Meine Damen und Herren,
Liebe Mitglieder der Kurt Tucholsky-Gesellschaft,
Verehrte Jury,
ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, hier vor Ihnen zu stehen. Kurt Tucholsky! Literarische Publizistik! Und mittendrin ich. Und dann diese Vorrede! Thomas, vielen Dank!
Lassen Sie mich Ihnen gleich zu Beginn beichten, wie aufregend diese Sache für mich ist.
Die erste Nachricht vom Kurt Tucholsky-Preis erreicht mich vor sechs Wochen. Ich saß in der Straßenbahn in Düsseldorf, neben mir mein Sohn, von Kopf bis Fuß in Bayern-Rot gekleidet. Wir kamen gerade von seinem Fußball-Training. Ich las die E-Mail von Ihrem Vorstand Steffen Ille, dann stiegen wir um.
Und fuhren in die falsche Richtung. Der erste, der das merkte, war nicht ich. Meine Frau rief an, und fragte mich, wo wir bleiben. So schnell kommt man als Preisträger zurück auf den Boden der Tatsachen.
Natürlich habe ich mich in Vorbereitung auf diesen Tag gefragt, wie es mich hierher verschlagen konnte. Ich entstamme keiner Literatenfamilie. Meine Mutter war einmal Kinderkrankenschwester, mein Vater Maler. Keine Leinwände, Raufasertapeten. Nun wollte ich zwar nicht Handwerker werden. Aber bis mich Mitte 20 die Geldnot dazu trieb, einen Artikel zu schreiben, hatte ich an den Beruf Journalist auch keinen Gedanken verschwendet.
Dabei hatte ich alle Gelegenheit dazu. Es war der 9. November 1989. Ich weiß, was Sie jetzt denken. Ein historisches Datum. Aber für mich war dieser Tag damals einfach Donnerstag. Der Tag in der Woche, an dem mein Judo-Training bis 22:00 Uhr dauerte. Ich duschte, fuhr zurück mit der S21 aus Hamburg-Stellingen nach Hamburg-Altona.
Zwei Stunden zuvor hatte die Tagesschau berichtet, die DDR habe ihre Grenzen geöffnet. Ich bekam davon nichts mit. Es gab kein Twitter, keine News-Alerts. Es gab keine Handys. Zuhause angekommen, stürzte ich mich auch nicht auf den Fernseher, sondern auf den Kühlschrank.
Am nächsten Morgen schaltete ich das Radio ein. „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben gestern Abend die Nationalhymne gesungen“. Das hörte ich, und dachte, ich hätte mich verhört.
Zwei Tage später reiste ich mit meinem Geschichte-Leistungskurs nach Ost-Berlin. Ein paar Wochen danach bestiegen wir einen der Sonderzüge von Hamburg nach Dresden. Auf dem Bahnhof empfingen uns Tausende. Eine Blaskapelle spielte, wildfremde Menschen drückten uns Blumen in die Hände, umarmten uns. Und hier, im Elbflorenz, begegnete ich Kurt Tucholsky.
Es war ein blonder Engel, der mir den Namensgeber Ihrer Gesellschaft näherbrachte. Sie hieß Sabine. Während die Weltgeschichte um uns wogte, schlossen wir Freundschaft. Im April 1990 schenkte sie mir etwas von Kurt Tucholsky. Die Geschichten von Rheinsberg und Schloss Gripsholm.
Sie alle wissen, was für ein Schatz dieses Buch ist. Diese federleichten Sätze. Dieser Anmut. Ich möchte hier nicht lügen. Habe ich mir damals gesagt: „Ach, so willst du auch einmal schreiben!“
Nein. Ich habe dieses und später andere Bücher von Tucholsky nur gelesen. Nur genossen. Aber natürlich stelle ich mir gern vor, dass er mein Ansporn war. Besonders heute.
Tatsächlich bin ich ja aus einem ganz bestimmten Grund hier. Meine Kollegen beim Handelsblatt, allen voran Thomas Tuma in der ersten Reihe, sind außerordentliche Kollegen. Vor fünf Jahren haben wir in Düsseldorf ein neues Ressort gegründet. Investigative Recherche. Und was soll ich Ihnen sagen. Wenn wir unsere Arbeit schlecht machen, gibt es Ärger. Wenn wir sie gut machen, gibt es Ärger.
