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Trauer um Ehrenvorsitzenden Ian King

Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft trauert um ihren langjährigen Vorsitzenden und Ehrenvorsitzenden Ian King

In memoriam Dr. Ian King (1949-2023)

Obwohl wir schon lange von Ian Kings Krebserkrankung wussten, waren wir doch sehr erschüttert, als uns sein langjähriger Freund und Kollege Stuart Parkes die Nachricht zukommen ließ, dass unser Ehrenvorsitzender am Dienstag, dem 19. September, erlöst wurde. Bis zuletzt waren Tucholsky-Freunde und auch ich persönlich mit ihm in London durch Telefon und die digitalen Medien in Kontakt. Er war immer zuversichtlich, was sich erst wenige Tage vor dem Tod änderte. Dann hatte er erkannt, dass ihm nur blieb, loslassen zu können. Ian (der eigentlich William hieß und schottischer Eisenbahnersohn war) hatte davon geträumt, die Fußball-EM im kommenden Sommer noch zu verfolgen, oder zumindest bei unserer Jahrestagung im Oktober, für deren Thema „Ist Tucholskys Verständnis von Pazifismus heute noch aktuell?!“ er intensiv geworben hatte, mitzuerleben. Letztlich war er aber doch erleichtert, dass er mir seinen Vortragstext für die Jahrestagung im Oktober geschickt hatte. Er war sich nicht mehr sicher, ob er ihn (zugeschaltet aus London) hätte halten können.

Ian King gehörte als britischer Germanist vor 35 Jahren zu den Gründungsmitgliedern der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, und er war einer der letzten in unserem Kreis, der auch Mary Gerold-Tucholsky noch kennengelernt hatte. Er leistete lange Jahre Vorstandsarbeit und war unser geschätzter und fachlich anerkannter Vorsitzender mit besonders langer Amtszeit, ehe er sich vor zwei Jahren mit 72 in die Ehrenmitgliedschaft verabschiedete. Auch dieses neue Amt nahm er ernst und mischte sich (nicht immer zur Freude aller Vorstandsmitglieder) streitbar ein. Nicht vergessen werden kann, dass er immer wieder für Vorträge über Tucholsky und sein literarisches und politisches Umfeld von London aus nach Deutschland reiste und besonders mit Jüngeren leidenschaftlich diskutierte.

Mir war Ian ein guter Freund, und ein Vorbild!

Frank-Burkhard Habel, Erster Vorsitzender

Ians Freunde haben eine Gedenkseite mit umfangreichen Würdigungen seines Lebens für ihn eingerichtet.

Nachdem sein Tod bekannt wurde durch einen Nachruf der Tageszeitung nd.der Tag (Neues Deutschland), für die er mehr als drei Jahrzehnte lang bis Anfang September 2023 meist ironisch gefärbte politische Berichte geliefert hatte, kamen erste Erinnerungen von Weggefährten aus der KTG, aus denen wir nachfolgend zitieren:

„Bei seinen Besuchen in Duisburg lernten wir Ian nicht nur als Tucholsky-Experten kennen. Wir entdeckten in ihm auch den Deutschlandkenner, der mehr von unserer Heimat erzählen konnte als mancher Einheimischer wusste. Wer kennt schon die preußische Schnellzuglok P8? Bei einem Besuch im Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen kam heraus, dass Ian auch Experte in historischen Eisenbahnen war.
Ian war aber vor allem eines für uns: Ein guter Freund, der uns mit seinem Humor immer zum Lachen brachte, nicht sonderlich viel Wert auf Konventionen legte, sich aber im Einzelfall von unseren Damen in Fragen des Outfits final beraten ließ.“ Klaus Becker, Duisburg

