Das Badische Tageblatt weist in der Ausgabe vom 28. Februar 2018 seine Leserschaft auf eine Veranstaltung am 9. März 2018 im Rastatter Kellertheater mit dem 80jährigen Schauspieler Klaus Winterhoff aus eben dieser Stadt hin, der Gedichte und Prosatexte von Kurt Tucholsky präsentiert. Die Zeitung belässt es aber nicht nur bei diesem Hinweis, sondern gibt im weiteren Text das Leben von Kurt Tucholsky wieder.
Unter anderem heißt es:
Seine polemische Feder mit Hohn, Spott und Boshaftigkeit zeigt den Mut und die Hartnäckigkeit eines engagierten Moralisten. Daneben gibt es aber auch den humorigen Feuilletonisten, den Autor heiterer Plaudereien, den Bänkelsänger Kurt Tucholsky.
In der Ausgabe vom 12. März 2018 berichtet die Zeitung dann ausführlich über die Veranstaltung. Nur ein Auszug:
Eine Stecknadel hätte man oft fallen hören, so gefesselt von den ausdrucksstark und mit großer sprachlicher Klarheit vorgetragenen Texten waren die Zuschauer. Neben vielen guten Gründen zu applaudieren gab es für sie auch viel zum Lachen, zum Beispiel bei dem Gedicht „Einigkeit und Recht und Freiheit“, dass nach Ansicht des Verfassers viele falsch verstehen und für das er daher den Refrain geschrieben hat: „Doof ist doof, da helfen keine Pillen!“
In dem Programmblatt zu dieser Veranstaltung, welches die Titel der 42 (!!) vorgetragenen Tucholskytexte enthält, ist noch ein Originalleserbrief von 1964 abgedruckt, der unserer Mitgliedschaft als historisches Zeitzeugnis nicht vorenthalten werden soll:
Brief von Prof. Dr. Adalbert Hermann* aus Kaiserslautern, vormals NSDAP, danach bis 1966 CDU-Abgeordneter, danach NPD-Abgeordneter an die Buchhandlung Schmidt:
Kaiserslautern, den 31. März 1964
Sehr geehrter Inhaber der Buchhandlung Schmidt!
Sie halten es für richtig an bevorzugter Stelle in Ihrer Auslage das Machwerk des Kurt Tucholsky „Deutschland, Deutschland über alles“ auszustellen und zu propagieren.
Ich nehme an, daß Sie wissen wer Tucholsky war. Er war Mitarbeiter der probolschewistischen „Weltbühne“ und fanatischer Anhänger eines sowjetischen Deutschland. Wenn Leute wie Tucholsky gesiegt hätten, dann hätten wir heute Zustände der Stacheldrahtzone des Ulbricht.
Ich habe, da ich in Kaiserslautern beschäftigt bin, im letzten Jahr verschiedentlich Bücher bei Ihnen gekauft. Ich werde das natürlich nicht mehr tun.
Kommen Sie mir bitte nicht mit Geistesfreiheit, Besudelung des eigenen Volkes und Nestbeschmutzung ist k e i n e Geistesfreiheit!
Unterschrift
*Name aus rechtlichen Gründen geändert
Die Zeit widmet in ihrer Ausgabe vom 15. März 2018 der Weltbühne anlässlich ihres ersten Erscheinens am 4. April 1918 eine ganze Seite (S. 21) unter dem fettgedruckten Originalschriftzug „Die Weltbühne. Republikaner ohne Republik“ und dem Untertitel „Weimars legendäre Wochenschrift wird hundert: Die „Weltbühne“ deckte auf, eckte an und wagte mehr Demokratie als vielen recht war. Bis heute scheiden sich an ihr die Geister.“
Der Autor, Alexander Gallus, lehrt Ideen- und Zeitgeschichte an der Technischen Universität Chemnitz und veröffentlichte 2012 im Wallstein Verlag sein Buch „Heimat Weltbühne“.
Es muss nicht betont werden, dass selbstverständlich Tucholsky mehrfach erwähnt und zitiert wird. Die Seite endet mit drei Fotos von Tucholsky, Ossietzky und Jacobsohn, jeweils versehen mit einer kurzen Charakterisierung, und einem Originaltitelblatt der Weltbühne.
Zu dem bekannten Foto „Tucholsky mit Pfeife und weißem Oberhemd“ heißt es:
Kurt Tucholsky (1890-1935) schreibt von 1913 an für die „Weltbühne“. Mit seinen scharfen Satiren wird er rasch zu ihrem bekanntesten Autor.“
Der Artikel endet wie folgt:
„Jungen Schriftstellern von heute“ wünschte Axel Eggebrecht noch Ende der siebziger Jahre eine vergleichbare „geistige Heimat“, doch schwant ihm, dass es eine solche Heimat nicht mehr gibt. So viel Wehmut hier anklingt: die Weimarer Weltbühne bleibt 100 Jahre nach ihrer Gründung mehr als ein Sehnsuchtsort. Denn nicht nur gibt es seit 1997 in Kleinstauflagen zwei Nachfolger, die ihren Geist wiederzubeleben versuchen – die linken Zweiwochenschriften Ossietzky und Das Blättchen.
Die Weltbühne hat auch an Kraft und Ausstrahlung nicht verloren. Bis heute müssen sich die kritische Intervention, die investigative Reportage und der ironische Spott an ihr messen lassen.
Anne Fromm befasst sich in der taz vom 23. April 2018 auf Seite 17 mit Oliver Welke und seiner freitagabends im ZDF ausgestrahlten „heute Show“ und beginnt wie folgt:
„Satire, heißt es ja immer mit Verweis auf Kurt Tucholsky, dürfe alles. „Die echte Satire ist blutreinigend“, schrieb Tucholsky 1919. „und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.“ Das scheint für ZDF-Zuschauer allerdings nur so lange zu gelten, wie sich die Satire vom Heiligsten, nämlich dem Christentum fernhält.
Anlass für ihren Kommentar war die Tatsache, dass in der „heute Show“ ein gekreuzigter Osterhase, aufgehängt an seinen langen Plüschohren, gezeigt worden war. Damit sollte die vermeintliche Affäre um Schokoladenhasen, die bei Karstadt als „Traditionshasen“ gekennzeichnet waren, persifliert werden.
Diesen Beitrag hatten die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, gerade zur Vorsitzenden einer neugegründeten AFD-nahen Stiftung gekürt, und einige AfD-Mitglieder in der Form skandalisiert, dass sie in dem Titel „Traditionshase“, eine Bezeichnung, die das Unternehmen Lindt seit jeher verwendet, als Unterwerfung unter den Islam bezeichneten.
Wie die Staatsanwaltschaft vier Strafanzeigen gegen die „heute Show“ wegen unzulässiger Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen beschieden hat, ist leider nicht bekannt.**
Bernd Brüntrup, mit Dank an Gerhard Stöcklin.
Wie immer können alle vollständigen Texte bei der Geschäftsstelle abgerufen werden
**Nachtrag: Die Staatsanwaltschaft Mainz hat zwischenzeitlich entschieden, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wie u.a. der Tagesspiegel berichtet.