Verstehen Sie das bitte nicht als Beschwerde. Wir haben auch Spaß bei der Arbeit. Als Rudi Völler für den Stromanbieter Teldafax warb, schrieben wir, Teldafax sei seit einem Jahr überschuldet und würde von einem Betrüger aus dem Gefängnis heraus geführt. Die Affäre kostete Völlers Verein 13 Millionen Euro.
Ein anderes Mal nahm sich das Handelsblatt die Ergo Versicherung vor. Auftakt war ein Reisebericht über eine Motivationsveranstaltung für Versicherungsvertreter in Budapest. Es ist der einzige Artikel, mit dem ich es bis ins Haus der Geschichte geschafft habe. Die Ausstellung „Schamlos, Sexualmoral im Wandel der Zeit“ zeigte die farbigen Armbändchen, mit denen die Versicherung damals in der Gellert-Therme die Prostituierten von den Hostessen trennte. Es musste ja alles seine Ordnung haben.
Es waren lehrreiche Wochen. Viel mehr Rechercheaufwand als für den Badespaß der Verkäufer steckte ich in die falschen Abrechnungen für Riester-Verträge. Es ist wahr: die Resonanz auf die Budapest-Geschichte war ungleich größer. Aber immerhin: Tausende von Rentenverträgen wurden nachträglich korrigiert und die Kunden entschädigt.
Einsicht ist meist nicht die erste Reaktion der Menschen, über die wir schreiben. Bei einem steinreichen Finanzinvestor wiesen wir Insiderhandel nach. Die Folge: Sechs Verfahren an drei verschiedenen Gerichten. Nicht gegen den Finanzinvestor. Gegen das Handelsblatt.
Als alle scheiterten, betrieb der Mann ein strafrechtliches Privatklageverfahren gegen einen Kollegen und mich. Sein Anwalt schrieb dem Gericht von einer „besonderen Schwere der Tat“ und der deshalb gebotenen „doppelten Strafschärfung“. Er hielt fünf Jahre Gefängnis für angemessen.
Aber das ist der Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern. Hier sind inhaftierte Journalisten allenfalls Phantasien der Mächtigen. In der Türkei sitzen in dieser Stunde mehr als 150 Kollegen tatsächlich hinter Gittern. Ich verneige mich also vor dem Mut von Deniz Yücel und all den anderen, die ihren Job mit ihrer Freiheit bezahlt haben. Wissend, wie viel besser es mir geht.
Ich bin frei. So frei, dass ich vor gut einem Jahr in das Büro von Thomas Tuma gehen konnte, und von diesen Slumbewohnern in Hongkong erzählte, die ich gern treffen wollte. Die Schutzengel von Edward Snowden. Menschen, deren Geschichte im Getümmel um den US-Spion unentdeckt geblieben war.
Sie mögen sich erinnern: Anfang Juni 2013 schlugen fast im 24 Stunden Takt journalistische Bomben auf dem Globus ein. Der britische Guardian berichtete über unvorstellbar weitgreifende Spitzelaktivitäten der US-Nachrichtendienste. Jede E-Mail wurde mitgelesen. Jede besuchte Webseite protokolliert. Die Amerikaner konnten die Kameras unserer Laptops anzapfen, und die Mikros unserer Telefone. Ohne gerichtliche Genehmigung. Ohne, dass wir es merkten.
Am 9. Juni 2013 bekam die Enthüllungswelle ein Gesicht.
Der Mann, der die größten Geheimnisse des größten Geheimdienstes der Welt verriet, stellte sich vor eine Kamera. Ich schrieb noch an jenem Abend meinem Chefredakteur: „Der ist doch verrückt. Snowden ist ab morgen der meistgesuchte Mann der Welt.“
Die nächsten Tage waren nicht besonders angenehm für mein Team. Ohne die Dateien, die Snowden aus dem Hochsicherheitstrakt mitgenommen hatte, konnten wir seine Informationen nicht überprüfen. Und denen, die Snowden sie geben wollte, hatte er sie schon gegeben.