„Ich bin Ian vor über 30 Jahren in der noch jungen KTG begegnet, Er war ein eifriger Mitschreiber und ich habe ihn in seiner Zweisprachigkeit, seinen Tucholsky-Kenntnissen, seiner Meinungs-Stärke sehr bewundert. Dass ich dem sparsamen Schotten später im gemeinsam agierenden Vorstand mit meinen Ideen in die Quere kam, hat unsere Freundschaft, die auf gegenseitiger Achtung basierte, keinen Abbruch getan. Gern hätte ich ihn noch einmal wieder gesehen. Das hat nicht sollen sein und auch das macht mich sehr traurig.“ Renate Boekenkamp, St. Georgen

„Er war ein Typ für sich, hatte viel Humor und Lebenslust und wollte noch so gerne HIER bleiben. Ja, Ian war auch für die Tuchogesellschaft wichtig, er hat uns Tucho nicht vergessen lassen, so auch Mary Tucho.“ Brigitte Kellner, München

„Das ist ein heftiger Schlag ins Kontor! Ich habe Ian zuletzt immer ermunternd geschrieben, seine Ironie überzeugte bestechend. Er war immer eine Freude, auch daß er manch anderen keine war. Wir wollen in seinem Sinne sein.“ Olaf Walther, Hamburg

Sein scharfer Verstand, seine Leidenschaft für Kurt Tucholsky und die Kurt-Tucholsky-Gesellschaft werden uns fehlen.

Wir lassen ihn aber nicht ohne Tucholsky gehen:
„Wie wird die schwarzgestrichne Kiste groß!
Ich schweige tief.
Und bin mich endlich los.“

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Satire-MAß 1 Tucholsky

Gedicht von Hansgeorg Stengel gefunden von Wolfgang Helfritsch

Wie heißt die Maßeinheit für die Satire?

Wie misst man ihren Wert und ihr Gewicht?                           

Ein solches Maß, Satire-Kanoniere,

das gibt es, leider, offiziell noch nicht!

Drum drängt es mich, Tucholsky vorzuschlagen,

als Optimum satirischer Potenz.                                      

Ein Zehntel Tucho wäre sozusagen

der Paukenschlag des schreibenden Talents.

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Was hat der Mann zu der jungen Bauersfrau gesagt?

Brief von Roland Voggenauer an die KTG mit einer wichtigen Frage

Liebe Freunde der Tucholsky Gesellschaft,

Sie alle kennen sicher die Geschichte, in der ein Ehepaar Herrn Panter einen Witz erzählt, bzw. dies versucht, dabei jedoch kläglich scheitert, schließlich türschlagend auseinander geht und den armen Herrn Panter mit der Frage sitzen lässt, was die Pointe des Witzes gewesen sei.

Trotz – oder grade wegen – der Unvollständigkeit des Witzes wird diese wundervolle Geschichte natürlich zu einem runden Ganzen und soll selbstverständlich genau so stehen bleiben.

Dennoch habe ich mir schon vor vielen Jahren beim ersten Lesen die gleiche Frage wie Herr Panter gestellt, ohne daß ich jedoch jemals von selbst auf eine Antwort gekommen wäre. Diese Frage ist immer wieder einmal zu mir zurückgekehrt, so daß ich irgendwann eine – zugegebenermaßen einschlägige – Recherche gestartet habe.

Gefunden habe ich: Nichts!

Auch meine direkte Nachfrage bei dieser Gesellschaft hat selbst unter Hinzuziehung des Ehrenvorsitzenden zu keinem positiven Ergebnis geführt, d.h. diese Frage, die ja schließlich kein Geringerer als Herr Panter selber stellt, scheint bislang keine Antwort gefunden zu haben.

Deswegen habe ich mich gefragt, ob es evtl. sinnvoll sei, die Frage einem informierten Fachpublikum vorzulegen – was ich in der Leserschaft dieses Blogs erwarten würde – denn ich bin sicher, es gibt potentielle Antworten. Ob die letztendlich dem entsprechen, was Tucholsky selber im Sinn hatte, muss dabei natürlich nebensächlich bleiben, denn in seiner Geschichte ist der Witz schließlich ein reines Mittel zum Zweck.

