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Presseschau Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief August 2018 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [August 2018]

Das Badische Tageblatt weist in der Ausgabe vom 28. Februar 2018 seine Leserschaft auf eine Veranstaltung am 9. März 2018 im Rastatter Kellertheater mit dem 80jährigen Schauspieler Klaus Winterhoff aus eben dieser Stadt hin, der Gedichte und Prosatexte von Kurt Tucholsky präsentiert. Die Zeitung belässt es aber nicht nur bei diesem Hinweis, sondern gibt im weiteren Text das Leben von Kurt Tucholsky wieder.
Unter anderem heißt es:

Seine polemische Feder mit Hohn, Spott und Boshaftigkeit zeigt den Mut und die Hartnäckigkeit eines engagierten Moralisten. Daneben gibt es aber auch den humorigen Feuilletonisten, den Autor heiterer Plaudereien, den Bänkelsänger Kurt Tucholsky.

In der Ausgabe vom 12. März 2018 berichtet die Zeitung dann ausführlich über die Veranstaltung. Nur ein Auszug:

Eine Stecknadel hätte man oft fallen hören, so gefesselt von den ausdrucksstark und mit großer sprachlicher Klarheit vorgetragenen Texten waren die Zuschauer. Neben vielen guten Gründen zu applaudieren gab es für sie auch viel zum Lachen, zum Beispiel bei dem Gedicht „Einigkeit und Recht und Freiheit“, dass nach Ansicht des Verfassers viele falsch verstehen und für das er daher den Refrain geschrieben hat: „Doof ist doof, da helfen keine Pillen!“

In dem Programmblatt zu dieser Veranstaltung, welches die Titel der 42 (!!) vorgetragenen Tucholskytexte enthält, ist noch ein Originalleserbrief von 1964 abgedruckt, der unserer Mitgliedschaft als historisches Zeitzeugnis nicht vorenthalten werden soll:

Brief von Prof. Dr. Adalbert Hermann* aus Kaiserslautern, vormals NSDAP, danach bis 1966 CDU-Abgeordneter, danach NPD-Abgeordneter an die Buchhandlung Schmidt:
Kaiserslautern, den 31. März 1964
Sehr geehrter Inhaber der Buchhandlung Schmidt!
Sie halten es für richtig an bevorzugter Stelle in Ihrer Auslage das Machwerk des Kurt Tucholsky „Deutschland, Deutschland über alles“ auszustellen und zu propagieren.
Ich nehme an, daß Sie wissen wer Tucholsky war. Er war Mitarbeiter der probolschewistischen „Weltbühne“ und fanatischer Anhänger eines sowjetischen Deutschland. Wenn Leute wie Tucholsky gesiegt hätten, dann hätten wir heute Zustände der Stacheldrahtzone des Ulbricht.
Ich habe, da ich in Kaiserslautern beschäftigt bin, im letzten Jahr verschiedentlich Bücher bei Ihnen gekauft. Ich werde das natürlich nicht mehr tun.
Kommen Sie mir bitte nicht mit Geistesfreiheit, Besudelung des eigenen Volkes und Nestbeschmutzung ist k e i n e Geistesfreiheit!
Unterschrift
*Name aus rechtlichen Gründen geändert

Die Zeit widmet in ihrer Ausgabe vom 15. März 2018 der Weltbühne anlässlich ihres ersten Erscheinens am 4. April 1918 eine ganze Seite (S. 21) unter dem fettgedruckten Originalschriftzug „Die Weltbühne. Republikaner ohne Republik“ und dem Untertitel „Weimars legendäre Wochenschrift wird hundert: Die „Weltbühne“ deckte auf, eckte an und wagte mehr Demokratie als vielen recht war. Bis heute scheiden sich an ihr die Geister.“
Der Autor, Alexander Gallus, lehrt Ideen- und Zeitgeschichte an der Technischen Universität Chemnitz und veröffentlichte 2012 im Wallstein Verlag sein Buch „Heimat Weltbühne“.
Es muss nicht betont werden, dass selbstverständlich Tucholsky mehrfach erwähnt und zitiert wird. Die Seite endet mit drei Fotos von Tucholsky, Ossietzky und Jacobsohn, jeweils versehen mit einer kurzen Charakterisierung, und einem Originaltitelblatt der Weltbühne.
Zu dem bekannten Foto „Tucholsky mit Pfeife und weißem Oberhemd“ heißt es:

Kurt Tucholsky (1890-1935) schreibt von 1913 an für die „Weltbühne“. Mit seinen scharfen Satiren wird er rasch zu ihrem bekanntesten Autor.“

Der Artikel endet wie folgt:

„Jungen Schriftstellern von heute“ wünschte Axel Eggebrecht noch Ende der siebziger Jahre eine vergleichbare „geistige Heimat“, doch schwant ihm, dass es eine solche Heimat nicht mehr gibt. So viel Wehmut hier anklingt: die Weimarer Weltbühne bleibt 100 Jahre nach ihrer Gründung mehr als ein Sehnsuchtsort. Denn nicht nur gibt es seit 1997 in Kleinstauflagen zwei Nachfolger, die ihren Geist wiederzubeleben versuchen – die linken Zweiwochenschriften Ossietzky und Das Blättchen.
Die Weltbühne hat auch an Kraft und Ausstrahlung nicht verloren. Bis heute müssen sich die kritische Intervention, die investigative Reportage und der ironische Spott an ihr messen lassen.

Anne Fromm befasst sich in der taz vom 23. April 2018 auf Seite 17 mit Oliver Welke und seiner freitagabends im ZDF ausgestrahlten „heute Show“ und beginnt wie folgt:

„Satire, heißt es ja immer mit Verweis auf Kurt Tucholsky, dürfe alles. „Die echte Satire ist blutreinigend“, schrieb Tucholsky 1919. „und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.“ Das scheint für ZDF-Zuschauer allerdings nur so lange zu gelten, wie sich die Satire vom Heiligsten, nämlich dem Christentum fernhält.

Anlass für ihren Kommentar war die Tatsache, dass in der „heute Show“ ein gekreuzigter Osterhase, aufgehängt an seinen langen Plüschohren, gezeigt worden war. Damit sollte die vermeintliche Affäre um Schokoladenhasen, die bei Karstadt als „Traditionshasen“ gekennzeichnet waren, persifliert werden.
Diesen Beitrag hatten die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, gerade zur Vorsitzenden einer neugegründeten AFD-nahen Stiftung gekürt, und einige AfD-Mitglieder in der Form skandalisiert, dass sie in dem Titel „Traditionshase“, eine Bezeichnung, die das Unternehmen Lindt seit jeher verwendet, als Unterwerfung unter den Islam bezeichneten.
Wie die Staatsanwaltschaft vier Strafanzeigen gegen die „heute Show“ wegen unzulässiger Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen beschieden hat, ist leider nicht bekannt.**

Bernd Brüntrup, mit Dank an Gerhard Stöcklin.

Wie immer können alle vollständigen Texte bei der Geschäftsstelle abgerufen werden

**Nachtrag: Die Staatsanwaltschaft Mainz hat zwischenzeitlich entschieden, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wie u.a. der Tagesspiegel berichtet.