Was soll ich Ihnen sagen. Manchmal hat man Glück. 2015 wurde ich auf einen walisischen Investmentbanker aufmerksam. Der Mann hatte nicht nur einmal in seine Karriere, sondern gleich zweimal einen Milliardenschaden angerichtet. Trotzdem durfte er weitermachen – immer zu fürstlichem Gehalt. Ich nahm die Spur auf.
Dabei traf ich einen Anwalt. Robert Tibbo. Neun Monate später saß ich Tibbo im Mira Hotel in Hongkong gegenüber.
Es war dasselbe Hotel, in dem Edward Snowden 2013 Weltgeschichte schrieb. Und Tibbo war der Mann gewesen, der ihn aus diesem Hotel herausbugsiert hatte.
Ich gebe zu: Drei Jahre lang war mir diese Lücke in der Geschichte von Edward Snowden selbst gar nicht aufgefallen. Dabei ist der Moment auf Film festgehalten.
In der Oscar-gekrönten Dokumentation „Citizenfour“ von Laura Poitras sehen wir Snowden, wie er am Morgen des 10. Juni 2013 in seinem Hotelzimmer in Hongkong nachdenkt.
Snowden steht still in der Mitte des Raumes. Es scheint, als suche er nach einem Halt. Doch er findet keinen. Die Journalisten, mit denen er die Tage zuvor verbrachte, sind fort. Die Filmemacherin Poitras ist geblieben. Doch sie filmt nur, sie hilft nicht. Snowden ist auf sich allein gestellt. Er öffnet die Tür. Dann verschwindet der Amerikaner.
Zwei Wochen lang suchte der gesamte US-Geheimdienst, jeder Polizist in Hongkong und jeder Journalist in der Stadt nach Edward Snowden. Keiner fand ihn. Erst am 23. Juni 2013 sah die Welt ihn wieder – am Flughafen von Hongkong. Snowden verschwand durchs Gate, in der Hand ein Ticket nach Moskau. Der Spion war entwischt.
Robert Tibbo war der Mann, der dieses Entwischen arrangierte. Ein Menschenrechtsanwalt in Hongkong. Er kam zum Fall Snowden wie die Jungfrau zum Kinde.
Wie gesagt: Ich brauchte ungefähr neun Monate, um den Anwalt davon zu überzeugen, dass er gerade mir gerade dieses Stück verschwundener Zeitgeschichte erklärte. Ja mehr noch: dass er mich zu den Menschen führte, die Snowdens Entkommen erst möglich machten.
Sie heißen Ajith, Nadeeka, Supun und Vanessa.
Vier Flüchtlinge, die im hässlichen Schatten der reichsten Stadt der Welt leben. Hongkong akzeptiert nur 0,3 Prozent der Flüchtlinge, die sich um Asyl bewerben. Asylverfahren, oder das, was man dort so nennt, dauern regelmäßig länger als zehn Jahre.
Alle vier Flüchtlinge, die ich besuchte, hatten eine furchtbare Geschichte zu erzählen. Von Verfolgung, Vergewaltigung, Folter. Und dann erzählten sie, wie eines Abends Edward Snowden vor ihren Türen stand.
Der Menschenrechtsanwalt Tibbo hatte in allerhöchster Zeitnot einen tollkühnen Plan entwickelt. Er versteckte den Amerikaner dort, wo ihn keiner suchen würde: bei den Ärmsten der Armen. Unter Asylbewerbern, mitten in Hongkong. Und tatsächlich: Vier Menschen, die kaum genug hatten, um selbst zu überleben, gaben Snowden das, was er am Dringendsten brauchte: Sicherheit und Vertraulichkeit.
Snowden beschrieb mir dies später so:
Es kommt zu einem zauberhaften Moment. Hinter dir schließt sich eine Tür. Und all der Lärm, all die Gefahr bleibt auf der anderen Seite dieser Tür. Ich werde diesen Moment nie vergessen.
Zwei Wochen lang schlief Edward Snowden in den Betten seiner Helfer. Im Schutze der Dunkelheit wechselte er die Verstecke. Die Flüchtlinge gaben ihm zu essen, kauften ihm neue Unterwäsche und feierten mit Snowden seinen 30. Geburtstag. Ihre Kinder sangen ihm etwas vor.
