunter können zwei verschiedene Wörter im Deutschen nur anhand des Glottisschlags voneinander unterschieden werden (z. B.: das Spiegel-Ei, die Spiegelei). Die Medienwissenschaftlerin Alena Dausacker schlägt das Graphem als Alternative zu den verschiedenen bisher kursierenden Varianten einer inklusiven, genderneutralen Darstellung vor. Damit ließe sich das häufig als Kontraargument zu populären Varianten wie dem Gendersternchen [*] oder Gendergap [_] bzw. dem Hornscheidt’schen [x] vorgebrachte Ausspracheproblem recht elegant lösen. Wir finden diese Idee spannend und haben sie daher hier verwendet. Bitte betrachten Sie dies als ergebnisoffenes Diskussionsangebot bzw. als Experiment und keineswegs als Handlungsaufforderung normativen Charakters.

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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Pressemitteilung

Stellungnahme zur Verurteilung von Deniz Yücel

Der Publizist und Kurt Tucholsky-Preisträger des Jahres 2011 Deniz Yücel ist erneut von den Justizschergen des Erdogan-Regimes verurteilt worden. Das ist für den unerschrockenen Wahrheitskämpfer Deniz keine Schande, sondern eine Ehrenbezeugung für gute Arbeit. Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft unterstützt Deniz und unterschreibt gern die Stellungnahme des Verlags Kiepenheuer und Witsch für seinen Autor, die unten nachgedruckt wird. Der Journalismus ist kein Verbrechen. Weiter so, Deniz!

Der Text der Stellungnahme des Verlags vom 17. Juli 2020 findet sich hier.

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Jahrestagung 2019 Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Pressemitteilung Tagungen

Kurt Tucholsky-Preis 2019 an Margarete Stokowski

PRESSEMITTEILUNG

Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2019 an

Margarete Stokowski

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft vergibt den mit 5.000 € dotierten Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik an die Journalistin Margarete Stokowski.

Margarete Stokowski, Von Harald Krichel, CC BY-SA 4.0
Von Harald Krichel – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73584111

Stokowski erhält den Preis insbesondere für ihre Kolumnen, zuletzt gesammelt erschienen im Rowohlt-Verlag und jede Woche zu lesen auf Spiegel Online.

Mit ihrer kompromisslosen Entlarvung gesellschaftlicher Misstände und Schieflagen, ihrer präzisen Sprache und gekonnten Ironie hebt sie die Kolumne auf neue Höhen. Damit steht sie unzweifelhaft in der Tradition Kurt Tucholskys. Ihr geschickter Umgang mit jüngeren und neuen Medien und Ausdrucksformen spiegelt zusätzlich Tucholskys lebenslanges Probieren neuer Ausdrucksformen – stets auf der Suche nach Wirkung. Damit spiegelt ihr Wirken ganz hervorragend den Geist des Werkes Kurt Tucholskys, dessen Tradition zu bewahren Ziel des Kurt Tucholsky-Preises ist.

Die Begründung der Jury im Wortlaut:

» Margarete Stokowski bringt in ihren gesammelten Kolumnen in „Die letzten Tage des Partiarchats“ vor allem eins auf den Punkt: dass wir alle weit davon entfernt sind, in einer gerechten Gesellschaft zu leben. Damit ist häufig, aber längst nicht nur, die Geschlechtergerechtigkeit gemeint. Stokowski rückt Schieflagen in noch krassere Perspektiven und schreibt dabei so einzigartig, lustig, unverfroren und intelligent, dass es unmöglich ist, diese Stimme zu überhören.

Ihre Analysen sind messerscharf. Jeder Satz, jede Metapher, jede Pointe sitzt, und bei aller Ironie schafft sie es, letztlich doch sachlich in ihrer Streitbarkeit zu bleiben. Sie legt mit bestechenden Argumenten den Finger in schwärende Wunden und zwingt die Lesenden dazu, bittere Wahrheiten über sich selbst zu schlucken.

Den Feminismus hat sie im deutschsprachigen Raum clubfähig gemacht und nicht nur die junge Generation zurechtgerüttelt, sondern auch die Älteren daran erinnert, dass der Kampf um Gleichberechtigung noch lange nicht vorbei und das F-Wort ganz sicher nicht eingestaubt ist.

Die kleine Form, die Kolumne, liegt ihr, als wäre sie eigens für Stokowski erfunden worden, und so liefert sie nun schon seit Jahren unermüdlich und unverwechselbar politische Einmischung und entlarvende Polemik.«

Die Preisvergabe findet als Höhepunkt und Abschluss der diesjährigen Jahrestagung » Schriftstellerinnen und Schriftsteller und politisches Engagement« der Kurt Tucholsky-Gesellschaft am 3.11. 2019 im Theater im Palais Berlin statt. Als Laudatorin wird Dr. Susanne Mayer sprechen, Buch-Autorin und Kulturreporterin der Wochenzeitung DIE ZEIT.

Der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft dankt der Jury aus Doris Akrap (Sprecherin), Zoë Beck (Sprecherin), Dr. Ulrich Janetzki, Prof. Dr. Stuart Parkes und Nikola Richter für ihre unermüdliche Arbeit.

Weitere Informationen:

Die Preisträgerin:

Margarete Stokowski, geboren 1986 in Polen, lebt seit 1988 in Berlin und studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie schreibt als freie Autorin unter anderem für die taz und die ZEIT. Seit 2015 erscheint ihre wöchentliche Kolumne „Oben und unten“ bei Spiegel Online. Ihr Debüt „Untenrum frei“ avancierte zu einem Standardwerk des modernen Feminismus.

