[Leipzig] »Dürfen darf man alles«

Die Jahrestagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft steht im Jahr 2018 unter dem Motto »Dürfen darf man alles« [Peter Panter, 1928] und beleuchtet schlaglichtartig einige Aspekte von Möglichkeiten und Grenzen literarischen und journalistischen Schaffens.
Die Tagung an der Universität Leipzig widmet sich historischen und zeitgenössischen Fragen der Meinungs- und Kunstfreiheit sowie den literarischen Aspekten der Satiren Kurt Tucholskys.

»Dürfen darf man alles«

Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft an der Universität Leipzig
12.-14. Oktober 2018

TAGUNGSUNTERLAGEN HERUNTERLADEN [PDF, 5 MB]
Programm
Tagungsleitung: Dr. Ian King
Freitag, 12.10.
Ort: Universität Leipzig, Hörsaalgebäude, Campus Augustusplatz, Hörsaal 8
16:00 Anreise der Teilnehmer_innen
16:50 Dr. Ian King (London) Begrüßung
17:00 Prof. Dr. Frieder von Ammon (Leipzig), Studierende der Universität Leipzig: Ergebnisse eines Tucholsky-Workshops
18:00 Pause
18:20
Dr. Ian King (London): Impulsvortrag.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: 30 Jahre KTG. Dazu tragen Mitglieder der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rückblicke, Einblicke und Ausblicke bei. Mit welcher Motivation wurde sie gegründet, welchen Weg ging sie bisher und wie soll ihre Zukunft aussehen? Eine Einladung zum offenen Gespräch.
Samstag, 13.10.
Ort: Universität Leipzig, Hörsaalgebäude, Campus Augustusplatz, Hörsaal 8
10:00 Prof. Dr. Kurt Faßbender (Leipzig): Was darf die Satire? – Bemerkungen aus der Perspektive des deutschen Verfassungsrechts
11:00 RA Bernd Brüntrup (Minden): Vom Veltheimer Fährunglück zum Weltbühnenprozess
12:00 Mittagessen*
Ort: Bundesverwaltungsgericht
14:00 Führung durch das Bundesverwaltungsgericht (ehemaliges Reichsgericht)
Ort: Musikschule »Johann Sebastian Bach«, Kurt-Masur-Saal
16:30 Mitgliederversammlung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft
Pause
19:00 Max Dollinger (Gesang), Wolfgang Geiger (Piano) und Ilona Blumenthal-Petzold (Sprecherin): Tucholsky-Vertonungen von Hanns Eisler bis zur Gegenwart
anschließend besteht die Möglichkeit eines gemeinsamen Abendessens im Traditionsrestaurant »Zills Tunnel«.
Sonntag, 14.10.
Ort: Sonderhaltestelle Kurt-Schumacher-Straße (Hauptbahnhof/Westseite)
11:00 Straßenbahn-Stadtrundfahrt
* Es besteht die Möglichkeit, ein Angebot der Mensa im Haus zu nutzen. Die Kosten hierzu belaufen sich auf 13 € pro Portion (Drei Gänge, ohne Getränke). Bitte geben Sie an, ob Sie dieses Angebot nutzen wollen. Da unsererseits verbindliche Angaben gegenüber dem Studentenwerk gemacht werden müssen, müssen wir auf Verbindlichkeit Ihrer Angabe bestehen.
Tagungsbeitrag: 30 € für Mitglieder / 50 € für Nichtmitglieder. Angehörige der Universität Leipzig nehmen kostenlos an der Tagung teil. Im Tagungsbeitrag sind enthalten: Teilnahme an der Tagung, Catering am Samstag und die Stadtrundfahrt am Sonntag.

Anmeldung

Hiermit melde ich mich verbindlich für die Jahrestagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft vom 12.-14. Oktober 2018 in Leipzig an.
Den Tagungsbeitrag überweise ich bis zum 30. September 2018 auf das Konto der KTG bei der Sparkasse Minden-Lübbecke, IBAN DE49 4905 0101 0040 1308 90 SWIFT-BIC: WELADED1MIN unter dem Stichwort »Jahrestagung 2018«

Ihre übermittelten Daten werden ausschließlich zur Organisation und Durchführung der Tagung erhoben. Im Übrigen gilt unsere Datenschutzerklärung.
Bitte überweisen Sie den Tagungsbeitrag bis zum 30. September 2018 auf das Konto der KTG bei der Sparkasse Minden-Lübbecke, IBAN DE49 4905 0101 0040 1308 90 SWIFT-BIC: WELADED1MIN unter dem Stichwort »Jahrestagung 2018« oder
bezahlen Sie per Paypal:




