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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Geburtstagsgruß an Deniz Yücel

Lieber Deniz,
es fällt schwer, Dir unbelastet zum Geburtstag zu gratulieren, sehen und wissen wir doch, unter welchen Umständen Du gezwungen bist, ihn zu begehen.
Als Carl von Ossietzky für seine journalistische Arbeit 1932 ins Gefängnis geworfen wurde, schrieb Kurt Tucholsky:

Die Strafe ist und bleibt nichts als die Benutzung einer formalen Gelegenheit, einem der Regierung unbequemen Kreis von Schriftstellern eins auszuwischen […] Im geistigen Kampf werden sie auch weiterhin so erledigt werden, wie sie das verdienen. Und das muß doch gesessen haben. Denn sonst wären jene nicht so wütend und versuchten es nicht immer, immer wieder. Es wird ihnen nichts helfen.

Wir wünschen uns allen drinnen und draußen und ganz besonders Dir, dass es auch den heutigen Rechtsbeugern der Türkei nichts helfen möge. So senden wir Dir herzlichste Grüße und versichern Dir unsere ungebrochene Solidarität.
Als die Jury Dir 2011 den Kurt-Tucholsky-Preis zuerkannte, lobte sie Deinen Mut, zur Verdeutlichung der Wahrheit auch vor dem Zorn der verkappten Spießer_innen nicht zurückzuschrecken, sondern »die große, bunte Landsknechts-trommel gegen alles, was stockt und träge ist« (Tucholsky) zu schlagen.
Dein Ehrenplatz zur diesjährigen Preisverleihung wird von uns freigehalten, denn noch immer hoffen wir, Dich in Berlin begrüßen zu können: Wir wollen das Meer sehen – Deniz’i görmek istiyoruz.
Bis dahin wünschen wir Dir, was auch Tucholsky seinem Freund wünschte:

Ich wünsche ihm im Namen aller Freunde, daß er diese Haft bei gutem Gesundheitszustand übersteht.

Der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft

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Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik Pressemitteilung

Zur Festsetzung von Deniz Yücel

»Denn wo blieben dann die Religionen, und wo bliebe vor allem der Patriotismus, wenn die Leute wüßten, was los ist! Die Zensur ist der Schutz der Wenigen gegen die Vielen.« (Kurt Tucholsky, 1932)[1]
Als sich die Jury des Kurt-Tucholsky-Preises 2011 für Deniz Yücel entschied, zeichnete sie seine satirischen Kolumnen aus und hob dabei Yücels Fähigkeit der »angenehmen Entlarvung« hervor.
Seitdem hat Deniz Yücel auf vielfältige Weise gezeigt, dass der Name Tucholskys völlig zu Recht mit seiner Arbeit verbunden wurde. Insbesondere seine Arbeit als Türkeikorrespondent zeigt einen Journalisten im besten Sinne: Scharf analysierend, genau beobachtend, Zusammenhänge darstellend.
Yücel stellt dabei Menschen und Geschichten vor, die in der zunehmend enger werdenden türkischen Presselandschaft, kaum zu sehen und zu hören sind.
Es liegt in der Natur der Sache, dass er im Rahmen seiner Arbeit mit Menschen spricht, die der sich nahezu täglich ändernden Rechtslage in der Türkei nicht entsprechend handeln – wie sonst sollte ein Journalist offenlegend arbeiten?
Kurt Tucholsky, der selbst leidenschaftlich für freie Presse (und vor allem, für die Freiheit der seinerzeitigen Neuen Medien) kämpfte, schrieb:
»Und hier zeigt sich nun die ganze Schwäche jedes Versuchs […], ein eng gefügtes Weltbild zu statuieren: jeder Vertreter solches Zwanges hindert den ihm Unterworfenen, sich eine freie Meinung zu bilden. Er läßt die Gegenargumente gar nicht erst an ihn heran.«[2]
Die Pressefreiheit ist aus gutem Grund ein hohes Gut. Sie ist ein Grundpfeiler offener, demokratischer Gesellschaften. Richtig genutzt erfüllt sie elementare Kontrollfunktionen, denn auch die gefestigste Demokratie ist nicht vor den Verführungen von Macht und Geld gefeit.
 
Wir können von außerhalb nur schwer beurteilen, wie stichhaltig die von den türkischen Behörden erhobenen Vorwürfe gegen Deniz Yücel sind und unterstützen die Forderungen von Auswärtigem Amt, Bundeskanzlerin, Reporter ohne Grenzen und der WELT nach einem fairen Verfahren. Es scheint dies allerdings im bestehenden Ausnahmezustand in der Türkei geradezu aussichtslos zu sein. Ziel aller Aktionen muss daher sein, so bald als möglich eine Freilassung Deniz Yücels zu erreichen.
 
Wir können jedoch gleichzeitig nicht die Augen davor verschließen, dass das Verfahren gegen Deniz Yücel kein Einzelfall ist. Er reiht sich ein in eine lange Reihe von massiven Verfolgungen kritischer Journalisten in der Türkei. Die Forderung der Freilassung Deniz Yücels kann daher nur in Verbindung mit der Forderung nach der Freilassung aller anderen inhaftierten Journalisten in der Türkei erhoben werden.
 
Der Kurt-Tucholsky-Preis wird vergeben für Arbeiten, die sich »kritisch mit zeitgeschichtlichen Entwicklungen und Vorgängen auseinandersetzen und Realitäten hinter vorgeschobenen Fassaden erhellen«. Genau dies ist Kern der Arbeit von Deniz Yücel. Es ist dies die vornehmste Aufgabe und Pflicht eines Journalisten – und kein Verbrechen.
 

Der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft

Weiterführende Links:
Diese Mitteilung als pdf downloaden.
Begründung der Jury zur Verleihung des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische 2011
Petition zur Freilassung Deniz Yücels
Die Aktionsseite »#FreeDeniz«
Überblicksseite zu Reaktionen von Behörden und Medien von Knut Kuckel auf journalistblog.de
[1] Kurt Tucholsky als Ignaz Wrobel: »Freier Funk! Freier Film!« in: Die Weltbühne, Nr. 18 vom 03.05.1932
[2] Kurt Tucholsky als Ignaz Wrobel: »Freier Funk! Freier Film!« in: Die Weltbühne, Nr. 18 vom 03.05.1932