Der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik:

Aus Anlass des 60. Todestages von Kurt Tucholsky wurde 1995 der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik gestiftet. Alle zwei Jahre werden mit ihm engagierte deutschsprachige Publizisten oder Journalisten ausgezeichnet, die der »kleinen Form« wie Essay, Satire, Song, Groteske, Traktat oder Pamphlet verpflichtet sind und sich in ihren Texten konkret auf zeitgeschichtlich-politische Vorgänge beziehen. Ihre Texte sollen im Sinne Tucholskys der Realitätsprüfung dienen, Hintergründe aufdecken und dem Leser bei einer kritischen Urteilsfindung helfen.

Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch eine fünfköpfige Jury; das Preisgeld beträgt seit dem Jahr 2015 5.000 € (bis 2013: 3.000 €).

Die bisherigen Tucholsky-Preisträger sind: Der Journalist Sönke Iwersen, der Wissenschaftler und Publizist Jochanan Trilse-Finkelstein, der Journalist Mario Kaiser, der Journalist Deniz Yücel, der Journalist und Literaturkritiker Volker Weidermann, der Schriftsteller und Satiriker Lothar Kusche, der Journalist und Publizist Otto Köhler, der Journalist und Schriftsteller Erich Kuby, der Journalist Wolfgang Büscher, der Autor und Hochschullehrer Harry Pross, die Schriftstellerin und Journalistin Daniela Dahn, der Schriftsteller und Theologe Kurt Marti, der Journalist Heribert Prantl und der Liedermacher Konstantin Wecker.

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft:

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft wurde 1988 gegründet, um dem facettenreichen »Phänomen Tucholsky« nachzuspüren. Sie will als literarische Vereinigung die Beschäftigung mit Leben und Werk Kurt Tucholskys pflegen und fördern und hat ihren Sitz in Tucholskys Geburtsstadt Berlin. Als Publikationsorgan der Kurt Tucholsky-Gesellschaft erscheint dreimal im Jahr ein Rundbrief. Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft gibt zudem eine eigene Schriftenreihe heraus, in der vorrangig die Dokumentationen der von ihr organisierten wissenschaftlichen Tagungen erscheinen. Den jährlichen Höhepunkt der Vereinstätigkeit bilden Tagungen mit wissenschaftlichen Kolloquien, Vorträgen, Exkursionen und kulturellen Veranstaltungen. Aller zwei Jahre vergibt sie den Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik.

Die aktuelle Jahrestagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft findet vom 1. bis 3. November 2019 in Berlin zum Thema »›Schriftstellerinnen und Schriftsteller und politisches Engagement« statt.

weitere Informationen:

»Das Ende des Patriarchats« bei Rowohlt

»Oben und Unten« auf Spiegel Online

Dankesrede von Margarete Stokowski

Theater im Palais

Jahrestagung der KTG 2019

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Jahrestagung 2019 Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Tagungen

[Ausschreibung] Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik

Der Preis

Der in der Mitgliederversammlung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft in Gripsholm 1994 beschlossene Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik, wird von der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, mit Sitz in Berlin, verliehen und getragen. Der Preis wird im Zweijahresabstand verliehen.
Die Ehrung erfolgt für politisch engagierte und sprachlich prägnante Werke der literarischen Publizistik, die sich im Sinne des Namensgebers kreativ und kritisch mit zeitgeschichtlichen Entwicklungen und Vorgängen auseinandersetzen und Realitäten hinter vorgeschobenen Fassaden erhellen sowie für nachhaltige künstlerische Interpretationen von Texten Tucholskys.
Der Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik kann für journalistische und literarische Werke verliehen werden, wobei ein besonderer Fokus auf die »kleinen Formen« gelegt werden soll.
Die Begutachtung soll sich auf bisher unveröffentlichte oder innerhalb der letzten fünf Jahre veröffentlichte Publikationen beziehen. Möglich ist auch die Auszeichnung eines Lebenswerkes.
Die Preissumme beträgt 5.000 €
Die Jury
Die Jury für die Vergabe des Preises im Jahr 2019 besteht aus:

  • Doris Akrap
  • Zoë Beck
  • Nikola Richter
  • Ulrich Janetzki
  • Dr. Stuart Parkes

Die Jury wählt den oder die Preisträger_in durch Stimmenmehrheit. Sie kann eine Preiszuerkennung aus inhaltlichen oder formalen Gründen ablehnen. Sie kann für nicht ausgezeichnete Vorschläge ehrende Würdigungen aussprechen.
Einreichung von Vorschlägen
Die Ausschreibungsfrist beginnt am 5. November 2018. Die Vorschläge sind bis zum 31. März 2019 an die Geschäftsstelle der KTG zu richten:

Kurt Tucholsky-Gesellschaft e.V.