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Presseschau Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief April 2018 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [April 2018]

In der Badischen Zeitung vom 20. November 2017 beginnt auf Seite 9 ein Kom­mentar von Thomas Hauser zu Leserbriefen, die er zuvor wegen eines Kom­mentars zu der Ermordung einer jungen Frau in Freiburg durch einen Flüchtling erhalten hat, mit einem Tucholsky-Zitat: „Ereignisse können irren, Zeitungen tun das nie, ätzte der große Satiriker Kurt Tucholsky vor 100 Jahren.“
Der von „Andere Zeiten e. V.“ herausgegebene Kalender 2017/18 zum Thema „Der andere Advent“ enthielt den Hinweis auf einen käuflich zu erwerbenden Magnetstreifen: „FREUNDSCHAFT, DAS IST WIE HEIMAT“ KURT TUCHOLSKY
„Tucholsky und Harfe“ war ein Bericht im Mindener Tageblatt, Nr. 4, vom 5. Ja­nuar 2018, Seite 1, überschrieben, dazu der Untertitel „Außergewöhnliches Konzert in Bad Hopfenberg“.
Ein stimmungsvolles Programm unter dem Motto „Harfenmusik und Textvorträ­ge“ gestaltete Gertraude Büttner aus Dipenau-Essern im Kursportsaal von Bad Hopfenberg.
Mit Harfenklängen aus der Renaissance (…) und dem Barock (…) bis hin zu in­ternationaler Folkmusik (…) war für jeden Geschmack des Publikums im gut be­suchten Kursportsaal etwas dabei.(…) Zur Auflockerung zwischen der Musik trug Gertraude Büttner heitere und ernste Texte von Rainer Maria Rilke (…), Erich Kästner (…) und Kurt Tucholsky („Park Monceau“) vor.“
Matthias Biskupek erinnert in der Zweiwochenschrift Ossietzky“, Heft 2, 27. Ja­nuar 2018, auf Seite 60ff. an den 70. Todestag von Karl Valentin, der im Februar 1948 just zu Rosenmontag in München verstorben ist.
„Er starb am Tag, da die närrische west- und süddeutsche Welt sich nicht zu las­sen weiß vor Spaß, am Rosenmontag. Schuld war die Erkältung(…).
Er hatte sich aber auch jene Krankheit zugezogen, die viele Satiriker und Humo­risten gegen Lebensende trifft, heißen sie nun Jonathan Swift oder Walter Meh­ring, Kurt Tucholsky oder Wilhelm Busch. Die Krankheit hat den Namen Resi­gnation.“
In derselben Ausgabe ist in der regelmäßigen Rubrik B e m e r k u n g e n unter der Überschrift Geklopfte Sprüche zu lesen:
„Von Kurt Tucholsky ist der Spruch überliefert: „Die Frauen haben es ja von Zeit
zu Zeit auch nicht leicht, wir Männer aber müssen uns rasieren.“ Das klingt, als ob der Mann geglaubt hat es gebe nur zwei Geschlechter.“ Günter Krone
In der Süddeutschen Zeitung findet sich regelmäßig auf Seite 4 eine Rubrik AK­TUELLES LEXIKON, in der Ausgabe vom 7. Februar 2018 zum Stichwort Pusteku­chen:
„Vorhersagen zur Bundespolitik sollte man sich in diesen Zeiten ja eigentlich
verkneifen. Unbeeindruckt davon zeigt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber. Zu den Anträgen, die beim Bundesverfassungsgericht gegen den SPD-Mitgliederentscheid über eine Koalition vorlagen, twitterte er: „Vorhersage Pustekuchen.“ Das lässt an eine Satire von Kurt Tucholsky denken, der einer Katze Fischköpfe herbeisehnt: „Son richtichen Kopp von nem Zanderchen – Pus­tekuchen!“
Dem Duden zufolge steht dieser Ausdruck umgangssprachlich für: „Das Gegen­teil, von dem, was man sich vorgestellt oder gewünscht hat, ist eingetreten.“
Ingrid Zwerenz bespricht in Ossietzky, Heft 3, 10. Februar 2018, S. 92f., die Au­tobiographie von Gregor Gysi und schreibt dazu u. a.:
„Während viele Zeitgenossen auf der Suche nach künstlichen oder außerirdi­schen Intelligenzen sind, schaut man besser nach bei Gregor Gysi, ein ähnlicher Charakter und Typ wie Kurt Tucholsky, beide tüchtige Juristen, sprachmächtig, geborene jüdische Berliner, ausgestattet mit unnachahmlicher Ironie, kongru­entem Witz und hochtourigem Humor. Differenzen sehe ich bei ihrem Urteil über Frauen, da hat Tucho mal einen Fehlgriff getan, als er formulierte: „Die Menschheit zerfällt in zwei Teile, einen männlichen der denken will, und einen weiblichen, der nicht denken kann.“ Hier bleibt einem etwas die Luft weg, und es tröstet auch nicht, dass er an anderer Stelle schrieb: „Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen.“
In einer Buchbesprechung von Eva Berger in der tageszeitung, Wochenendaus­gabe vom 10./11. Februar 2018, S. 15 (politisches Buch) taucht unser Namens­geber bereits im Untertitel auf: „Ein Berserker gegen Hitler, Weggefährte von Kurt Tucholsky und Joseph Roth: Mit der Schrift „Deutschland ist Caliban“ ist der große Polemiker Walther Rode wiederzuentdecken.“
Im Text heißt es dann weiter:
„Eine der ersten Streitschriften gegen Hitler und den Nationalsozialismus ist wiederzuentdecken: Walther Rodes „Deutschland ist Caliban“: (…) Walther Rode (geborener Rosenzweig) steht in einer Geistesreihe mit dem berühmten Literaten und Feuilletonisten der Zwischenkriegszeit von Kurt Tucholsky bis Joseph Roth und ist doch ein großer Unbekannter geblieben. (…)
Er schrieb es 1933 „zum Zeitvertreib“, während er darauf wartete (resignierend), dass Hitler „der Schlag trifft“.
Als gern gesehener Gast verkehrt er auch in Künstlerkreisen, in deren Mitte im
August 1934 zu früh und überraschend sein Herz aussetzt. Er ist 58 Jahre alt. Zu
diesem Zeitpunkt sind seine Schriften in vorauseilendem faschistischen Gehor­sam längst auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ein Jahr später begeht Tucholsky in Schweden Suizid, und Joseph Roth trinkt sich 1939 in Paris zu Tode. Keine Brüder im Geiste mehr da also, die an ihn hätten erinnern können. Die Nazis haben ganze deutsche Arbeit geleistet.“
In der Ausgabe des Ossietzky vom 24. Februar 2018, Heft 4, S. 116ff., befasst sich Christophe Zerpka unter dem Titel Solferino mit dem politischen Nieder­gang sowohl der französischen Sozialisten als auch Kommunisten und führt u. a. aus:
„Doch das links Blinken, rechts Abbiegen hat Tradition. Schon in der Weimarer
Republik lieferte Kurt Tucholsky diese hochaktuelle Beschreibung: „Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt: Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas. Vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahin gegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Ge­schäfte unter einem ehemals guten Namen.“
Die „taz-Berlin“ nahm den 80. Geburtstag von Klaus Staeck, studierter Jurist und bekannt geworden durch seine politischen Plakate und Postkarten, inzwi­schen mehr als 380, zum Anlass, ein Interview zu führen. Überschrift: „David hat eine reale Chance gegen Goliath.“ Auf die Frage von Pascal Beuker „Gibt es für Sie Grenzen der Satire?“ antwortete Klaus Staeck:
„Satire bleibt immer eine Gratwanderung. Aber ich kannte für mich immer die Grenzen, bis zu denen ich gehen konnte und wollte. Tucholskys Diktum „Satire darf alles“ habe ich deswegen stets noch zwei Worte hinzugefügt: „in Verant­wortung. Das ist mir wichtig.“ (taz, 27.02.18, S. 4f.)

Wie immer können alle vollständigen Texte bei der Geschäftsstelle abgerufen werden.

Bernd Brüntrup, mit Dank an Gerhard Stöcklin.

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Allgemein Presseschau Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief Dezember 2017 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [Dezember 2017]

Die Presseschau erscheint dieses Mal sogar mit Preisrätsel.
Ulrich Sander, Journalist, Buchautor und Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), fährt jeden Montag nach Wuppertal, um im Landesbüro der VVN-BdA nach dem Rechten zu sehen. In Ossietzky, Heft 16/2017, berichtet er in der Ausgabe vom 26. August 2017, S. 561ff., über eine Begegnung mit einem erblindeten Menschen am 19. Januar 2015 auf eben diesem Weg, die bei ihm zu verschiedensten Assoziatio­nen zum Wort »Blindsein« führt.
Sein Artikel beginnt wie folgt:

Augen in der Großstadt ist eines der schönsten Gedichte, die ich kenne. Es ist ein Gedicht von Kurt Tucholsky. Es heißt darin:

Du musst auf deinem Gang

durch Städte wandern;

siehst einen Pulsschlag lang

den fremden Andern.