Snowden war das nicht ganz geheuer. In seinen Worten:
Mir war unwohl wegen der Umstände, die sich die Flüchtlinge meinetwegen machten. Sie versuchten, mir anderes Essen zu kochen als das, was sie selbst aßen. Und da half kein Protest von mir. Ich konnte nicht anders, als mich schuldig zu fühlen. Und da sich die Flüchtlinge auch unter den widrigsten Umständen weigerten, Geld von mir zu nehmen, musste ich auch das anders lösen. Ich musste das Geld so in der Wohnung verstecken, dass sie es erst nach meiner Abreise finden würden.
Meine eigene Zeit in Hongkong verging wie im Rausch. Noch im Flugzeug schrieb ich meine ersten Sätze. Wir veröffentlichten die Geschichte im September 2016. Dann passierte etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Leser meldeten sich. Sie wollten den Menschen helfen, die Snowden geholfen hatten.
Nun gab keine Adresse, an die ich diese Leser weiterleiten konnte. Die Flüchtlinge hatten kein Konto. Tibbo waren aus juristischen Gründen die Hände gebunden. Wenn nicht schnell etwas geschah, würde die Spendenbereitschaft ins Leere laufen und versiegen.
Selbst ist der Journalist. Ich richtete eine Crowd-Funding-Seite im Internet ein.
Prompt twitterte Snowden den Link und innerhalb weniger Tage kamen 10.000 Euro zusammen.
Der Schauspieler Joseph Gordon-Levitt, der Snowden in Oliver Stones neuem Film verkörperte, hörte von der Aktion. Er drehte er ein kleines Video, mit dem er seinerseits zu Spenden aufrief.
Jetzt griffen Medien aus aller Welt die Story über Snowdens Schutzengel auf. In Toronto versuchte eine Gruppe von Menschenrechtsanwälten, ihnen zu Asyl in Kanada zu verhelfen. Die erste Reaktion aus dem zuständigen Ministerium ließ sehr hoffen.
Im Dezember 2016 war ich Gast beim Chaos Computer Club in Hamburg.
Auf dem Jahreskongress erzählte ich die Geschichte von Snowdens Fluchthelfern. Seinen Anwalt brachte ich mit, Schutzengel Vanessa wurde per Videoschalte in den Saal geholt. Am Ende standen 2000 schwarz gekleidete Hacker auf und spendeten ihr tosenden Applaus.
Das klingt jetzt alles nach einem Happy End. Aber Thomas Tuma hat es Ihnen schon berichtet: Die Geschichte hat eine Wende zum Schlechteren genommen. Mehr als zehn Jahre lang waren die Asylanträge der Schutzengel in Hongkong unbearbeitet. Dann wurden sie plötzlich im Schnelldurchlauf abgelehnt. Und in Kanada hat sich noch immer nichts bewegt.
Die Kinder der selbstlosen Retter von Edward Snowden, Keana, Sethumdi und Dinath, sind noch immer staatenlos. Ihr eigener rechtlicher Status ist unsicherer denn je. Ich wünschte, ich könnte daran etwas ändern. Aber ich kann es nur beschreiben.
Ich bin froh, in einem Land zu arbeiten, in dem das möglich ist. Und für eine Zeitung, die ihre Journalisten dazu ermutigt.
Lassen Sie sich nicht täuschen. Unser „Handelsblatt“ mag einen spröden Namen tragen. Und tatsächlich erinnere ich mich an die erste Reaktion meines früheren Chefs, als ich ihm sagte, ich hätte ein Angebot aus Düsseldorf. „Was? Zum Handelsblatt wollen Sie? Mit Ihrer Schreibe?“
Ich glaube nicht, dass er diese Frage noch einmal stellen würde. Schon gar nicht seit heute.
Thomas, vielen Dank dafür! Und vielen Dank, liebe Kurt Tucholsky-Gesellschaft!
Kategorie: Jahrestagung 2017
Edward Snowden und die NSA, das Elend der Globalisierung und die Macht der Internet-Riesen – eine Mahnung an die digitale Gegenwart.
Die Laudatio auf den Preisträger Sönke Iwersen hielt Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur des Handelsblattes.
Sie wurde unter dem Titel »Würde Tucholsky twittern?« im Handelsblatt veröffentlicht und ist dort nachzulesen.
Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft vergibt den mit 5.000 € dotierten Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik an den Journalisten Sönke Iwersen, Leiter Investigative Recherche beim Handelsblatt.
Sönke Iwersen, geboren 1971 in Hamburg, arbeitete zunächst als freier Journalist für FAZ, Hamburger Abendblatt und Berliner Zeitung, absolvierte die Axel Springer Journalistenschule und trat dann in die Wirtschaftsredaktion der Stuttgarter Zeitung ein. Seit 2006 ist er Redakteur des Handelsblatts in Düsseldorf, seit 2012 leitet er dort das in jenem Jahr gegründete Investigativ-Team, das seitdem mit zahlreichen Journalistenpreisen ausgezeichnet wurde. Iwersen wurde auch persönlich vielfach für seine Arbeit geehrt, unter anderem mit dem Henri Nannen Preis, zwei Wächterpreisen und dem Georg von Holtzbrinck Preis für Wirtschaftspublizistik.
Sein Dossier Edward Snowden – Schutzengel ganz unten verbindet investigative Rercherche mit der Empathie der literarischen Reportage. Gerade in dieser Verbindung aus engagiertem, aufklärerischem Journalismus und literarischer Qualität liegt der Geist des Werkes Kurt Tucholskys, dessen Tradition zu bewahren Ziel des Kurt Tucholsky-Preises ist.
Die Begründung der Jury:
In seinem Dossier Schutzengel – ganz unten verbindet Sönke Iwersen investigative Rercherche mit der Empathie der literarischen Reportage.
Iwersen bereiste einen Ort, der in der global thematisierten Snowden-Affäre erstaunlich unbesehen blieb: Er besuchte die Wohnsilos von Hongkong, in denen der Whistleblower Edward Snowden im Juni 2013 für zwei Wochen Unterschlupf fand.
Sprachlich prägnant und dramaturgisch pointiert gibt Iwersen den vier Asylsuchenden, die Snowden trotz eigener prekärer Lage Schutz boten, einen Namen und eine Herkunft. Und er gibt ihnen Würde, indem er in wechselnder Perspektive darlegt, was sie in die so genannte illegale Migration trieb.
Iwersens im Handelsblatt veröffentlichte Reportage steht beispielhaft dafür, wie auch eine Wirtschaftszeitung die dunkelsten Nischen der Globalisierung ausleuchten kann.
Der Blick hinter die Fassaden Hongkongs verknüpft unser Zeitalter weltweiter Aus- und Einwanderung mit einer unbekannten Episode der Snowden-Affäre.
Diese Verquickung im Zeitalter weltweiter Überwachung ist engagiert, originell, aufklärerisch – und deshalb preiswürdige Publizistik in bester Tradition Kurt Tucholskys.
Die Preisvergabe findet als Höhepunkt und Abschluss der diesjährigen Jahrestagung »Tucholsky, Die Weltbühne und Europa« der Kurt Tucholsky-Gesellschaft am 22.10. 2017 im Theater im Palais Berlin statt. Als Laudator wird Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur beim Handelsblatt, sprechen.
Snowden‘s Guardian Angels
Die von Sönke Iwersen in seinem ausgezeichneten Dossier porträtierten Helfer Snowdens sind zwischenzeitlich selbst in Not geraten und haben ihre Zuflucht in Hongkong verloren. Sie benötigen nun selbst Hilfe und Unterstützung.
Informationen hierzu sind zu finden im Artikel »Snowdens Schutzengel fürchten um ihr Leben« von Sönke Iwersen im Handelsblatt und bei der Kampage For the refugees.
Weitere Informationen:
- Die zugehörige Pressemitteilung [pdf]
- »Edward Snowden – Schutzengel ganz unten« von Sönke Iwersen, Handelsblatt vom 7.9.2016
- Die Begründung der Jury [pdf]
- Laudatio für Sönke Iwersen von Thomas Tuma
- Dankesrede von Sönke Iwersen
- Sönke Iwersen in der Wikipedia
- Die bisherigen Preisträger
Seit mehreren Wochen sitzt der Kurt Tucholsky-Preisträger Deniz Yücel nun bereits in Haft. Ein Schicksal, das er mit über 150 Kolleg_innen teilt.