Besselstraße 21/II

32427 Minden

Tel: 0049-(0)571-8375440

Fax 0049-(0)571-8375449

info@tucholsky-gesellschaft.de

Vorschlagsberechtigt für die Würdigung durch den Preis sind die Mitglieder der KTG, frühere Preisträger_innen, ordentliche Mitglieder geistes- und sozialwissenschaftlicher Fachbereiche von Universitäten und Hochschulen, deutschsprachige Verlage und Bibliotheken sowie verantwortliche Redakteur_innen journalistischer Medien.
Mitglieder der Jury sind nicht vorschlagsberechtigt. Eigenbewerbungen sind nicht zulässig.
Die vorgeschlagenen Arbeiten – in Betracht kommen Manuskripte, Bücher, Artikel, Internetbeiträge und audiovisuelle Beiträge – müssen in fünffacher Ausfertigung eingereicht werden, soweit die Einreichung auf analogen Datenträgern erfolgt. Beizulegen ist ein kurzer Lebenslauf des/der Vorgeschlagenen und eine kurze Begründung des Vorschlages. Die Einreichung kann auch digital erfolgen. In diesem Fall ist auf gängige Formate und Vervielfältigbarkeit zu achten.[1]
Die Arbeiten der Preisbewerber_innen müssen in deutscher Sprache verfasst sein.
Die Entscheidung über den/die Preisträger_in erfolgt bis zum 15. September 2019.
Die Annahme des Preises verpflichtet den/die Preisträger_in zu einem öffentlichen Vortrag im Rahmen der Verleihungsfeierlichkeiten. Die KTG darf den Text des Vortrages honorarfrei veröffentlichen.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Veröffentlicht am 5. November 2018 durch den Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft.
[1] Da die Beiträge allen Jury-Mitgliedern zugänglich gemacht werden müssen, sind insbesondere seltene Formate oder mit DRM geschützte Beiträge nicht zweckmäßig. In diesen Fällen kann die Jury um Neueinreichung in geeigneter Form bitten. Ist dies nicht erfolgreich, kann die Jury Beiträge ablehnen.
Diese Ausschreibung herunterladen [pdf, 0,2 MB].

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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Pressemitteilung

[Pressemitteilung] Kurt Tucholsky-Preis: Neue Jury berufen

Die neue Jury für den mit 5.000 Euro dotierten Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik steht fest. Der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft hat folgende Publizist_innen, Wissenschaftler_innen und Literaturexpert_innen in die Jury berufen:

Doris Akrap (c) Doris Akrap
(c) Doris Akrap

Doris Akrap, geboren 1974 in Flörsheim am Main. Sie lebt in Berlin und arbeitet seit 2008 als Redakteurin und Kolumnistin der taz. Zuvor war sie Redakteurin der Jungle World und der B.Z. und studierte Religionswissenschaft, Kulturwissenschaft und Südosteuropäische Geschichte in Berlin. Sie ist Mitgründerin der antirassistischen Leseshow Hate Poetry, für die sie gemeinsam mit den Journalisten Deniz Yücel, Mely Kiyak, Yassin Musharbash und anderen den Preis „Journalisten des Jahres 2014“ erhielt. Diese Auszeichnung erhält sie auch 2018 gemeinsam mit anderen für ihren Einsatz als Mitgründerin des Freundeskreises #FreeDeniz, der Kampagne, die sich seit der Festnahme des Welt-Korrespondenten und Kurt-Tucholsky-Preisträgers Deniz Yücel für dessen Freilassung einsetzte. Sie ist Herausgeberin seines im Februar 2018 erschienenen Buchs »Wir sind ja nicht zum Spaß hier. Reportagen, Satiren und andere Gebrauchstexte«. Außerdem moderiert sie literarische und politische Veranstaltungen und ist Autorin für diverse andere Publikationen.
(c) by Victoria Tomaschko

 
Zoë Beck ist Schriftstellerin, Übersetzerin, Verlegerin bei Culturbooks und Synchronregisseurin.
Sie studierte englische und deutsche Literatur, arbeitete am Theater, für Zeitungen und Radiosender und beim Film. Geboren wurde sie 1975, seitdem wechselte sie mehrfach Wohnort und Staat, jetzt lebt sie in Berlin.
 
 
(c) Ulrich Janetzki

Dr. Ulrich Janetzki, geb. 1948 in Selm/Westfalen. Promotion über Konrad Bayer. Fünf Jahre Assistent bei Walter Höllerer.
Er war 27 Jahre Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums Berlin bis 2014. Verheiratet, zwei Kinder, zwei Enkel. Mitglied des PEN, Grimme Preisträger. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt (gemeinsam mit Th. Bock u. W. Ihrig) »Ick kieke, staune, wundre mir. Berlinerische Gedichte von 1830 bis heute.« Berlin 2017.
 
(c) Klaas Posselt

Nikola Richter, geboren 1976 in Bremen, ist Verlegerin und Autorin und lebt in Berlin. In ihrem Verlag mikrotext publiziert sie zeitgenössische, grenz- und genreüberschreitende Literatur zu aktuellen Themen, etwa von Stefanie Sargnagel, Käthe Kruse, Heike Geißler oder neuen arabischen AutorInnen. Für ihre Tätigkeit als Verlegerin wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet. Sie ist Mitglied im PEN Deutschland. Als Autorin veröffentlichte sie bisher den dokumentarischen Roman »Die Lebenspraktikanten« (S. Fischer), die Kurzgeschichten »Schluss machen auf einer Insel« (Berlin Verlag/Piper) und drei Lyrikbände, einen auf Falschspanisch. www.mikrotext.de
(c) Stuart Parkes