Es kann ein Feind sein,

es kann ein Freund sein,

es kann im Kampfe dein

Genosse sein…

Es sieht hinüber

und zieht vorbei…

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider;

was da war?

Von der großen Menschheit ein Stück!

Vorbei, verweht, nie wieder.1

In der gleichen ossietzky-Ausgabe, diesmal Seite 579, sinniert Matthias Biskupek ironisch-satirisch über die Bedeutung bzw. Notwendigkeit von »Schnipseln«, mal auch »Aphorismen« oder sogar »geistreiche Sinnsprüche«. Natürlich darf bei so einer Betrachtung ein Hinweis auf den »größten Schnipsler aller Zeiten« (diese Bewertung stammt von dem Unterzeichner) – unseren Na­mensgeber – nicht fehlen.
Biskupek kriegt die entsprechende Kurve wie folgt:

Wir könnten an dieser Stelle den Text bis auf höchste Zinnen, also über alle Sinne Treiben, wollen aber doch nun endlich die Produktionsmethode von Aphorismen verraten. Man suche einen Text wie diesen und entnehme daraus folgendeAphorismen:

1. Auch Schnipsel können eine Seite füllen.

2. Langweilig ist noch nicht ernsthaft.

3. Auch geistreiche Sprüche benötigen ein Portal.

4. Wenn einer nichts gelernt hat, dann organisiert er. Wenn einer aber gar nichts gelernt und nichts zu tun hat, dann macht er Propaganda.

5. »Twittern« ist nur für Menschen mit abnehmendem Verstand

6. Wer lobt, wird selten nach seiner Aktivlegitimation gefragt.

7. Wer nicht gern nimmt, kann uns gern haben.

8. Erwarte nichts. Heute: das ist dein Leben.

9. Humor ruht oft in der Veranlagung von Menschen, die kalt bleiben, wo die Masse tobt, und die dort erregt sind, wo die meisten nichts dabei fin­den.

10. Er war eitel darauf, nicht eitel zu sein.

11. Er trug sein Herz in der Hand und ruhte nicht eher, bis sie ihm aus der Hand fraß.

12. Wann macht man aus der Gleichberechtigung endlich eine Gleichbe­richtigung?

Sie Sehen, wir haben im Nu ein Dutzend Aphorismen bei der Hand. Gewiss, die Nummern (…)* stammen von Kurt Tucholsky und wurden als Schnipsel in der Weltbühne 1931 und 1932 gedruckt.

*Nun das Preisrätsel.
Zuerst das Rätsel: Welche der obigen Aphorismen stammen von unserem Na­mensgeber?
Jetzt der Preis: Eine Essenseinladung mit Getränken bei dem Unterzeichner in Minden ohne Übernahme der Fahrt- und eventuellen Übernachtungskosten. Werden zusätzlich noch die Fundstellen richtig angegeben, gilt die Einladung zu den gleichen Konditionen auch für eine Begleitperson. Einsendeschluss ist der 6. Januar 2018, 24:00 Uhr.
Entscheidend ist im Zweifels­falle der Poststempel, aber nur falls eine #FreeDeniz-Briefmarke benutzt wird.
Bei mehreren richtigen Einsendungen hat allein der Unterzeichner ein Wahl­recht, mit wem er am liebsten dinieren möchte.
In der taz vom 4. November 2017 bespricht der Autor Helmut Höge ein Buch von Cat Warren, erschienen im Kynos-Verlag 2017: Der Geruch des Todes. Ein­sätze eines Leichenspürhundes unter der Überschrift: Drogen, Bomben, Leichen. Weil unser Geruchssinn verkümmert ist, trainie­ren wir Leichenspürhunde. Aber auch Bienen und Schimpansen haben eine feine Nase.

Und wie nicht anders zu erwarten, muss bei einem Buch über Hunde auch der spezielle »Hundefreund« Kurt Tucholsky zu Wort kommen.

Der englische Soldat Hugh Loftin verfasste 1917 – umgeben von toten Tie­ren und Menschen auf dem Schlachtfeld – ein Kinderbuch, das berühmt wurde: »Dr. Dolittle und seine Tiere«. Kurt Tucholsky schrieb: »Es kommt darin Jip, der Hund von Dr. Dolittle, vor, der sehr gut riechen kann. Einmal lag er auf dem Deck eines Schiffes und witterte, wo der verlorene Onkel wohl sein könnte (es war da ein Onkel verloren gegangen). Er stellte sich hin, zog die Luft ein und analysierte. Dabei murmelte er:Teer, spanische Zwiebeln, Petroleum, nasse Regenmäntel, zerquetschte Lorbeerblätter, brennender Gummi, Spitzengardinen, die gewaschen – nein, ich irre mich, Spitzengardinen, die zum Trocknen aufgehängt worden sind, und Füchse – zu Hunderten – junge Füchse – und Ziegelsteine‹, flüsterte er ganz leise, ›alte gelbe Ziegel, die vor Alter in einer Gartenmauer zerbröckeln; der süße Geruch von jungen Kühen, die in einem Gebirgsbach stehen; das Blei­dach eines Taubenschlags – oder vielleicht eines Kornbodens – mit darauf­liegender Mittagssonne, schwarze Glacéhandschuhe in einer Schreibtisch­schublade aus Walnussholz; eine staubige Straße mit Trögen unter Plata­nen zum Pferdetränken; kleine Pilze, die durch verfaultes Laub hindurch­brechen‹, und – und – und. Das ist nicht gemacht – das ist gefühlt«2, freu­te sich Tucholsky.

Bernd Brüntrup, mit Dank an Philipp Müller. Wie immer können alle vollständigen Texte bei der Geschäftsstelle abgerufen werden.

1 Theobald Tiger, AIZ (1930), Nr. 11; GA, Bd. 13, S. 97f.
2Peter Panter, Voss 10.12.1925; GA, Bd. 7, S. 540ff, 543

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Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief August 2017 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [August 2017]

Unter dem Motto

Entspanne dich. Lass dass Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.

hat erfreulicherweise das Café Tucholsky in der Kurt-Tucholsky-Straße 30a in Rheinsberg, direkt am See gelegen, wieder eröffnet. Von April bis Oktober täg­lich außer Dienstags von 12.00 bis 19.00 Uhr. info@tucholsky-cafe.de / Tel. 033931 34370
Auf eine Übernachtung warten die beiden schönen Dachgeschossferienwoh­nungen mit Seeblick »Wölfchen« und »Claire«.
Buchung der Ferienwohnung unter: Tel. 033931/3440 oder unter: http://bit.ly/2vG2okS bzw. http://bit.ly/2pzMNyA.
Das Mindener Tageblatt, Nr.126, vom 01.06. 17, S. 30, gratuliert unserem ersten Preisträger (1995) wie folgt:

Rebell, Poet
Konstantin Wecker wird 70
…Wecker heimste viele Preise ein, darunter die Medaille »München leuch­tet«, den Kurt-Tucholsky-Preis und mit Eugen Drewermann den Erich-Fromm-Preis.

In Hannover erscheint monatlich das Magazin Asphalt. Das Prinzip dieses Maga­zins lautet:

Asphalt-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Menschen mit brüchigen Bio­graphien. Irgendwann sind sie in ihrem Leben durch schwere Schicksals­schläge, Krankheiten oder traumatische Erlebnisse aus der Bahn geworfen worden. Heute versuchen sie, durch den Verkauf des Asphalt-Magazins ih­rem Leben wieder Struktur und Sinn zu verleihen. Viele sind oder waren wohnungslos. Sie kaufen das Asphalt-Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro. Asphalt ist eine gemeinnützige Hilfe-zur-Selbsthilfe-Ein­richtung und erhält keinerlei regelmäßige staatliche oder kirchliche Zu­wendung.