 
Organisatorische Hinweise
Übernachtung: Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft hat im Motel One Nikolaikirche [Anfahrtsbeschreibung] ein Kontingent reserviert. Der Einzelzimmerpreis beträgt 69 €, der Doppelzimmerpreis 89 €. Das Motel One befindet sich nur ca. 350 Meter vom Tagungsgebäude entfernt. Bitte nutzen Sie zur Nutzung des Angebotes unbedingt das Abrufformular. BITTE BEACHTEN SIE: Das Kontingent ist begrenzt und nur bis 13. September 2018 verfügbar.
In der Leipziger Innenstadt befinden sich zahlreiche Hotels, in unmittelbarer Nähe des Innenstadtcampus befindet sich ein weiteres Motel One. Zu vergleichbaren Konditionen können Sie das ibis Budget Hotel nutzen. Am anderen Ende des Augustusplatzes befindet sich das Radisson Blu Hotel. Aufgrund der dynamischen Entwicklung von Leipzig als Tourismusziel und Veranstaltungsort befindet sich auch die Hotellandschaft in Bewegung, eine eigene Recherche kann daher sicher nicht schaden. Wir erheben mit diesen Hinweisen keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. 🙂
Tagungsbeitrag: 30 € für Mitglieder / 50 € für Nichtmitglieder. Angehörige der Universität Leipzig nehmen kostenlos an der Tagung teil. Im Tagungsbeitrag sind enthalten: Teilnahme an der Tagung, Catering am Samstag und die Stadtrundfahrt am Sonntag.
Adressen
Übersichtskarte der Veranstaltungsorte.


Universität Leipzig, Hörsaalgebäude, Campus Augustusplatz, Hörsaal 8, Augustusplatz 10, 04109 Leipzig.
Zur über 600jährigen Geschichte des Campus sowie den Ergebnissen des umfangreichen Umbaus finden Sie in dieser Broschüre.
Der Campus ist in der Innenstadt fußläufig gut erreichbar, auch vom Hauptbahnhof aus sind es nicht mehr als 10 Minuten Fußweg. Ein barrierefreier Zugang ist vom Augustusplatz aus oder von der Universitätsstraße aus möglich. Von der Grimmaischen Straße aus können Sie eine Passage nutzen. Mit dem  ÖPNV erreichen Sie die Haltestellte Augustusplatz mit zahlreichen Straßenbahnlinien. Vom Hauptbahnhof z.B. mit den Linien 4 (Richtung Stötteritz), Linie 7 (Richtung Sommerfeld), Linie 10 (Richtung Lößnig), Linie 11 (Richtung Dölitz), Linie 15 (Richtung Meusdorf). Genaue Informationen finden Sie bei der Fahrplansuche der LVB – dort können Sie auch konkrete Adressen, zum Beispiel Ihres Hotels, eingeben.
Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig.
Für den Weg vom Campus Augustusplatz zum Bundesverwaltungsgericht empfehlen wir den Weg zu Fuß, der ca. 10 Minuten dauert (das hängt etwas von Ihrem Glück bei den Ampelphasen am Ring ab) und Sie zum Beispiel an imposanten Gründerzeit-Gebäuden in der Schillerstraße, dem Neuen Rathaus und der neu erbauten Propsteikirche St. Trinitatis (geweiht 2015). Alternativ können Sie die Straßenbahnlinien 8 (Richtung Grünau-Nord) oder 14 (Richtung Plagwitz) ab Augustusplatz bis zur Haltestelle Neues Rathaus nutzen. Wenn Sie mit dem PKW zum Bundesverwaltungsgericht anreisen wollen, können Sie in unmittelbarer Nähe das kostenpflichtige Parkhaus Beethovenstraße nutzen.
Musikschule »Johann Sebastian Bach«, Petersstraße 43, 04109 Leipzig
 
Für aktuelle Fahrplanabfragen sei auf die Fahrplansuche der LVB verwiesen. Oder Sie nutzen die App easy.go (nach der Installation die Region »Mitteldeutscher Verkehrsverbund« wählen).