Prof. Dr. Stuart Parkes wurde 1943 im nordenglischen Bradford geboren. Er studierte Germanistik und Romanistik an der Universitiät Oxford. 1971 promovierte er mit einer Arbeit über Martin Walser. Er arbeitete an Hochschulen in Münster, Birmingham, Sheffield und Sunderland und ist jetzt emeritierter Germanistikprofessor der Universität Sunderland. Er hat vor allem über die Literatur und Politik der Bundesrepublik gearbeitet und hat drei Bücher zu diesem Thema geschrieben. Er ist auch Mitherausgeber mehrerer Bände über die moderne deutsche Literatur. In letzter Zeit hat er über die Gruppe 47 und das politische Engagement ihrer Mitglieder geschrieben. Zur Zeit arbeitet er über die Einstellungen deutschsprachiger Schriftsteller zu Europa. Er ist Jurymitglied für den Kurt-Tucholsky-Preis seit 2013.
Die unabhängig agierende Jury wird mit der Vergabe für den Kurt Tucholsky Preis 2019 ihre Arbeit aufnehmen und 5 Jahre amtieren. . Die Ausschreibung für den Preis erfolgt nach der diesjährigen Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft in Leipzig.
Wir danken den Juror_innen für Ihre Bereitschaft, sich dieser verantwortungsvollen Arbeit zu stellen und freuen uns auf ihre künftigen Entscheidungen.
Weitere Informationen:
Der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik:
Aus Anlass des 60. Todestages von Kurt Tucholsky wurde 1995 der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik gestiftet. Alle zwei Jahre werden mit ihm engagierte deutschsprachige Publizisten oder Journalisten ausgezeichnet, die der »kleinen Form« wie Essay, Satire, Song, Groteske, Traktat oder Pamphlet verpflichtet sind und sich in ihren Texten konkret auf zeitgeschichtlich-politische Vorgänge beziehen.
Ihre Texte sollen im Sinne Tucholskys der Realitätsprüfung dienen, Hintergründe aufdecken und dem Leser bei einer kritischen Urteilsfindung helfen.
Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch eine fünfköpfige Jury; das Preisgeld beträgt seit dem Jahr 2015 5.000 € (bis 2013: 3.000 €).
Die bisherigen Tucholsky-Preisträger sind: Der Journalist Sönke Iwersen, der Heine-Forscher und Theaterkritiker Jochanan Trilse-Finkelstein, der Journalist Mario Kaiser, der Journalist Deniz Yücel, der Journalist und Literaturkritiker Volker Weidermann, der Schriftsteller und Satiriker Lothar Kusche, der Journalist und Publizist Otto Köhler, der Journalist und Schriftsteller Erich Kuby, der Journalist Wolfgang Büscher, der Autor und Hochschullehrer Harry Pross, die Schriftstellerin und Journalistin Daniela Dahn, Schweizer Schriftsteller Kurt Marti, der Journalist Heribert Prantl und der Liedermacher Konstantin Wecker.
 
Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft:
Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft wurde 1988 gegründet, um dem facettenreichen »Phänomen Tucholsky« nachzuspüren. Sie will als literarische Vereinigung die Beschäftigung mit Leben und Werk Kurt Tucholskys pflegen und fördern und hat ihren Sitz in Tucholskys Geburtsstadt Berlin. Als Publikationsorgan der Kurt Tucholsky-Gesellschaft erscheint dreimal im Jahr ein Rundbrief. Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft gibt zudem eine eigene Schriftenreihe heraus, in der vorrangig die Dokumentationen der von ihr organisierten wissenschaftlichen Tagungen erscheinen. Den jährlichen Höhepunkt der Vereinstätigkeit bilden Tagungen mit wissenschaftlichen Kolloquien, Vorträgen, Exkursionen und kulturellen Veranstaltungen. Aller zwei Jahre vergibt sie den Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik.
Die nächste Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft findet vom 12. bis 14. Oktober 2018 in Leipzig unter dem Thema »Dürfen darf man alles« statt. Das aktuelle Tagungsprogramm ist auf der Website einzusehen. Dort besteht auch die Möglichkeit, sich anzumelden.
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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Zur Freilassung von Deniz Yücel

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft freut sich, dass Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der Zeitung DIE WELT, von einem Gericht in Istanbul auf freien Fuß gesetzt wurde und zu seiner Familie, seinem Freunden- und Kollegenkreis nach Berlin zurückkehren durfte. Wir freuen uns, weil Deniz kein Terrorist ist – wie vom türkischen Präsidenten vorschnell behauptet – sondern Journalist. Wer den Unterschied nicht wahrhaben will, richtet sich selbst. Wir freuen uns nicht zuletzt, weil Deniz freigekommen ist, ohne Kompromisse und trotz alledem mit einem guten Schuss Humor gesegnet. Gerade diese Eigenschaften, in Verbindung mit einem funkelnd-witzigen Schreibstil, überzeugten 2011 eine Jury, Deniz den Kurt-Tucholsky-Preis zu verleihen. In der Haft ist er sich selbst und unserem Vorbild Tucholsky treu geblieben.
Andere Tatsachen dürfen jedoch nicht vergessen werden. Deniz wurde mehr als ein Jahr lang als unschuldige Geisel festgehalten. Auch jetzt arbeiten dort Staatsanwälte an Prozessvorbereitungen, fordern für Deniz 18 Jahre Haft. Am  Tag seiner Befreiung bekamen drei andere Journalisten – die Brüder Ahmet und Mehmet Altan sowie Nazli Ilicak – wegen angeblicher Unterstützung des gescheiterten Putschversuchs vom Juli 2016 von einem anderen Istanbuler Gericht lebenslängliche Haftstrafen. Damit erwarten sie vierzig Jahre hinter Gittern.
In den 1930er Jahren war die Türkei unter Kemal Atatürk ein Zufluchtsort für politisch oder religiös  Verfolgte aus Deutschland, wie der spätere Regierende Bürgermeister von West-Berlin, Ernst Reuter und seine Familie. Auf solche rechtsstaatliche und gastfreundliche Traditionen konnte das Land jahrelang stolz sein. In den letzten Jahren hat das türkische Regime dieser aufgeklärten Vergangenheit anscheinend den Rücken gekehrt. Aber für eine Wende zur Einsicht ist es nie zu spät. So darf die Entlassung von Deniz kein einzelner Schritt bleiben. Andere Inhaftierte  – auch solche ohne deutschen Pass – sollten ebenfalls freikommen.