In der Juni-Ausgabe wird auf Seite 11 unter der Rubrik »Wer war eigentlich…WALDEMAR BONSELS?« das Leben dieses Mannes, der von 1880 bis 1952 lebte und unter anderem dadurch bekannt geworden ist, dass er das Buch »Biene Maja« schrieb, in dem er die Entwicklung Majas von der Anarchistin zu einem staatsbewussten Individuum, »vom Abenteurer zum Bürger«, so sein Biograph Bernhard Viel, aufzeigt.
Der Verfasser des Asphalt-Artikels, Gerd Schild, bezeichnet Bonsels als Anhänger des Kaiserreichs, Opportunisten und Antisemiten, wenn – soweit wieder der Biograph – wohl auch kein glühender Nazi-Anhänger. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten beschreibt der Verfasser wie folgt:

Will man Bonsels freundlich beschreiben, kann man ihn als Karrierist ab­tun, als einen begabten Schriftsteller, extrem fleißig und wandlungsfähig, der seinen Stil an eine erhoffte Leserschaft anpassen konnte. Er war ein Prahlhans, aber kein Dandy, denn Bonsels war ein fleißiger Autor. […] Er war beliebt, besonders im Bürgertum.
Ein stilbildender Autor war er nicht. Und den eitlen Schriftsteller hat es sicher arg gekränkt, als er etwa von Kurt Tucholsky für seine »Trostlitera­tur« verspottet wurde.

Unter der Überschrift »Tucholsky-Symposium Rheinsberg« berichtet unser lang­jähriges Vorstandsmitglied Wolfgang Helfritsch in Ossietzky, H. 12/17, S. 425ff., über eine Tagung in Rheinsberg unter anderem wie folgt:

Angejahrte Tucholsky-Fans und begeisterte Eleven des Opernfaches, Lite­raturwissenschaftler, Autoren, Komponisten, Publizisten und Satiriker tra­fen sich zur Begutachtung und Diskussion eines bisher einmaligen Projek­tes, das als Oper »Tucholskys Spiegel« am 21. Juli in der Kammeroper sei­ne Premiere erleben wird. Wenn sich dann nur einiges von der begeister­ten, nicht unkritischen Atmosphäre des Symposiums auf die Bretter über­trägt, ist der Erfolg vorprogrammiert […]
Am zweiten Konferenzabend wurde das Symposium durch ein eindrucks­volles musikalisches Programm bereichert. Die »Tour de Rheinsberg« startete in der »Musikbrennerei«, einer von Jane Zahn und dem Komponis­ten Hans-Karsten Raecke begründeten kleinen Aufführungsstätte für groß­artige Kunst. Vormals hatte das Haus anderen spirituellen Genüssen ge­huldigt (Schnapsbrennerei). Zahn und Raecke gestalteten »Musik für Kurt«. In Anlehnung an Bach und Eisler bis zu Heiner Müller verblüfften der Komponist und seine Solistin nicht nur durch eigene Kompositionen, sondern auch durch den Einsatz selbstentwickelter Instrumente wie der Orionharfe.

»Ins Gehirn des Monsters« ist ein Artikel im Mindener Tageblatt, Nr. 142, vom 22.06.17, S. 10, überschrieben, in dem der Komponist und Dirigent Manuel Rös­ler aus Berlin über seine Twittermonologe berichtet.
Dabei geht es in Anlehnung an die von Hans Eisler in den 20er-Jahren vertonten Zeitungsannoncen um Vertonung von Tweets des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. So hat Rösler einen Tweet gegen einen kritischen Fernsehmode­rator, für den Trump 22 Minuten brauchte, vertont, dabei auch die Recht­schreibfehler eingebaut und die Musik amerikanischer Nachrichten persifliert. In Röslers Augen verhält sich der amerikanische Präsident »wie ein 5-jähriger im Körper eines 71-jährigen«. Es heißt dann weiter:

Er [Rösler – B.B.] möchte in seinen Kompositionen weder als Verteidiger noch als Gegner des Präsidenten auftreten, obwohl er weiß, dass er nicht neutral sein kann. Privat sei er Gegner. Als »künstlerisches Ich« möchte er sich aber in das »Gehirn des Monsters« versetzen können, um zu ergrün­den, was den Mann eigentlich antreibt, oder, frei nach Tucholsky, ob es hinter dem Lärm, den er macht, einen Menschen gibt.

Hatte sich Tucholsky zu Lebzeiten häufig kritisch zur SPD geäußert, sind jetzt auch mal DIE GRÜNEN/Bündnis 90 »dran«, wenn auch nur in einem Leserbrief von Wolfgang Siedler, Berlin, in der Berliner taz vom 24./25.06.17, S. 33:
betr. »Perfekt inszeniert, tief verunsichert«, taz vom 19.6.17

Die Grünen sind in der Mitte angekommen. »In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod.« (Tucholsky) Wie viele Mittelwähler wohl grün wählen? Drei Prozent, fünf Prozent? Wir werden sehen!
Anmerkung: Ein weiteres Beispiel für eine Falschzuschrift. Tatsächlich stammt das Zitat vom barocken Epigrammatiker Friedrich von Logau (1605-1655).

In Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 28 vom 14.07.17, S. 28, wird unter der Über­schrift »Dufte!« für verschiedene Modeartikel, Accessoires und Kosmetika gewor­ben, die sich alle um den Tucholsky-Schnipsel

Das beste Gedächtnis hat bekanntlich die Nase

gruppieren. Ob Tucholskys Nase allerdings auch Bekleidungsstücke und Saft­pressen in sein Gedächtnis transportieren konnte, sei dahingestellt, könnte aber eventuell Interesse für ein neues Forschungsprogramm wecken.
Mein Dank gilt mal wieder unserem Mitglied Gerhard Stöcklin. Sämtliche Arti­kel sind wie immer über die Geschäftsstelle abrufbar.

Bernd Brüntrup

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Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief April 2017 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [April 2017]

