Aus »Nußbach bei Triberg« schrieb Kurt Tucholsky am 19. August 1919 einen Brief an Mary Gerold.1 Er weilte im Haus der Familie seines Hamburger Freundes Hans Fritsch, genannt »Jakopp«, in der noch heute so benannten Villa Fritsch. Das weiß man in Triberg schon seit 1990.
Eine Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft im Jahre 2000 in Triberg mit Kaffeepause im »Römischen Kaiser« in Nußbach, von dem die Familie Fritsch seinerzeit ihren Wein »unter der Hand« bezog, sorgte ebenfalls für lokale Aufmerksamkeit.
Mit Gastspielen und Tucholsky-Programmen mit Marlis und Wolfgang Helfritsch wurde weiterhin die Trommel gerührt. In der Triberger Stadtchronik ist Tucholsky samt der Geschichte des über 100 Jahre alten Hauses festgehalten. Ebenso der mehrfache Besuch des amerikanischen Publizisten Ernest Hemingway in den zwanziger Jahren2.
Während Tucholsky noch die politische Ahnungslosigkeit im Schwarzwald karikierte, drosch Hemingway auf die Schwarzwaldbevölkerung ein. Lediglich das Forellenfischen fand seine Zustimmung. Nachdem der heute noch amtierende Bürgermeister den recht erfolgreichen Hemingway-Days nach Einspruch ehemaliger Wehrmachtsangehöriger ein unrühmliches Ende setzte, wurde es still um die berühmten Besucher der Wasserfallstadt.
Der Bürgermeister, Jurist wie Tucholsky, sah in einem Hemingway-Brief, in dem sich der Autor rühmte, bei der Besetzung von Paris »Krauts« eigenhändig erschossen zu haben, Schaden auf die Stadt zukommen. (Ein Gutachten der Universität Hamburg kam allerdings 2008 zur Ansicht, dass die entsprechenden Passagen fiktional waren.) Das bisherige Organisationsteam sollte – so die Bürgermeister-Idee – doch auf Tucholsky-Tage umschwenken. Nach dem Einwand, dass dieser in der Weimarer Republik zu den meistgehassten Publizisten der Nationalisten gehörte, zog der Triberger die Idee zurück.
Jetzt weist am Schwarzwald-Museum in Triberg ein großes Plakat auf Tucholskys Besuch seinerzeit hin. Im Treppenhaus hängt dazu sein Foto mit einem Zitat. Eine Veranstaltungsreihe im Museum begann mit Texten zum Thema Reisen, in denen auch Tucho-Texte verlesen wurde.
Die Villa Fritsch steht erneut zum Verkauf und das nahezu 200 Jahre alte Gasthaus »Römischer Kaiser« samt Pensionsbetrieb ist nach einem Zwischenpächter wiede-rum geschlossen. Inwieweit Tucholskys Besuch im Schwarzwaldmuseum weiteren Niederschlag findet, bleibt abzuwarten, demnächst wechselt die Leitung.
Renate Bökenkamp
1 Brief an Mary Gerold vom 19.8. 1919 (Tucholsky GA Bd. 17, [B 37], S. 68 ff.)
2 siehe die titelgebende Geschichte »Schnee auf dem Kilimandscharo«. Zuletzt erschienen in Neuübersetzung von Werner Schmitz: Ernest Hemingway: Schnee auf dem Kilimandscharo. Rowohlt Reinbek 2015, 224 Seiten, gebunden, 18,90 €. Taschenbuchausgabe für Dezember 2016 angekündigt (9,99 €, ISBN 978-3-499-27286-8).
Dieser Beitrag erschien im Rundbrief der Kurt Tucholsky-Gesellschaft August 2016.