Im Namen des Vorstandes der Kurt Tucholsky-Gesellschaft
Dr. Ian King, 1. Vorsitzender

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Jahrestagung 2017 Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Tagungen

Dankesrede von Sönke Iwersen

Meine Damen und Herren,
Liebe Mitglieder der Kurt Tucholsky-Gesellschaft,
Verehrte Jury,
ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, hier vor Ihnen zu stehen. Kurt Tucholsky! Literarische Publizistik! Und mittendrin ich. Und dann diese Vorrede! Thomas, vielen Dank!
Lassen Sie mich Ihnen gleich zu Beginn beichten, wie aufregend diese Sache für mich ist.
Die erste Nachricht vom Kurt Tucholsky-Preis erreicht mich vor sechs Wochen. Ich saß in der Straßenbahn in Düsseldorf, neben mir mein Sohn, von Kopf bis Fuß in Bayern-Rot gekleidet. Wir kamen gerade von seinem Fußball-Training. Ich las die E-Mail von Ihrem Vorstand Steffen Ille, dann stiegen wir um.
Und fuhren in die falsche Richtung. Der erste, der das merkte, war nicht ich. Meine Frau rief an, und fragte mich, wo wir bleiben. So schnell kommt man als Preisträger zurück auf den Boden der Tatsachen.
Natürlich habe ich mich in Vorbereitung auf diesen Tag gefragt, wie es mich hierher verschlagen konnte. Ich entstamme keiner Literatenfamilie. Meine Mutter war einmal Kinderkrankenschwester, mein Vater Maler. Keine Leinwände, Raufasertapeten. Nun wollte ich zwar nicht Handwerker werden. Aber bis mich Mitte 20 die Geldnot dazu trieb, einen Artikel zu schreiben, hatte ich an den Beruf Journalist auch keinen Gedanken verschwendet.
Dabei hatte ich alle Gelegenheit dazu. Es war der 9. November 1989. Ich weiß, was Sie jetzt denken. Ein historisches Datum. Aber für mich war dieser Tag damals einfach Donnerstag. Der Tag in der Woche, an dem mein Judo-Training bis 22:00 Uhr dauerte. Ich duschte, fuhr zurück mit der S21 aus Hamburg-Stellingen nach Hamburg-Altona.
Zwei Stunden zuvor hatte die Tagesschau berichtet, die DDR habe ihre Grenzen geöffnet. Ich bekam davon nichts mit. Es gab kein Twitter, keine News-Alerts. Es gab keine Handys. Zuhause angekommen, stürzte ich mich auch nicht auf den Fernseher, sondern auf den Kühlschrank.
Am nächsten Morgen schaltete ich das Radio ein. „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben gestern Abend die Nationalhymne gesungen“. Das hörte ich, und dachte, ich hätte mich verhört.
Zwei Tage später reiste ich mit meinem Geschichte-Leistungskurs nach Ost-Berlin. Ein paar Wochen danach bestiegen wir einen der Sonderzüge von Hamburg nach Dresden. Auf dem Bahnhof empfingen uns Tausende. Eine Blaskapelle spielte, wildfremde Menschen drückten uns Blumen in die Hände, umarmten uns. Und hier, im Elbflorenz, begegnete ich Kurt Tucholsky.
Es war ein blonder Engel, der mir den Namensgeber Ihrer Gesellschaft näherbrachte. Sie hieß Sabine. Während die Weltgeschichte um uns wogte, schlossen wir Freundschaft. Im April 1990 schenkte sie mir etwas von Kurt Tucholsky. Die Geschichten von Rheinsberg und Schloss Gripsholm.
Sie alle wissen, was für ein Schatz dieses Buch ist. Diese federleichten Sätze. Dieser Anmut. Ich möchte hier nicht lügen. Habe ich mir damals gesagt: „Ach, so willst du auch einmal schreiben!“
Nein. Ich habe dieses und später andere Bücher von Tucholsky nur gelesen. Nur genossen. Aber natürlich stelle ich mir gern vor, dass er mein Ansporn war. Besonders heute.
Tatsächlich bin ich ja aus einem ganz bestimmten Grund hier. Meine Kollegen beim Handelsblatt, allen voran Thomas Tuma in der ersten Reihe, sind außerordentliche Kollegen. Vor fünf Jahren haben wir in Düsseldorf ein neues Ressort gegründet. Investigative Recherche. Und was soll ich Ihnen sagen. Wenn wir unsere Arbeit schlecht machen, gibt es Ärger. Wenn wir sie gut machen, gibt es Ärger.
Verstehen Sie das bitte nicht als Beschwerde. Wir haben auch Spaß bei der Arbeit. Als Rudi Völler für den Stromanbieter Teldafax warb, schrieben wir, Teldafax sei seit einem Jahr überschuldet und würde von einem Betrüger aus dem Gefängnis heraus geführt. Die Affäre kostete Völlers Verein 13 Millionen Euro.
Ein anderes Mal nahm sich das Handelsblatt die Ergo Versicherung vor. Auftakt war ein Reisebericht über eine Motivationsveranstaltung für Versicherungsvertreter in Budapest. Es ist der einzige Artikel, mit dem ich es bis ins Haus der Geschichte geschafft habe. Die Ausstellung „Schamlos, Sexualmoral im Wandel der Zeit“ zeigte die farbigen Armbändchen, mit denen die Versicherung damals in der Gellert-Therme die Prostituierten von den Hostessen trennte. Es musste ja alles seine Ordnung haben.