In der Zeitschrift Volltext, Nr. 4/2016, S. 64, gibt die österreichische Literatur­kritikerin Daniela Strigl im Fragebogen Zum Geschäft der Literaturkritik heute gleich an erster Stelle ihrer Antwort zu Protokoll:
(Frage): Welche LiteraturkritikerInnen schätzen Sie am meisten? Für welche Qualitäten?
(Antwort): Tucholsky für seine Geradlinigkeit und seinen Humor
Das Veranstaltungsmagazin des Mindener Tageblattes titelte in der Ausgabe für den 5. bis 11. Januar 2017
Hommage an Kurt Tucholsky
Schauspieler erinnern mit einer Revue an das Leben des Schriftstellers
um auf die diesjährige (vorgezogene) Geburtstagsveranstaltung am 8. Januar 2017 hinzuweisen. Organisiert von den zahlreichen Mitglieder*innen unserer Gesell­schaft aus Minden und inhaltlich repräsentiert vom Ensemble der Tucholsky Büh­ne Minden hinzuweisen. Im Weiteren heißt es dann u. a.:
Die Theatergruppe führt eine Hommage auf, in Erinnerung an die Anfänge, gemischt mit dem Biographical KurtT, das sie 2006 gespielt hat. Mit Songs und Texten aus der Feder des Berliner Journalisten und Satirikers erzählt das sou­verän agierende Ensemble aus seinem Leben. Seine Mutter kommt zu Wort, seine Frau Else Weil und auch seine Geliebte Mary Gerold. Mit der Marien-Kantorin Anna Somogyi am Flügel und der Sängerin Susanne Spitzmüller hat sich die Gruppe zwei hervorragende Musikerinnen als Verstärkung geholt. Ihre Interpretation des Gedichts Der Graben geht zu Herzen.
Soweit der Vorbericht, der uns wie immer ein volles Haus bescherte. Nachzutragen ist, dass unser Vorsitzender Ian King zu Beginn die Besucher*innen begrüßte, der Unterzeichner den Abend moderierte, der Büchertisch großes Interesse fand und die Mindener Brigitte Rothert in unsere Gesellschaft eintrat (Näheres dazu im Be­richt des Schatzmeisters).
In Ossietzky Nr. 1, 7. Januar 2017, finden sich vor allem Nachrufe auf den am 15. Dezember 2016 verstorbenen Mitbegründer und Mitherausgeber Eckart Spoo, der auch unserer Gesellschaft ein steter Freund, hilfreicher Unterstützer und nimmer­müder Ratgeber war.
Im Nachruf von Otto Köhler, zusammen mit dem leider auch bereits verstorbenen Lothar Kusche Träger des Kurt-Tucholsky-Preises 2013, heißt es auf S. 28 u. a.:
Wir von Ossietzky halten uns an das Beispiel, das Eckart Spoo uns gab, als er vor 19 Jahren schrieb: »Wir müssen wenigstens hinsehen. Möglichst genau hinsehen. Und uns erinnern. Dazu verpflichtet uns die Tradition, für die der Name Ossietzky steht.« In seinem Sinne verurteilte Eckart Spoo »das unver­schämte Drängeln nach weltweiter militärischer ›Verantwortung‹« – dieses Or­well-Wort gab es damals schon, bevor dieser Bundespräsident Gauck es in den Mund nahm. Er verurteilte die »Aufmärsche gewalttätiger junger Nazis« vor allem in »Dresden« – damals jung, heute, zwanzig Jahre älter und noch gewalttätiger. Und auch daran hat sich nichts zum Besseren geändert: »der immer rabiatere Umgang mit Flüchtlingen wie mit den einheimischen Armen, das Ausräubern öffentlicher Einrichtungen, das Mitmachen der SPD, die sich bemüht, alles zu bestätigen, was Tucholsky einst bitter über sie geschrieben hat.«
Erhard Weinholz schreibt in Ossietzky, Nr. 3, 4. Februar 2017, S. 93ff., über die Veränderung des Bötzowviertels in Berlin unter der Überschrift Umstrittenes Gelände u. a.:
Als die Bezirksverwaltung die seit mehr als hundert Jahren bestehende Büche­rei in der Esmarchstraße schließen wollte, blieb es nicht bei Protesten. Stammbewohner und Zuzügler, Westler und Ostler besetzten die Bibliotheksräume, gründeten den Verein Pro Kiez als Träger und betreiben seit dem Sommer 2008 die Bibliothek ehrenamtlich. Das sagt sich so einfach, war aber mit einer Unzahl von Problemen und Konflikten verbunden; gesichert ist der Fortbestand der der Kurt-Tucholsky-Bibliothek bis heute nicht.
Anmerkung: Mitglieder*innen unserer Gesellschaft haben schon mehrfach Unter­stützungsaktionen für den Erhalt der nach unserem Namensgeber benannten Bi­bliothek organisiert bzw. sich daran beteiligt. Mit dem Verein „Pro Kiez“ verbindet uns eine Mitgliedschaft auf Gegenseitigkeit.
Auch das folgende Heft, Ossietzky Nr. 4, 18. Februar 2017, kommt nicht ohne unseren Namensgeber aus. Volker Bräutigam beginnt seinen kritischen Artikel über den Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz aus Würselen, in dessen Schatten sich nach Aussage von Schulz Aachen erst entwickeln konnte, unter der Über­schrift »St. Martin und St. Michael« mit einem Tucholsky-Zitat:
Die SPD – Sie wissen schon, Tucholsky: die »Hier können Familien Kaffee kochen«-Partei – hat mit Martin Schulz wieder einen »Hoffnungsträger«. Das verkünden ihre Offiziellen, ohne rot zu werden, mit dieser Farbe haben es die Sozialdemokraten ohnehin nicht mehr so.
Die Zweitausendeins-Läden sind Geschichte. 1969 gegründet, wurde der letzte Laden Ende 2016 geschlossen. Aber nicht die unter dem Titel Merkhefte alle vier Wochen versandten kleinformatigen Kataloge auf Dünndruckpapier.
Die Merkhefte werden nunmehr von der Frölich & Kaufmann Verlag u. Versand GmbH aus Berlin in Kooperation mit der Zweitausendeins-Versand-Dienst GmbH, jetzt ansässig in Leipzig, herausgegeben und kostenlos verschickt.
Das aktuelle Merkheft Nr. 311 März/April 2017 ziert ein Hund mit einer zu­sammengefalteten Zeitung im Maul. Geworben wird damit schon auf der Titelseite für
Kurt Tucholsky
Bissiges über den Hund. Mit Illustrationen von Klaus Ensikat. Seite 6
Auf Seite 6 erfährt die geneigte Leser*innenschaft dann mehr:
Der Hund als Untergebener. Bissiges über Hunde und ihre Halter. Il­lustration von Klaus Ensikat.
Kaum ein Text Kurt Tucholskys rief bei seinen Lesern eine derart aufge­brachte Reaktion hervor wie sein satirischer Aufsatz Traktat über den Hund aus dem Jahr 1927. Auch in anderen Prosastücken, Feuilletons und Gedichten, die hier erstmals gesammelt vorliegen, hat sich der bekennende Katzenfreund Tucholsky humorvoll mit dem nicht immer unproblematischen Verhältnis zwischen Herrn und Hund auseinandergesetzt: »Es scheint wirklich so, dass die meisten Menschen hierzulande einen Hund nur deshalb besäßen, um noch einen unter sich zu haben.«
[56 S., statt 19,95 als Sonderausgabe nur 9,95 €, Nr. 773590, Merkheft, Postfach 650634, 13306 Berlin – online unter merkheft.de]
Auf der gleichen Seite wird noch folgendes Buch beworben. »Die komischen deutschen Erzähler«:
Gerd Haffmans hat 119 Geschichten um die Wechselfälle des Lebens grup­piert und zum Lachen, Grinsen oder auch zu divertiertem Lippenkräuseln freigegeben. Geschichten u. a. von Wilhelm Busch, Heinz Erhardt, Franz Kafka, Erich Kästner, Mascha Kaléko, Loriot Thomas Mann, Harry Rowohlt, Kurt Tucholsky u.v.a.
[650 S., Lesebändchen, Fadenheftung, Leinen, Haffmanns Verlag, 19 €, Nr. 799840.]
Die Welt bewirbt in ihrer Ausgabe vom 28. Februar 2017 ganzseitig (S. 12) eine neue »alte« Zeitschrift mit der Überschrift:
Das ANALOGE muss sich radikalisieren.
Es folgt der Untertitel:
»Die Dame« war in der Weimarer Republik eine revolutionäre Zeitschrift. Jetzt kommt sie zurück an den Kiosk. Nicht als Retro-Artefakt, sondern als Ausru­fezeichen in der digitalen Welt.
Im Textteil heißt es dann weiter:
Nun erscheint bei Springer eine Zeitschrift, die nicht nur gedruckt wird, son­dern das auch noch besonders aufwendig. 1,5 Kilogramm wiegt sie, 292 Sei­ten hat sie, 15 Euro kostet sie. (…) Die Marke (…), die am 2. März an den Kiosk kommt, heißt Die Dame. Nicht irgendeine Dame, sondern eben Die Dame. Die Zeitschrift erschien zwischen 1912 und 1937 im Berliner Ullstein-Verlag. Für die Zeitschrift arbeiteten Autoren und Künstler wie Kurt Tuchols­ky, Hannah Höch, Tamara de Lempicka, Joachim Ringelnatz, Bertolt Brecht, Vicky Baum. Nach der Enteignung Ullsteins durch die Nazis ging die Zeit­schrift an den »Deutschen Verlag«, wo sie bis 1943 erschien. Mit dem Frauen­bild der Nazis hatte die Welt der Dame freilich nichts am eleganten Organza­hut. Ein »Zentralorgan der Intelligenz der Weimarer Republik« nennt Christi­an Boros, Kunstsammler, Unternehmer und Herausgeber der neu aufgelegten Dame die Zeitschrift.
Ein großes Dankeschön an unser Ehrenmitglied Wolfgang Helfritsch, der in Ossietzky Heft 5, vom 4. März 2017, S. 172f, seine Rezension eines äußerst le­senswerten Buches unter der Überschrift »Zwischen Nationalpreis und Misstrauen« wie folgt beginnt:
»Beim Barte des Proleten!« Da drückte mir doch im Umfeld der Tuchols­ky-Jahrestagung 2016 in Szczecin der Autor und Kabarettist Jürgen Klammer seine gleichnamige Dokumentation über die Berliner »Distel« in die Hand. Und die legte ich vor dem Auslesen nicht wieder aus derselben.
Jürgen Klammer: Beim Barte des Proleten – Geschichten aus dem Ka­barett-Theater Distel, selbstironieverlag, 272 Seiten, 34.90 €. Der Verlag freut sich über Direktbestellungen unter: info@selbstironieverlag.de. Bei dieser Gelegenheit, sozusagen als Pendant, der Hinweis auf die ebenso lesenswerte Autobio­grafie von Wolfgang Helfritsch: »In 80 Jahren durch drei Welten – Erinnerungen und Episoden aus einem kurzen Leben«, 463 Seiten, 24.80 €, Verlag Ille & Riemer 2015, ISBN 978-3-95420 009-2.
Mein Dank gilt diesmal auch Marc Reichwein, unserem neuen Jurymitglied. Sämtli­che Artikel sind wie immer über die Geschäftsstelle abrufbar.
Bernd Brüntrup

