Allerdings kursieren auch sehr viele Zitate und Texte, die Tucholsky zugeschrieben werden, jedoch entweder erwiesener Maßen oder aber höchstwahrscheinlich nicht von ihm stammen. Danke der äußerst verdienstvollen Tucholsky-Gesamtausgabe ist heute endgültig möglich festzustellen, dass ein bestimmtes Zitat eben nicht von Tucholsky stammt.
Aufbauend auf der Arbeit von sudelblog.de soll hier eine Sammlung versucht werden von Zitaten, die Kurt Tucholsky lediglich zugeschrieben werden, aber nicht von ihm stammen.
Sollte jedoch wider Erwarten jemand einen Nachweis dafür erbringen können, dass es sich bei einem der hier aufgeführten Beispiele tatsächlich um ein Tucholsky-Zitat handelt (und Nachweis meint hier: Mit exakter bibliographischer Angabe der Originalpublikation bzw. dem entsprechenden Stellennachweis in der Gesamtausgabe), so erhält der oder diejenige ein Exemplar unserer Tucholsky-Anthologie »Die Zeit schreit nach Satire« und eine Jahresmitgliedschaft in der Kurt Tucholsky-Gesellschaft.
- »Als deutscher Tourist im Ausland steht man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muss oder ob schon deutsche Touristen dagewesen sind.«
- »Chanson ist Welttheater in drei Minuten.«
- »Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.«
- »Der Horizont des Berliners ist längst nicht so groß wie seine Stadt.«
- »Der Tod eines Menschen: das ist eine Katastrophe. Hunderttausend Tote: das ist eine Statistik!« (findet sich zwar in einem Tucholsky-Text (»Französischer Witz«), aber als angebliches Zitat eines französischen Diplomaten)
- »Der Vorteil der Klugheit liegt darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.«
(Oder auf Spanisch: La ventaja de ser inteligente es que así resulta más fácil pasar por tonto. Lo contrario es mucho más difícil.) - »Deutsche – kauft deutsche Bananen!« (Das Original lautet: »Deutsche, kauft deutsche Zitronen!« Erschienen in dem Text »Europa«, in: Die Weltbühne, 12. Januar 1932, S. 73
- »›Die Juden sind an allem Schuld‹, meinte einer. ›Und die Radfahrer…‹ sagte ich. ›Wieso denn die Radfahrer?‹, antwortete er verdutzt. ›Wieso die Juden?‹, fragte ich zurück.«
- »Freiheit stirbt mit Sicherheit.«
- »Gesetze sind Jungfrauen im Parlament, aber Huren vor Gericht.«
- »Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.« (von Max Liebermann)
- »Lasst uns das Leben genießen, solange wir es nicht begreifen.«
- »Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben.«
- »Sie dachten, sie seien an der Macht, dabei waren sie nur an der Regierung.«
- »Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.« (vgl. hierzu Hans-Georg Gadamer: »Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte«)
- »Unterschätze nie die Macht dummer Leute die einer Meinung sind.«
- »Was unterscheidet Geschwister von wilden Indianerstämmen? Wilde Indianer sind entweder auf Kriegspfad oder rauchen Friedenspfeife – Geschwister jedoch können gleichzeitig beides.« (Die korrekte Version lautet: Die Familie weiß alles, mißbilligt es aber grundsätzlich. Andere wilde Indianerstämme leben entweder auf den Kriegsfüßen oder rauchen eine Friedenszigarre: die Familie kann gleichzeitig beides. Aus dem Text »Familie«, in: Die Weltbühne, 12.01.1923, Nr. 2, S. 53)
- »Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie längst verboten.«
(Wird auch Emmy Goldman zugeschrieben: »If voting changed anything they would make it illegal.«) - »Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein.«
- »Zur Versachlichung der Impfdebatte« – Der Text stammt von Titanic-Autor Cornelius W. M. Oettle (Paul Krieghofer hat das in seinem Projekt Zitatforschung aufgeklärt).
Zum Abschluss noch ein paar Hinweise, wie Sie mit aufgefundenen Zitaten umgehen können:
Sollten Sie auf ein Zitat ohne exakte Quellenangabe stoßen (und exakt meint: Entweder aus einer der Werkausgaben oder mit Angabe der Originalpublikation (also beispielsweise eine Nummer der Weltbühne oder der Vossischen Zeitung o.ä.)), so prüfen Sie nach, ob sie die Phrase beim Projekt Gutenberg oder bei textlog.de finden. Diese beruhen beide wesentlich auf den bereits erfolgten Editionen. Sollten Sie auch dort nicht fündig werden: Lassen Sie die Finger davon. Die Wahrscheinlichkeit, auf ein pointiertes Zitat zu stoßen, das bisher noch nicht aufgefunden und publiziert wurde, ist gering – wenn auch durchaus vorhanden: Tucholsky war ein geradezu besessener Vielschreiber, es ist durchaus möglich, dass es dort Schätze zu heben gibt. Aber, mal unter uns: Wenn jemand einen solchen Schatz hebt: Würde der oder diejenige dann nicht die Quelle angeben? Wenn Sie jedoch ganz sicher gehen wollen, dann konsultieren Sie die Gesamtausgabe, gegebenenfalls in der nächstgelegenen Bibliothek, die sie im Bestand hat.
Eine gute Übersicht geprüfter Zitate findet sich bei Wikiquote.
Tucholsky veröffentlichte sehr viele kurze, pointierte Beiträge als sogenannte »Schnipsel«. Für den Einstieg kann daher eine gezielte Suche bei textlog.de schon einige sehr beeindruckende Ergebnisse bringen. Eine schöne Fundgrube für Tucholsky-Zitate, erschlossen durch einen guten Index, ist im Übrigen auch die von Wolfgang Hering und Hartmut Urban herausgegebene Sammlung »Schnipsel«, die auch zahlreiche Zitate aus längeren Texten enthält.