Es waren lehrreiche Wochen. Viel mehr Rechercheaufwand als für den Badespaß der Verkäufer steckte ich in die falschen Abrechnungen für Riester-Verträge. Es ist wahr: die Resonanz auf die Budapest-Geschichte war ungleich größer. Aber immerhin: Tausende von Rentenverträgen wurden nachträglich korrigiert und die Kunden entschädigt.
Einsicht ist meist nicht die erste Reaktion der Menschen, über die wir schreiben. Bei einem steinreichen Finanzinvestor wiesen wir Insiderhandel nach. Die Folge: Sechs Verfahren an drei verschiedenen Gerichten. Nicht gegen den Finanzinvestor. Gegen das Handelsblatt.
Als alle scheiterten, betrieb der Mann ein strafrechtliches Privatklageverfahren gegen einen Kollegen und mich. Sein Anwalt schrieb dem Gericht von einer „besonderen Schwere der Tat“ und der deshalb gebotenen „doppelten Strafschärfung“. Er hielt fünf Jahre Gefängnis für angemessen.
Aber das ist der Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern. Hier sind inhaftierte Journalisten allenfalls Phantasien der Mächtigen. In der Türkei sitzen in dieser Stunde mehr als 150 Kollegen tatsächlich hinter Gittern. Ich verneige mich also vor dem Mut von Deniz Yücel und all den anderen, die ihren Job mit ihrer Freiheit bezahlt haben. Wissend, wie viel besser es mir geht.
Ich bin frei. So frei, dass ich vor gut einem Jahr in das Büro von Thomas Tuma gehen konnte, und von diesen Slumbewohnern in Hongkong erzählte, die ich gern treffen wollte. Die Schutzengel von Edward Snowden. Menschen, deren Geschichte im Getümmel um den US-Spion unentdeckt geblieben war.
Sie mögen sich erinnern: Anfang Juni 2013 schlugen fast im 24 Stunden Takt journalistische Bomben auf dem Globus ein. Der britische Guardian berichtete über unvorstellbar weitgreifende Spitzelaktivitäten der US-Nachrichtendienste. Jede E-Mail wurde mitgelesen. Jede besuchte Webseite protokolliert. Die Amerikaner konnten die Kameras unserer Laptops anzapfen, und die Mikros unserer Telefone. Ohne gerichtliche Genehmigung. Ohne, dass wir es merkten.
Am 9. Juni 2013 bekam die Enthüllungswelle ein Gesicht.
Der Mann, der die größten Geheimnisse des größten Geheimdienstes der Welt verriet, stellte sich vor eine Kamera. Ich schrieb noch an jenem Abend meinem Chefredakteur: „Der ist doch verrückt. Snowden ist ab morgen der meistgesuchte Mann der Welt.“
Die nächsten Tage waren nicht besonders angenehm für mein Team. Ohne die Dateien, die Snowden aus dem Hochsicherheitstrakt mitgenommen hatte, konnten wir seine Informationen nicht überprüfen. Und denen, die Snowden sie geben wollte, hatte er sie schon gegeben.
Was soll ich Ihnen sagen. Manchmal hat man Glück. 2015 wurde ich auf einen walisischen Investmentbanker aufmerksam. Der Mann hatte nicht nur einmal in seine Karriere, sondern gleich zweimal einen Milliardenschaden angerichtet. Trotzdem durfte er weitermachen – immer zu fürstlichem Gehalt. Ich nahm die Spur auf.
Dabei traf ich einen Anwalt. Robert Tibbo. Neun Monate später saß ich Tibbo im Mira Hotel in Hongkong gegenüber.
Es war dasselbe Hotel, in dem Edward Snowden 2013 Weltgeschichte schrieb. Und Tibbo war der Mann gewesen, der ihn aus diesem Hotel herausbugsiert hatte.
Ich gebe zu: Drei Jahre lang war mir diese Lücke in der Geschichte von Edward Snowden selbst gar nicht aufgefallen. Dabei ist der Moment auf Film festgehalten.
In der Oscar-gekrönten Dokumentation „Citizenfour“ von Laura Poitras sehen wir Snowden, wie er am Morgen des 10. Juni 2013 in seinem Hotelzimmer in Hongkong nachdenkt.
Snowden steht still in der Mitte des Raumes. Es scheint, als suche er nach einem Halt. Doch er findet keinen. Die Journalisten, mit denen er die Tage zuvor verbrachte, sind fort. Die Filmemacherin Poitras ist geblieben. Doch sie filmt nur, sie hilft nicht. Snowden ist auf sich allein gestellt. Er öffnet die Tür. Dann verschwindet der Amerikaner.
Zwei Wochen lang suchte der gesamte US-Geheimdienst, jeder Polizist in Hongkong und jeder Journalist in der Stadt nach Edward Snowden. Keiner fand ihn. Erst am 23. Juni 2013 sah die Welt ihn wieder – am Flughafen von Hongkong. Snowden verschwand durchs Gate, in der Hand ein Ticket nach Moskau. Der Spion war entwischt.
Robert Tibbo war der Mann, der dieses Entwischen arrangierte. Ein Menschenrechtsanwalt in Hongkong. Er kam zum Fall Snowden wie die Jungfrau zum Kinde.
Wie gesagt: Ich brauchte ungefähr neun Monate, um den Anwalt davon zu überzeugen, dass er gerade mir gerade dieses Stück verschwundener Zeitgeschichte erklärte. Ja mehr noch: dass er mich zu den Menschen führte, die Snowdens Entkommen erst möglich machten.