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Presseschau

Presseschau zum Tod von Gisela May

Gisela May, viele Jahre Ehrenmitglied der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, war eine der bedeutendsten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. Als Diseuse von Weltrang ist ihr Schaffen eng mit dem Werk Kurt Tucholskys verbunden.
Sehr vielfältig fielen die Würdigungen anlässlich ihres Todes am 2. Dezember 2016 aus. Wir versuchen hier einen Überblick zu geben, der selbstredend keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.
»Die May – wirklich einmalig« überschreibt Wolfgang Helfritsch, selbst Ehrenmitglied der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, seinen Nachruf im KTG-Rundbrief Dezember 2016.
Für Deutschlandradio Kultur sprach Britta Bürger mit der Schauspielerin Carmen-Maja Antoni über Gisela May, zusammengefasst unter dem Fazit »Ich habe immer ihre Haltung bewundert«.
Ebenfalls für Deutschlandradio Kultur verfasste Dirk Fuhrig einen umfangreichen Nachruf unter dem Titel »Von Mutter Courage zu „Muddi“«, auf den auch von der Internationalen Hanns-Eisler-Gesellschaft verwiesen wird.
Für die junge Welt zeichnete Frank-Burkhard Habel (seines Zeichens langjähriges Vorstandsmitglied der Kurt Tucholsky-Gesellschft) für den umfassenden Nachruf »Parteilichkeit, glaubwürdig« auf »eine der letzten großen Diseusen des literarischen Kabaretts« verantwortlich.
Für die ARD-tagesschau erstellte Tina Löhneysen vom rbb einen Beitrag, dessen Begleittext sich nachlesen lässt.

Der knapp 15minütige Film von Anne Kohlick »Keine sang Brecht wie sie – Abschied von Gisela May« für den rbb kann weiterhin auf der Website des Senders angesehen werden.
Er findet sich übrigens ebenso als eingebettes Video im Nachruf »Mutter Courage ist tot« von Oliver Kranz ebenfalls vom rbb.
Die dpa-Meldung findet sich in der Süddeutschen Zeitung, deren nichtsdestotrotz lesenswerten Beitrag man in derselben oder ähnlichen Form naturgmäß auch andernorts findet.
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb Simon Strauss eine Würdigung unter dem Titel »Brechts First Lady«.
Reinhard Wengierek hat seinen Nachruf für Die Welt mit »Der sozialistische Weltstar mit der Krawatte« betitelt.

Zwei Pole ihres Werkes erfasst die Überschrift »Muddi Courage«, die Lothar Heinke für seine Würdigung Gisela Mays im Tagesspiegel gefunden hat.
Etwas nüchterner formuliert dies Birgit Walter für die Berliner Zeitung, ihr Nachruf ist mit »Gegensätze gehörten zum Wesen dieser Diva« überschrieben.
Ihr Leben schlaglichtartig Revue passieren lässt Daland Segler für die Frankfurter Rundschau in seinem Nachruf »Die Stimme des Dichters«.
Kurz gehalten ist der Nachruf bei Theater der Zeit.
Für die Akademie der Künste, deren Mitglied Gisela May seit 1972 war, veröffentlichte deren Präsidentin Jeanine Meerapfel einen Nachruf.
In Der Freitag würdigte Magdalene Geisler unter dem Titel »Treuer Typus mit Pagenkopf« Leben und Werk Gisela Mays.
Den vermutlich ersten Nachruf veröffentlichte nachtkritik.de unter dem Titel »Die Stimme Brechts«.

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Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief Dezember 2016 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [Dezember 2016]

Nachzutragen ist zunächst aus einer kleinen, bereits 2015 im Selbstverlag von dem Mindener Autor, Kommunikationsdesigner, Werbetexter und Theatermacher Guido Meyer, Jahrgang 1964, herausgegebenen Samm­lung Seitenweise Weise Seiten. Ein Denkzettel aus dem Alltagsheim, 96 Seiten, gefüllt von der »ungebändigten Lust am Wort«; folgendes Gedicht (S. 19):

Neues aus Blöd am Rhein
Kästner, Erhard, Ringelnatz,
Tucholsky, Roth und Morgenstern,
schreiben sich `nen Kringelsatz
auf ihren Allerwertestern.
Fulminanz und Kohärenz,
Konsequenz und Trallala,
Heine, Rilke, Fallada.
Renitenz und Ignoranz,
glockenrein und silberhell,
Exzellenz und Ordonanz,
Goethes Faust auf Schillers Tell.
Rückzugswelt und Wunderorte
im Wiederbad der Wechselworte.

Dass insbesondere in Minden kaum eine literarische Veranstaltung, aus welchem Anlass auch immer, ohne Tucholsky auskommt, berichtet uns zu­verlässig das inzwischen allseits bekannte, weil häufig benannte, Mindener Tageblatt.
In der Ausgabe vom 9. Juli 2016 heißt es über eine Wasser-Spezial-Le­sung des Duos »Vorleserin und Er« vom Theater am Eck, gemeint sind An­nette Ziebecker und Detlev Schmidt, auf der historischen Schiffmühle un­ter anderem:

Mit »Das Ideal« von Kurt Tucholsky begann die Lesereise und das Pu­blikum musste gleich lernen, dass jedes Glück einen kleinen Stich hat. (S. 11)

Über eine Lesung des im Mindener Land bekannten Autors, Komponisten und Rezitators Frank Suchland berichtet die gleiche Zeitung wie folgt:

Liebe und Leben mit einem Schuss Humor
(…)Doch auch das Thema Liebe durfte an einem literarischen Abend natürlich nicht fehlen und deswegen stellte Frank Suchland abschlie­ßend noch einige thematisch passende Gedichte von Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz und anderen Autoren vor, die für viel Heiterkeit und manch einen nachdenklichen Moment sorgten und den literari­schen Abend für das sehr zufriedene Publikum perfekt  beendeten. (MT v. 3. August 2016, S. 4)

Unser Ehrenmitglied Wolfgang Helfritsch produziert seit langem fast zwei­wöchentlich Zuschrift(en) an die Lokalpresse, jeweils abgedruckt auf der letzen Seite des roten Ossietzky, Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft. In der Ausgabe 16/2016 vom 13. August 2016, S. 596, ist ein Leserbrief von Baldur Deutschländer (46), Praktikant, 09548 Deutsch-Einsiedel abgedruckt, in dem ihn Helfritsch u.a. folgendes schreiben lässt:

In der Ostthüringer Zeitung vom vorletzten Juli-Wochenende wurde darüber berichtet, dass sich die Eiche, »der deutscheste aller Bäume«, vom Eichen-Prozessionsspinner weitgehend erholt hat. (…) Und dass der Rhein der »deutscheste aller Flüsse« ist, wurde schon von unseren Altvorderen hervorgehoben (…). Jetzt frage ich mich aber, ob man die offensichtlich deutscheste aller Würdigungen auch auf andere Be­reiche übertragen kann, zum Beispiel auf Lebensmittel. Seinerzeit hat­te ja bereits Tucholsky seine deutschen Landsleute dazu aufgefordert, nur deutsche Zitronen zu kaufen (…).