Mir selbst ist während der diesjährigen Ostertage ein Lösungsvorschlag in den Schoß gefallen; wahrlich kein Schenkelklopfer, aber er funktioniert leidlich und ist konsistent zu den Dialogen in Tucholskys Geschichte.

Diesen würde ich an dieser Stelle selbstverständlich auch „zum Besten geben“, allerdings würde ich ihn vorläufig zurückhalten, bis sich auch andere aus der Deckung wagen, zumindest bezüglich der Sinnhaftigkeit dieses Unterfanges.

Von daher frage ich mit Herrn Panter in die Runde:

Was hat der Mann zu der jungen Bauersfrau gesagt?

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Der Tiger schreit

Am 21.12.2020 schickte Eva Hoffmann uns dieses Gedicht in Erinnerung an Tucholskys Todestag zu (s. unten zur Autorin).

Gewidmet in Memoriam 21.12.1935

Der Zeiger zeigt
die Zeit zeitigt

Die Rassel rasselt
alles quasselt
keiner schweigt

Haare wallen
Haare in Wellen
Wale in Wellen
Wähler wählen
Stimmen zählen
Tierquäler quälen

Riemen machen Striemen
der Haifisch der hat Zähne
Politiker machen gute Mienen
zu ihrem täglichen Brot

Lobbyisten lungern
Flüchtende hungern
Geier kreisen
Marktschreier preisen

Deckmäntel verdecken
Fliehende verrecken

Rechts ruckt
Die Linke spukt
und die Mitte: die duckt

Kinderschänder missbrauchen
Opfer straucheln
Wassertaucher tauchen
nach Wasserleichen

Fetische und Faschisten
führt man auf Listen
Bettsäger und Exekutierte
hinterlassen Pfützen

Gewitter reinigen
(Cloud-)Worte steinigen
Pfeifen besänftigen
draußen nur Kännchen

Wasser bewegt Mühlen
während wir auf Wühltischen wühlen
was Inder nähen
(und deren Kinder daneben)

Anderswo: Leiden
Hierzulande knurrt es
Das Glück der Geburt
ist nun mal nicht zu teilen

Bei der Wahl
machen Nazis legal
ihre Haken
Ein Kreuz auf Papier
wird toleriert

Wahlplakate hängen
Parallelen verdrängend
dank des Genies
unserer Demokratie
Denn was ist schon dabei?
Wählen macht frei

Rechte rabiat
legitimiert im Stadtrat
Zu Naziparolen
nickt mancher verstohlen

Man spricht von Bedrohung
sieht die Rechte Verrohung
Doch was geht’s den an
der sich wegducken kann

Ob Hauser, Panter oder Tiger
er kannte die „Sieger“
die sich formierten
und uniformierten
und skandierten.

Worte aus Wut

Eva Hoffmann arbeitet als Schulbibliothekarin und hat Theaterwissenschaft und BWL studiert. Über ihren Zugang zu Tucholsky schreibt sie: „Und immer waren da Spuren: Eine erste Fährte legte Kaspar Hausers ‚Der Mensch‘ – kritisch und humorvoll, klug und pointiert – ein verändernder Blick in meinen jugendlichen Spiegel. Während des Studiums dann stellte ich erstaunt fest, die Publikumsbeschimpfung gab es lange vor Handke. Von einem, der mit 5 PS publizistische und journalistische Schneisen ins aufziehende braune Dickicht schlug, um uneitel und ohne belehrenden Zeigefinger mit stilistischer Vielfalt Missstände aufzuzeigen. Seine Spuren – auch heute noch kein Schnee von gestern: von einem heimatverbundenen glühenden Europäer auf seiner Weltbühne, um- und weitsichtig, offen und tolerant, skeptisch sich und andere(s) hinterfragend und mit der Größe, Fehler einzugestehen. Kein Neuschnee, aber immer wieder stoße ich auf seine weisen Spuren.“