Sie heißen Ajith, Nadeeka, Supun und Vanessa.
Vier Flüchtlinge, die im hässlichen Schatten der reichsten Stadt der Welt leben. Hongkong akzeptiert nur 0,3 Prozent der Flüchtlinge, die sich um Asyl bewerben. Asylverfahren, oder das, was man dort so nennt, dauern regelmäßig länger als zehn Jahre.
Alle vier Flüchtlinge, die ich besuchte, hatten eine furchtbare Geschichte zu erzählen. Von Verfolgung, Vergewaltigung, Folter. Und dann erzählten sie, wie eines Abends Edward Snowden vor ihren Türen stand.
Der Menschenrechtsanwalt Tibbo hatte in allerhöchster Zeitnot einen tollkühnen Plan entwickelt. Er versteckte den Amerikaner dort, wo ihn keiner suchen würde: bei den Ärmsten der Armen. Unter Asylbewerbern, mitten in Hongkong. Und tatsächlich: Vier Menschen, die kaum genug hatten, um selbst zu überleben, gaben Snowden das, was er am Dringendsten brauchte: Sicherheit und Vertraulichkeit.
Snowden beschrieb mir dies später so:
Es kommt zu einem zauberhaften Moment. Hinter dir schließt sich eine Tür. Und all der Lärm, all die Gefahr bleibt auf der anderen Seite dieser Tür. Ich werde diesen Moment nie vergessen.
Zwei Wochen lang schlief Edward Snowden in den Betten seiner Helfer. Im Schutze der Dunkelheit wechselte er die Verstecke. Die Flüchtlinge gaben ihm zu essen, kauften ihm neue Unterwäsche und feierten mit Snowden seinen 30. Geburtstag. Ihre Kinder sangen ihm etwas vor.
Snowden war das nicht ganz geheuer. In seinen Worten:
Mir war unwohl wegen der Umstände, die sich die Flüchtlinge meinetwegen machten. Sie versuchten, mir anderes Essen zu kochen als das, was sie selbst aßen. Und da half kein Protest von mir. Ich konnte nicht anders, als mich schuldig zu fühlen. Und da sich die Flüchtlinge auch unter den widrigsten Umständen weigerten, Geld von mir zu nehmen, musste ich auch das anders lösen. Ich musste das Geld so in der Wohnung verstecken, dass sie es erst nach meiner Abreise finden würden.
Meine eigene Zeit in Hongkong verging wie im Rausch. Noch im Flugzeug schrieb ich meine ersten Sätze. Wir veröffentlichten die Geschichte im September 2016. Dann passierte etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Leser meldeten sich. Sie wollten den Menschen helfen, die Snowden geholfen hatten.
Nun gab keine Adresse, an die ich diese Leser weiterleiten konnte. Die Flüchtlinge hatten kein Konto. Tibbo waren aus juristischen Gründen die Hände gebunden. Wenn nicht schnell etwas geschah, würde die Spendenbereitschaft ins Leere laufen und versiegen.
Selbst ist der Journalist. Ich richtete eine Crowd-Funding-Seite im Internet ein.
Prompt twitterte Snowden den Link und innerhalb weniger Tage kamen 10.000 Euro zusammen.
Der Schauspieler Joseph Gordon-Levitt, der Snowden in Oliver Stones neuem Film verkörperte, hörte von der Aktion. Er drehte er ein kleines Video, mit dem er seinerseits zu Spenden aufrief.
Jetzt griffen Medien aus aller Welt die Story über Snowdens Schutzengel auf. In Toronto versuchte eine Gruppe von Menschenrechtsanwälten, ihnen zu Asyl in Kanada zu verhelfen. Die erste Reaktion aus dem zuständigen Ministerium ließ sehr hoffen.
Im Dezember 2016 war ich Gast beim Chaos Computer Club in Hamburg.
Auf dem Jahreskongress erzählte ich die Geschichte von Snowdens Fluchthelfern. Seinen Anwalt brachte ich mit, Schutzengel Vanessa wurde per Videoschalte in den Saal geholt. Am Ende standen 2000 schwarz gekleidete Hacker auf und spendeten ihr tosenden Applaus.
Das klingt jetzt alles nach einem Happy End. Aber Thomas Tuma hat es Ihnen schon berichtet: Die Geschichte hat eine Wende zum Schlechteren genommen. Mehr als zehn Jahre lang waren die Asylanträge der Schutzengel in Hongkong unbearbeitet. Dann wurden sie plötzlich im Schnelldurchlauf abgelehnt. Und in Kanada hat sich noch immer nichts bewegt.
Die Kinder der selbstlosen Retter von Edward Snowden, Keana, Sethumdi und Dinath, sind noch immer staatenlos. Ihr eigener rechtlicher Status ist unsicherer denn je. Ich wünschte, ich könnte daran etwas ändern. Aber ich kann es nur beschreiben.
Ich bin froh, in einem Land zu arbeiten, in dem das möglich ist. Und für eine Zeitung, die ihre Journalisten dazu ermutigt.
Lassen Sie sich nicht täuschen. Unser „Handelsblatt“ mag einen spröden Namen tragen. Und tatsächlich erinnere ich mich an die erste Reaktion meines früheren Chefs, als ich ihm sagte, ich hätte ein Angebot aus Düsseldorf. „Was? Zum Handelsblatt wollen Sie? Mit Ihrer Schreibe?“
Ich glaube nicht, dass er diese Frage noch einmal stellen würde. Schon gar nicht seit heute.
Thomas, vielen Dank dafür! Und vielen Dank, liebe Kurt Tucholsky-Gesellschaft!