Inzwischen in Isolationshaft, wurde der Einspruch gegen seine Haft von den zuständigen Gerichten abgewiesen. Wir sehen diese Entwicklung mit großer Sorge, insbesondere, da wir weiterhin der festen Überzeugung sind, dass die Deniz Yücel vorgeworfenen Straftaten jeglicher Grundlage entbehren.
Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass in seinem Fall – wie auch in zahlreichen anderen Fällen – versucht wird, unbequeme Gegenstimmen gegen den derzeitigen Kurs der türkischen Regierung verstummen zu lassen.
Umso dankbarer sind wir für die zahlreichen, bunten und vielfältigen Protest- und Solidaritätsaktionen, die derzeit in Deutschland und Europa die Freilassung der inhaftierten Journalist_innen fordern.
Wir begrüßen zudem die klare und deutliche Distanzierung von jeglichen »Nazi-Methoden« durch den türkischen Präsidenten. Bekanntermaßen gehörte die Bekämpfung von publizistischen Gegenstimmen durch konstruierte Vorwürfe unter Wahrung des rechtsstaatlichen Anscheins zu den von den Nationalsozialisten bereits unmittelbar nach der Machtübernahme verwendeten Methoden. Kurz: Indem man Journalismus zum Verbrechen erklärte. Kurt Tucholskys Nachfolger als Herausgeber der Weltbühne, der überzeugte Pazifist und spätere Nobelpreisträger Carl von Ossietzky starb an den Folgen dieser Praxis.
Mithin dürfen wir also davon ausgehen, dass sich die gegen Deniz Yücel erhobenen Vorwürfe in Kürze in einem fairen und rechtsstaatlichen Prozess als vollkommen haltlos erweisen werden und vielmehr festzustellen ist, dass er seiner journalistischen Arbeit und Pflicht nachgekommen ist. Und Journalismus ist kein Verbrechen.
Wir laden Deniz Yücel als Ehrengast zur diesjährigen Verleihung des Kurt-Tucholsky-Preises am 22. Oktober im Theater im Palais ein und freuen uns auf seinen sicher grandiosen Beitrag.
Der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft
Weitere Informationen:
Kurt Tucholsky-Gesellschaft
Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft wurde 1988 gegründet, um dem facettenreichen »Phänomen Tucholsky« nachzuspüren. Sie will als literarische Vereinigung die Beschäftigung mit Leben und Werk Kurt Tucholskys pflegen und fördern und hat ihren Sitz in Tucholskys Geburtsstadt Berlin. Als Publikationsorgan der Kurt Tucholsky-Gesellschaft erscheint dreimal im Jahr ein Rundbrief. Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft gibt zudem eine eigene Schriftenreihe heraus, in der vorrangig die Dokumentationen der von ihr organisierten wissenschaftlichen Tagungen erscheinen. Den jährlichen Höhepunkt der Vereinstätigkeit bilden Tagungen mit wissenschaftlichen Kolloquien, Vorträgen, Exkursionen und kulturellen Veranstaltungen. Aller zwei Jahre vergibt sie den Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik.
Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik
Aus Anlass des 60. Todestages von Kurt Tucholsky wurde 1995 der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik gestiftet. Alle zwei Jahre werden mit ihm engagierte deutschsprachige Publizisten oder Journalisten ausgezeichnet, die der »kleinen Form« wie Essay, Satire, Song, Groteske, Traktat oder Pamphlet verpflichtet sind und sich in ihren Texten konkret auf zeitgeschichtlich-politische Vorgänge beziehen.
Ihre Texte sollen im Sinne Tucholskys der Realitätsprüfung dienen, Hintergründe aufdecken und dem Leser bei einer kritischen Urteilsfindung helfen.
Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch eine fünfköpfige Jury; das Preisgeld beträgt seit dem Jahr 2015 5.000 € (bis 2013: 3.000 €).