Die tageszeitung widmet in ihrer Wochenendausgabe vom 20./21. August 2016 unserem Gründungsmitglied Beate Schmeichel-Falkenberg zu ih­rem 90. Geburtstag eine ganze Seite.
Zeit vergeht, das Herz vergisst ist das Interview mit Waltraud Schwab überschrieben, zu dem Gabriele Mittag eine fast halbseitige Farbaufnah­me beigesteuert hat, die die Jubilarin in ihrer riesigen Bibliothek zeigt und passend untertitelt ist: In den Bücherregalen: die Literatur des letzten Jahr­hunderts. Tucholsky wird in verschiedenen Passagen erwähnt:

(…) Drin: eine Wohnung voller Bücher. Dazu Grafiken und Drucke – viele hat ihr vor zwei Jahren verstorbener Mann gezeichnet. Beate Schmeichel-Falkenberg ist Fan all jener Schriftsteller und Schriftstelle­rinnen, die keine Jasager sind. Lange fand sie, Philipp Roth sei der Größte. Das sei dann aber abgeebbt. »Else Lasker-Schüler dagegen hat meine Dauerverehrung.« Von Tucholsky hat sie auch so gut wie jede Zeile gelesen. (…)
Die Überwindung der Krise: Schmeichel-Falkenberg war ungefähr 50, als die Depression kam, der Burn-out. Sie wurde frühberentet und fand zurück zur Literatur. Tucholsky, Else Lasker-Schüler – die Gesell­schaft für beide gründet sie mit und später auch die Organisation »Frauen im Exil«. (…)
Tucholsky: Sie sagt, er konnte die Dummheit der Nazis nicht aufhal­ten, aber demaskieren. Sie sagt, wir bräuchten viele Tucholskys heute, denn die Dummheit, nein: Verdummung ist wieder groß und auch die Nazis sind zahlreich.

Patrick Spät beschäftigt sich in der Zeit vom 26. Oktober 2016 unter der Überschrift Was ist das für 1 Job? mit der Sinnhaftigkeit von Beschäftigun­gen und formuliert im Untertitel: Oft müssen wir nur der Arbeit wegen ar­beiten – und verplempern Lebenszeit. Trotzdem wagt es kaum jemand, sinnentleerte Bullshitjobs zu kritisieren. Neben Henry David Thoreau be­zieht sich der Autor auch auf Kurt Tucholsky:

Es gibt, schrieb Tucholsky bereits 1931, eine »Überbelastung des ge­samten Industrie durch ein geradezu formidables Schreibwerk, das hinter dem Leerlauf der Staatsbürokratie um nichts zurücksteht. Was da an Pressechefs, Syndicis, Abteilungsleitern, Bürofritzen herumsitzt und Papierbogen voll schreibt, ohne auch nur das leiseste zu produ­zieren, das belastet uns alle. Aufgeblasen der Verwaltungsapparat.« Die Statistik gibt Tucholsky heute noch recht: Jeder dritte Lohnarbeiter hierzulande hält seinen Job für sinnlos.

Miriam Meckel, Chefredakteurin der Wirtschaftswoche, wird in turi2 edition3 von dem Interviewer Peter Turi am 30. Oktober 2016 gleich zu Beginn des Gesprächs mit einer Aussage von Kurt Tucholsky konfrontiert:

Miriam Meckel, Sie kennen wahrscheinlich das Zitat von Kurt Tuchols­ky: »Was die Lage der Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten.« Wer erklärt uns diese Verflochtenheit?
Kurt Tucholsky hat recht: Die Welt ist verflochten, die Globalisierung lässt sich nicht zurückdrehen. Ich glaube, niemand erklärt uns die Verflochtenheit ganz, weil sie so kompliziert, so komplex ist, dass man sie gar im Ganzen erklären kann. Aber viele versuchen es: Die Wissenschaft versucht es, die Ökonomen versuchen es und wir als Wirtschaftswoche natürlich auch.

In einer Sendung des Deutschlandradio vom 7. November 2016 zum 150. Geburtstag von Paul Lincke – Vater der Berliner Operette ist Albrecht Dümling, in früheren Jahren schon Referent bei einer Jahrestagung und einer Tucholsky-Geburtstagsveranstaltung in Minden, wie folgt zu hören:

Von Kurt Tucholsky verspottet
Doch Linckes Geschäftssinn rief auch Spott hervor. So schrieb Kurt Tucholsky 1914 im sozialdemokratischen Vorwärts:
»Und auch die Tonkunst ist allhier
da hinten trommelt am Klavier
für viele Pinke-Pinke
Paul Lincke.«

Ebenfalls am 7. November 2016 berichtete Lena Schneider in Potsdamer Neueste Nachrichten unter der Überschrift Rotzflecke auf barocker Archi­tektur über eine Diskussionsveranstaltung zum Thema »Stadt der Zukunft: Land in Sicht« in der Potsdamer Reithalle.
Und bei diesem Gegensatzpaar für Tucholskykenner*innen nicht überra­schend, begann sie ihren Bericht mit einer Bezugnahme auf Tucholsky:

Kurt Tucholsky, der urbane Experte für Träume und das Platzen dersel­ben, wusste schon 1927, wie die Dinge stehen. »Ja, das möchste«, heißt es in seinem Gedicht »Das Ideal«:
»Vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße`.« Wäre das nicht herr­lich, so ein unmittelbares Nebeneinander von Land und Stadt, die Vorteile der beiden Lebensweisen nur ein paar Schritte auseinander? Ja, das wäre es. Aber, auch das wusste Tucholsky schon: »Immer fehlt dir irgendein Stück.«

In der Ausgabe vom 9. November 2016 findet sich im Hamburger Abendblatt unter der Überschrift Von Kronen, Manuskripten und anderen Geschenken ein Bericht über die Ausstellung Die Gabe/The Gift im Litera­turmuseum in Marbach.

Marbach am Neckar. Der Weg, auf dem ein silbernes Krönchen ins Deutsche Literaturarchiv Marbach gelangte, beginnt mit einem Rätsel. Schriftsteller Ernst Toller, dem ein Hang zu schönen Frauen nachge­sagt wird, schenkte das kleine Schmuckstück Mary Tucholsky, Frau des bekannten Autors Kurt Tucholsky.
Ob die beiden Liebe, Verehrung oder Freundschaft verband, ist un­gewiss. Fest steht: Sie verschloss es sorgsam in einem Kuvert und gab es mit dem Nachlass Tucholskys nach Marbach. Dieses »Geschenk« schmückt das Plakat zur neuen Wechselausstellung »Die Gabe/The Gift«, die im Literaturmuseum der Moderne zu sehen ist.

(Anmerkung: Die Ausstellung ist seit dem 10. November 2016 bis zum 12. März 2017 zu sehen)
Am 9. November 2016 verstarb der Schauspieler Herbert Kromann im Al­ter von 86 Jahren nach langer, schwerer Krankheit in Fürstenfeldbruck. Florian J. Haaman würdigt in einem Nachruf, Süddeutsche Zeitung vom 14. November 2016, das Lebenswerk des Verstorbenen:

Herbert Kromann, Schauspieler und Dramaturg, war vor allem ein be­gnadeter Rezitator. In Weimar waren seine Vortragskünste genauso gefragt, wie in Rom und Paris. Vor 20 Jahren hatte es den gebürtigen Düsseldorfer nach Fürstenfeldbruck verschlagen. Schnell haben sich seine Vorträge im Haus 10 und dem Museum zum Publikumsmagne­ten entwickelt: Wenn Kromann Heine, Tucholsky, Kraus, Brecht, Käst­ner oder Goethe las, da wollte man einfach dabei sein.

Mein Dank gilt diesmal Steffen Ille aus Leipzig für viele »sachdienliche« Hinweise. Sämtliche Artikel sind wie immer über die Geschäftstelle abruf­bar.

Bernd Brüntrup

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Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief August 2016 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [August 2016]

Diesmal beginnt die wie immer keinesfalls vollständige Übersicht mit einem Ar­tikel im Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben, Heft 20, vom 20. Mai 2016, auf dessen Titelblatt die geneigte Leserin mehre Schweine verträumt bis ver­liebt anschauen – also nix für Vegetarier- oder Veganerinnen. Und was hat Tucholsky mit Schweinen zu tun? Natürlich nichts, außer – was wissenschaft­lich-historisch wohl (noch) nicht belegt ist – dass er möglicherweise gerne Schweinefleisch aß.