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Jahrestagung 2017 Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Tagungen

Laudatio für Sönke Iwersen

Edward Snowden und die NSA, das Elend der Globalisierung und die Macht der Internet-Riesen – eine Mahnung an die digitale Gegenwart.
Die Laudatio auf den Preisträger Sönke Iwersen hielt Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur des Handelsblattes.
Sie wurde unter dem Titel »Würde Tucholsky twittern?« im Handelsblatt veröffentlicht und ist dort nachzulesen.

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Jahrestagung 2017 Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Tagungen

Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2017 an Sönke Iwersen

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft vergibt den mit 5.000 € dotierten Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik an den Journalisten Sönke Iwersen, Leiter Investigative Recherche beim Handelsblatt.

Sönke Iwersen (c) Sönke Iwersen
Sönke Iwersen (c) Sönke Iwersen

Sönke Iwersen, geboren 1971 in Hamburg, arbeitete zunächst als freier Journalist für FAZ, Hamburger Abendblatt und Berliner Zeitung, absolvierte die Axel Springer Journalistenschule und trat dann in die Wirtschaftsredaktion der Stuttgarter Zeitung ein. Seit 2006 ist er Redakteur des Handelsblatts in Düsseldorf, seit 2012 leitet er dort das in jenem Jahr gegründete Investigativ-Team, das seitdem mit zahlreichen Journalistenpreisen ausgezeichnet wurde. Iwersen wurde auch persönlich vielfach für seine Arbeit geehrt, unter anderem mit dem Henri Nannen Preis, zwei Wächterpreisen und dem Georg von Holtzbrinck Preis für Wirtschaftspublizistik.
Sein Dossier Edward Snowden – Schutzengel ganz unten verbindet investigative Rercherche mit der Empathie der literarischen Reportage. Gerade in dieser Verbindung aus engagiertem, aufklärerischem Journalismus und literarischer Qualität liegt der Geist des Werkes Kurt Tucholskys, dessen Tradition zu bewahren Ziel des Kurt Tucholsky-Preises ist.
Die Begründung der Jury:

In seinem Dossier Schutzengel – ganz unten verbindet Sönke Iwersen investigative Rercherche mit der Empathie der literarischen Reportage.
Iwersen bereiste einen Ort, der in der global thematisierten Snowden-Affäre erstaunlich unbesehen blieb: Er besuchte die Wohnsilos von Hongkong, in denen der Whistleblower Edward Snowden im Juni 2013 für zwei Wochen Unterschlupf fand.
Sprachlich prägnant und dramaturgisch pointiert gibt Iwersen den vier Asylsuchenden, die Snowden trotz eigener prekärer Lage Schutz boten, einen Namen und eine Herkunft. Und er gibt ihnen Würde, indem er in wechselnder Perspektive darlegt, was sie in die so genannte illegale Migration trieb.
Iwersens im Handelsblatt veröffentlichte Reportage steht beispielhaft dafür, wie auch eine Wirtschaftszeitung die dunkelsten Nischen der Globalisierung ausleuchten kann.
Der Blick hinter die Fassaden Hongkongs verknüpft unser Zeitalter weltweiter Aus- und Einwanderung mit einer unbekannten Episode der Snowden-Affäre.
Diese Verquickung im Zeitalter weltweiter Überwachung ist engagiert, originell, aufklärerisch – und deshalb preiswürdige Publizistik in bester Tradition Kurt Tucholskys.

Die Preisvergabe findet als Höhepunkt und Abschluss der diesjährigen Jahrestagung »Tucholsky, Die Weltbühne und Europa« der Kurt Tucholsky-Gesellschaft am 22.10. 2017 im Theater im Palais Berlin statt. Als Laudator wird Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur beim Handelsblatt, sprechen.
Snowden‘s Guardian Angels
Die von Sönke Iwersen in seinem ausgezeichneten Dossier porträtierten Helfer Snowdens sind zwischenzeitlich selbst in Not geraten und haben ihre Zuflucht in Hongkong verloren. Sie benötigen nun selbst Hilfe und Unterstützung.
Informationen hierzu sind zu finden im Artikel »Snowdens Schutzengel fürchten um ihr Leben« von Sönke Iwersen im Handelsblatt und bei der Kampage For the refugees.
Weitere Informationen:

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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Geburtstagsgruß an Deniz Yücel

Lieber Deniz,
es fällt schwer, Dir unbelastet zum Geburtstag zu gratulieren, sehen und wissen wir doch, unter welchen Umständen Du gezwungen bist, ihn zu begehen.
Als Carl von Ossietzky für seine journalistische Arbeit 1932 ins Gefängnis geworfen wurde, schrieb Kurt Tucholsky:

Die Strafe ist und bleibt nichts als die Benutzung einer formalen Gelegenheit, einem der Regierung unbequemen Kreis von Schriftstellern eins auszuwischen […] Im geistigen Kampf werden sie auch weiterhin so erledigt werden, wie sie das verdienen. Und das muß doch gesessen haben. Denn sonst wären jene nicht so wütend und versuchten es nicht immer, immer wieder. Es wird ihnen nichts helfen.

Wir wünschen uns allen drinnen und draußen und ganz besonders Dir, dass es auch den heutigen Rechtsbeugern der Türkei nichts helfen möge. So senden wir Dir herzlichste Grüße und versichern Dir unsere ungebrochene Solidarität.
Als die Jury Dir 2011 den Kurt-Tucholsky-Preis zuerkannte, lobte sie Deinen Mut, zur Verdeutlichung der Wahrheit auch vor dem Zorn der verkappten Spießer_innen nicht zurückzuschrecken, sondern »die große, bunte Landsknechts-trommel gegen alles, was stockt und träge ist« (Tucholsky) zu schlagen.
Dein Ehrenplatz zur diesjährigen Preisverleihung wird von uns freigehalten, denn noch immer hoffen wir, Dich in Berlin begrüßen zu können: Wir wollen das Meer sehen – Deniz’i görmek istiyoruz.
Bis dahin wünschen wir Dir, was auch Tucholsky seinem Freund wünschte:

Ich wünsche ihm im Namen aller Freunde, daß er diese Haft bei gutem Gesundheitszustand übersteht.

Der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft

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