Der Tucholsky-Preisträger Jochanan Trilse-Finkelstein ist mit 84 Jahren gestorben.
Jochanan bin ich viermal begegnet: bei den Tagungen in Schweden 1994, Paris 2008 und Berlin 2015, sowie in seiner Wohnung nahe der Schönhauser Allee, wo er seinen guten Freund Wolfgang Helfritsch und mich am Schabbat-Abend zum Essen eingeladen hatte. Er hat ein kompliziertes, zum Teil schweres Leben gehabt: in der Jugend als Jude und als Linker doppelt gefährdet, dann auch als respektierter Professor in der DDR und nach der Vereinigung 1990 manchmal gemeinen Diskriminierungen ausgesetzt. Seinen Lieblingsautoren – Heine, Tucholsky, Peter Hacks – hielt er die Treue, war auf dem Gebiet des Theaters anerkannter Experte, der sich regelmäßig auch in dem Weltbühne-Nachfolgeorgan Ossietzky regelmäßig zu Wort meldete.
Ich habe Jochanans Kenntnisse bewundert, sein konsequent geführtes Leben ebenfalls. Sein ausführlicher Vortrag über die beiden Paris-Liebhaber Heine und Tucholsky wird keiner der anwesenden Tagungsteilnehmer vergessen. Gleiches gilt für die Rührung, mit der er 2015 seine Lebensgeschichte kurz und prägnant erzählte: ein würdiger Preisträger. Ich denke jedoch auch an den Privatmann: sicher war er manchmal ein Unbequemer, aber einer mit Zivilcourage und ein freundlicher, hilfsbereiter Gastgeber. Seine Lebensgefährtin Barbara, seine Freunde, seine Leserinnen und Leser – und unsere Gesellschaft- werden Jochanan vermissen.
Ian King, 1. Vorsitzender der Kurt Tucholsky-Gesellschaft
Jury-Begründung zur Verleihung des Kurt-Tucholsky-Preises 2015 an Jochanan Trilse-Finkelstein