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Virus zweiten Grades (In Anlehnung an Tucholskys Spanische Krankheit?)

(von Phillip Helmke, KTG-Mitglied und studierter Literaturwissenschaftler. Er hat Tucholskys „Spanische Krankheit?“ von 1918 im Lichte der gegenwärtige Lage umgedichtet)

Was schleicht über alle globalisierten Schranken?
Welches Ding schleift die infizierten Gedanken
von der Werkbank bis zur Prominenz?
Es ist kaum zu sehen; wer nennts? Wer kennts?
Schmerzen nicht im Hals, sondern im Hirn –
Diagnose: Virus hinter der Stirn.

Denn wenn ichs genau betrachte
und hübsch auf alle Symptome achte,
bemerke ich es mit einem Mal:
nicht nur physisch geht viel viral.
Denn sehe ich das eigentliche Krankenkorps:
tritt ungeniert blanker Irrsinn hervor.

Ein großes Geplärr dummdreister Beschwerden,
Corona sei die größte Verschwörung auf Erden!
Der Aluhut, er sitzt adrett,
Die Fahnen würdevoll geschwenkt und kokett;
Schon mittags einen sitzen, die, wie in Anstalten
ihre weltverlassenen Psychosen entfalten.
Mit Sicherheit wird eines CoVid überdauern:
schleichender Wahnsinn hinter bürgerlichen Mauern.

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Ängstliche Augen in der Großstadt

Die Autorin und Vorleserin Ulla Wilberg zeigt mit wenigen Pinselstrichen, wie sich ein Klassiker auf die aktuelle Lage beziehen lässt.

Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
Mit den Corona-Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Erstaunlich ängstliche Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? vielleicht dein Lebensglück…
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hast´s gefunden,
nur für Sekunden…
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider;
Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück…
vorbei, verweht, nie wieder.

Du musst auf deinem Gang
Vorsichtig durch die Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Infizierter sein,
es kann ein Negativer sein,
es kann im Kampfe ein
Gesunder sein.
Er sieht hinüber
und zieht vorüber…
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.

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Watt willste in Meenz; Rheinsberg iss och scheen.

Oh, hochverehrtes Publikum,

du bist doch nicht so dumm…

Wie das in einem Werk benannt,

Das dir natürlich wohl bekannt.

Kennst alle Tuchos Werke schon.

Er ist und bleibt dein großer Sohn.

Gab dir, Gesellschaft, seinen Namen,

Gibt jeder Tagung klugen Rahmen.

Du forschst mit Wissenschaft und Akribie,

das, was ein Durchschnitts-Leser nie-

mals hätt heraus gelesen:

des Mannes tief-komplexes Wesen.

Kann ich dich also noch begeistern

Mit Panters, Tigers wilden Geistern?

Mit Texten, die ich ausgewählt.

Knapp zwanzig war’n es – abgezählt.

Nun hab ich’s schnell zusamm’ jestrichen.

Aufgrund Corona abjewichen.

Vom alten Plan ist nüscht mehr dran.

Watt dich valleecht bejeistern kann.

Mein neuer Plan iss also der,

Een Kurz-Projramm vor dem Varzeer.

Die jroße Kost kannste vajessen,

Et jibt een Schnäpschen vor dem Essen.

Prost! Und nu’ jeht’s los! 

Oh, hochverehrtes Publikum…

Joe Faß zum Einstieg in sein Programm während der Tagung in Rheinsberg, 30.10.2020