[Zwickau] Tucholsky und Kästner

Im Rahmen des Zwickauer Literaturfrühlings 2016 stellt Prof. Harald Vogel sein neues Buch vor, dass sich kritisch mit Erich Kästner und Kurt Tucholsky in ihrem Verhältnis zu Satire auseinandersetzt.
Beide berühmten Schriftsteller der Weimarer Zeit müssen sich messen lassen an ihren Texten, ein kritischer Vergleich ist angesagt. Dieser Diskurs muss aber auch beide Persönlichkeiten auf dem Hintergrund ihrer jeweiligen Biographie und ihres Gesamtwerkes sowie ihres Persönlichkeitskonzeptes würdigen. Ein solcher kritischer Vergleich der beiden engagierten Schriftsteller wird gerne vermieden, drängt sich aber aufgrund neuerer Erkenntnisse aus freigegebenen Nachlassquellen als notwendig auf.
Die besondere Leidenschaft und ihr Erfolg als Kabarettautoren soll gesondert und beispielgebend untersucht werden.
Es bieten sich Anknüpfungspunkte insbesondere zur Ausstellung »Gestatten, Kästner«, die seit dem 10.03. 2016 in Dresden zu sehen ist.
Weitere Informationen zum Buch finden sich auf der Verlagswebsite.
Eintritt: 4 Euro / Tag | 10 Euro / gesamte Zeit

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Originaltexte Tucholsky: Zum Werk

Ignaz Wrobel: Was darf die Satire?

Frau Vockerat: »Aber man muß doch seine Freude haben können an der Kunst.«
Johannes: „Man kann viel mehr haben an der Kunst als seine Freude.«

Gerhart Hauptmann

Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.
Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: »Nein!« Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.
Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.
Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.
Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen kämpft, verdient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte Fauchen, mit dem hierzulande diese Kunst abgetan wird.
Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden. Wenn ich die Folgen der Trunksucht aufzeigen will, also dieses Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen Bibelsprüchen, sondern ich werde es am wirksamsten durch die packende Darstellung eines Mannes tun, der hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den Vorhang auf, der schonend über die Fäulnis gebreitet war, und sage: »Seht!« – In Deutschland nennt man dergleichen ›Kraßheit‹. Aber Trunksucht ist ein böses Ding, sie schädigt das Volk, und nur schonungslose Wahrheit kann da helfen. Und so ist das damals mit dem Weberelend gewesen, und mit der Prostitution ist es noch heute so.
Der Einfluß Krähwinkels hat die deutsche Satire in ihren so dürftigen Grenzen gehalten. Große Themen scheiden nahezu völlig aus. Der einzige ›Simplicissimus‹ hat damals, als er noch die große, rote Bulldogge rechtens im Wappen führte, an all die deutschen Heiligtümer zu rühren gewagt: an den prügelnden Unteroffizier, an den stockfleckigen Bürokraten, an den Rohrstockpauker und an das Straßenmädchen, an den fettherzigen Unternehmer und an den näselnden Offizier. Nun kann man gewiß über all diese Themen denken wie man mag, und es ist jedem unbenommen, einen Angriff für ungerechtfertigt und einen anderen für übertrieben zu halten, aber die Berechtigung eines ehrlichen Mannes, die Zeit zu peitschen, darf nicht mit dicken Worten zunichte gemacht werden.
Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.
Aber nun sitzt zutiefst im Deutschen die leidige Angewohnheit, nicht in Individuen, sondern in Ständen, in Korporationen zu denken und aufzutreten, und wehe, wenn du einer dieser zu nahe trittst. Warum sind unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.
Nicht einmal dem Landesfeind gegenüber hat sich die deutsche Satire herausgetraut. Wir sollten gewiß nicht den scheußlichen unter den französischen Kriegskarikaturen nacheifern, aber welche Kraft lag in denen, welch elementare Wut, welcher Wurf und welche Wirkung! Freilich: sie scheuten vor gar nichts zurück. Daneben hingen unsere bescheidenen Rechentafeln über U-Boot-Zahlen, taten niemandem etwas zuleide und wurden von keinem Menschen gelesen.
Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle – Volksschullehrer und Kaufleute und Professoren und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte und Frauen und Volksbeauftragte – wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren (›Schlächtermeister, wahret eure heiligsten Güter!‹), wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag widerschlagen – aber er wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen.
So aber schwillt ständischer Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsche Satiriker tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf die Dauer etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.
Was darf die Satire?
Alles.


Autorenangabe: Ignaz Wrobel
Ersterscheinung: Berliner Tageblatt, 27.01.1919, Nr. 36.
Editionen: Kurt Tucholsky: Gesamtausgabe. Texte und Briefe. Hrsg. von Antje Bonitz, Dirk Grathoff, Michael Hepp, Gerhard Kraiker. 22 Bände, Rowohlt Verlag, Reinbek 1996ff., Band 3. Texte 1919, S. 82 ff.
Ders.: Gesammelte Werke in 10 Bänden. Hrsg. von Mary Gerold-Tucholsky und Fritz J. Raddatz. Rowohlt Verlag, Reinbek 1975. Band 2, S. 42 ff.

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