Jury-Begründung zur Verleihung des Kurt-Tucholsky-Preises 2011 an Deniz Yücel
In seiner Kolumne »Vuvuzela«, die während der Fußballweltmeisterschaft 2010 erschien, hat Yücel sowohl den deutschen Spießer als auch die deutsche Spießerin auf angenehme Art entlarvt. Dabei übersteigert er bewusst das nationalistische Element, riskiert lustige Wortspiele sowie einen überdeutlichen Stimmungsumschwung nach der deutschen Niederlage (»Gurkentruppe….«) Das wäre vielleicht peinlich, wenn so etwas nicht den Lebensinhalt der Sportseiten im Boulevard bildete. Deniz Yücel hat sich Tucholskys Maxime zu eigen gemacht, der 1919 geschrieben hatte: »Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird.«
Jahrestagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft 2017
Die Jahrestagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft steht im Jahr 2017 unter dem Thema »Tucholsky, Die Weltbühne und Europa«.
Die Tagung vom 20.-22. Oktober 2017 an der Humboldt-Universität zu Berlin widmet sich historischen und zeitgenössischen Dimensionen des Europa-Bildes und sucht dabei insbesondere nach Anknüpfungspunkten im Werk Tucholskys.
Als Abschluss und Höhepunkt der Tagung wird am 22. Oktober 2017 im Theater im Palais der Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik verliehen.
#Freedeniz
Neben der bewundernswürdigen Berichterstattung in zahlreichen deutschen Medien, insbesondere bei der ehemaligen publizistischen Heimat Yücels die tageszeitung und seiner aktuellen publizistischen Heimat DIE WELT sei beispielhaft auf die Solidaritätsseite des Freundeskreises Freedeniz verwiesen, die Berichte, Aktionen und Veranstaltungen bündelt.
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»Tucholsky, ›Die Weltbühne‹ und Europa«
Für die wissenschaftliche Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft (KTG) im Oktober 2017 in Berlin lädt die KTG junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein, ihre Diplom-, Master-, Examensarbeiten oder Dissertationen zum oben genannten Thema, zu Kurt Tucholsky oder anderen Autoren des Weltbühnekreises in einem 20-minütigem Vortrag einem breiteren Publikum vorzustellen und in einen interdisziplinären Diskurs zu treten.
Die Vortragenden erhalten Gelegenheit, ihre Thesen und Forschungsergebnisse zu diskutieren. Es besteht die Möglichkeit, die Beiträge im Dokumentationsband zur Tagung zu publizieren.
Bitte senden Sie bis 15. Juni 2016 ein Exposé (ca. 200 Worte) und einen Kurzlebenslauf an Dr. Ian King, 1. Vorsitzender der Kurt Tucholsky-Gesellschaft per eMail an: king@tucholsky-gesellschaft.de oder per Post an:
Kurt Tucholsky-Gesellschaft e.V.
Geschäftsstelle
Besselstraße 21/II
32427 Minden
Weitere Informationen erhalten Sie beim Tagungsleiter Dr. Ian King unter king@tucholsky-gesellschaft.de
Für die wissenschaftliche Tagung im Oktober 2017 in Berlin unter dem Thema »Tucholsky, ›Die Weltbühne‹ und Europa« ruft die Kurt Tucholsky-Gesellschaft zu Beiträgen auf.
Interessierte Beitragende sind dabei explizit eingeladen, neben historischen literatur- und kulturwissenschaftlichen Themen auch gegenwärtige Fragestellungen zu berücksichtigen.
Ein Vortrag soll 30-45 Minuten dauern, um jeweils Fragen und Diskussion zu ermöglichen.
Die Beiträge erscheinen anschließend in einem Tagungsband in der Schriftenreihe der Kurt Tucholsky-Gesellschaft.
Bitte senden Sie bis zum 15. Juni 2016 ein Exposé Ihres Themas und ihres Ansatzes (ca. 200 Worte) sowie einen Kurzlebenslauf an Dr. Ian King, 1. Vorsitzender der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, per email an: king@tucholsky-gesellschaft.de oder per Post an:
Kurt Tucholsky-Gesellschaft e. V.
Geschäftsstelle
Besselstraße 21/II
32427 Minden
Eine publikationsfähige Ausarbeitung (inkl. vollständigen Anmerkungen und Zitat-nachweisen) sollte bis zum 31.12. 2017 vorliegen.
Ein Honorar wird gezahlt. Weitere Informationen erhalten Sie beim Tagungsleiter Dr. Ian King unter king@tucholsky-gesellschaft.de
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