Jedenfalls findet sich auf Seite 98, die den thematischen Titel »Westfälische Köpfe« trägt, ein Artikel von Gisbert Strodress mit der Überschrift: »Er hat ein­fach drei Augen« und dem Untertitel »Der Fotograf Albert Renger-Patzsch (1987-1966) begann seine Karriere in Hagen und lebte mehr als zwei Jahrzehnte in Wamel am Möhnesee«. Im Text heißt es dann u. a.:

Einem größeren Publikum ist Renger-Patzsch nicht wegen seines Eintre­tens für Bäume und naturnahe Seeufer bekannt, sondern wegen seiner bahnbrechenden Art zu fotografieren. Seit den 1920er Jahren hatte er das »Licht-Handwerk« zu einer eigenständigen Kunstgattung weiterentwi­ckelt. Der Publizist Kurt Tucholsky nannte ihn seinen »Lieblingsmaler« […] Der Publizist Kurt Tucholsky schrieb, Renger-Patzsch sei kein »süßlicher Frauenfotograf, kein ›Malerischer‹, kein Stilfatzke – der Mann hat einfach drei Augen: zwei im Kopf, mit denen er den Bildausschnitt sieht und die Linse im Kasten.

Unser Mitglied Karl-Heinz Meilwes aus dem bäuerlich-landwirtschaftlich ge­prägten Vorort Mindens mit dem völlig assoziationsfreien Namen »Todtenhau­sen«, der diese Fundstelle eingesandt hat, hat recherchiert und herausgefun­den, dass Tucholsky in einem am 16. Oktober 1927 in der Vossischen Zeitung erschienenen Artikel über eine kleine Ausstellung von Fotografien in Paris be­richtet und in diesem Zusammenhang auch den Namen Renger-Patzsch er­wähnt.1

Die Tucholsky in dem obigen »Schweineblatt« – dies ist ausnahmsweise und ausdrücklich nicht despektierlich gemeint – zugeschriebenen Äußerungen über Renger-Patzsch finden sich allerdings nicht in diesem Zeitungsartikel, sondern in: Peter Panter, Weltbühne v. 18.12. 1928, »Das schönste Geschenk«2. Bei die­sem Artikel handelt es sich um eine Besprechung des bei Kurt Wolff in Mün­chen erschienenen Bildbandes von Renger-Patzsch »Die Welt ist schön«. In die­ser Besprechung heißt es neben den obigen Zitaten u. a.:

Nun liegt endlich von meinem Lieblingsphotographen Alber Ren­ger-Patzsch ein Band mit hundert Photos vor […]. Das ist das Beste vom Bes­ten. […] Von diesem Buch kann man schwer loskommen. […] Am schönsten sind die Pflanzen und die Aufnahmen, auf denen nichts ist als Stoff, Masse, Körper – das, was man anfassen kann, was man mit den Sinnen wahrneh­men, spüren, streicheln kann. Wollbündel und Schuhleisten, kleine Näpf­chen und Holz – die Materie ist so beseelt; das hat wohl noch nie ein Pho­tograph fertig bekommen. […] Renger-Patzsch hat uns zu Weihnachten das schönste Buch von allen geschenkt.

Ganz ärgerlich ist dagegen die nächste »Fundstelle«. Ein aufmerksamer Berliner Bürger hat uns voller Empörung einen Flyer von »BärGiDa e.V. i.G« zugeschickt, den er zufällig am 21. Juni 2016 am Bahnhof Friedrichstraße (U-Bahn) gefunden hat. Dieser Flyer ruft zu einer montäglichen Demonstration auf, in der gegen die Islamisierung Deutschlands und die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundes­regierung protestiert (ehrlicher wäre wohl: gehetzt- [B. B.]) werden soll. Infa­merweise ist folgendes Zitat abgedruckt:

»In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist als viel ge­fährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.« Kurt Tucholsky

Vor falschen Freunden kann man sich halt nicht schützen.

Wir haben dem Einsender als Dank das von unserer Gesellschaft herausgegebe­ne Buch: »Kurt Tucholsky. Die Zeit schreit nach Satire« geschenkt.

Ralph Hartmann beginnt seinen Artikel über die aktuelle Situation in der Ukrai­ne in Ossietzky, Nr. 13, 18. Juni 2016, S. 477, mit der Überschrift: »Lerne Lachen ohne zu weinen« und endet auch mit diesem Buchtitel unseres Namensgebers:

Und im Februar 2016 versprach Präsident Poroschenko erneut eine Rück­gabe derSchwarzmeer-Halbinsel Krim und Sewastopols an die ukraini­schen Bürger. Dieser »schwierige und aussichtsreiche Prozess« habe be­reits begonnen. Ob ihmAnders Fogh Rasmussen diese Zuversicht eingeflö­ßt hat? Mittlerweile ist derehemalige NATO-Generalsekretär, einer der übelsten Scharfmacher in der Heerschar der Russophoben, »Sonderbera­ter« des ukrainischen Präsidenten. Darüber kann schon nicht mehr gelacht werden, oder man hält sich an den Titel des 1931 erschienenen letzten Bu­ches von Kurt Tucholsky: »Lerne lachen ohne zu weinen.«

Leider ist die tageszeitung (taz) aus Berlin innerhalb von vier Tagen zweimal ei­nem Irrtum erlegen und hat ein erneutes Beispiel für die missliche Tatsache der falschen Zitatzuschreibung geliefert.

In der Ausgabe vom 14. Juli 2016 befasst sich Johanna Roth auf Seite 14 unter der Überschrift »Lass das mal den Siggi machen«, mit der Rolle von Wirt­schaftsminister Sigmar Gabriel bei der Fusion der Supermartketten EDEKA und Kaiser’s Tengelmann und vergleicht den Vizekanzler mit »Stromberg« aus der gleichnamigen ProSieben-Serie.

Man schämt sich fremd bis zum Anschlag, muss aber trotzdem hysterisch kichern – hauptsächlich deswegen, weil jeder auch im echten Leben so einen Stromberg kennt. Der sich durchs Leben tölpelt und beim Lachen grunzt. Vor allem aber verkörpert Stromberg eine große Tucholsky-Wahr­heit: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Nur eben, dass er es selbst hauptsächlich gut mit sich selbst meint.

Vier Tage später, in der Ausgabe vom 18. Juli 2016, S. 14, setzt sich Nemi El-Hassan in ihrer Kolummne »Hilfe, ich bin weiß. Wie schief es gehen kann, wenn man es ›nur gut‹ meint und sich mit denen solidarisieren will, die Rassismus er­leben« mit einer falsch verstandenen Solidarität einer deutschen Christin, weiß und gebildet, auseinander.

Meistens meinen Weiße es tatsächlich »nur gut« und wollen sich mit denen, die Rassismus ausgesetzt sind, solidarisieren. Dabei vergessen sie allerdings den gesellschaftlichen, historischen und politischen Kontext von Rassismus. Hautfar­be zählt, sehr sogar. Ein Kopftuch auch. Anders als ein Kreuz am Hals. Kurt Tucholsky sagte übrigens einmal: »Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.«

»Spezialist« für falsche Zitatzuschreibungen ist nach wie vor unser Mitglied Friedhelm Greis, der schon vor Jahren einen Buchpreis ausgesetzt hat, falls je­mand für die von ihm gesammelten Falschzitate eine Fundstelle in Tucholskys Lebenswerk finden sollte (siehe insoweit auch: Sudelblog.de – Das Weblog zu Kurt Tucholsky)3

Mein Dank gilt diesmal Karl-Heinz Meilwes aus Minden-Todtenhausen. Sämtli­che Artikel sind wie immer über die Geschäftsstelle abrufbar.

Bernd Brüntrup

Dieser Beitrag erschien im Rundbrief der Kurt Tucholsky-Gesellschaft August 2016.

1»Altes Licht« in: Tucholsky Gesamtausgabe Band 9, [T 137], S. 544-547

2Tucholsky Gesamtausgabe Band 10, [T 221], S. 622f.

3Siehe hierzu die auf Friedhelm Greis‘ Arbeit aufbauende Rubrik auf der Website der Kurt Tucholsky-Gesellschaft.