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Presseschau Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief April 2018 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [April 2018]

In der Badischen Zeitung vom 20. November 2017 beginnt auf Seite 9 ein Kom­mentar von Thomas Hauser zu Leserbriefen, die er zuvor wegen eines Kom­mentars zu der Ermordung einer jungen Frau in Freiburg durch einen Flüchtling erhalten hat, mit einem Tucholsky-Zitat: „Ereignisse können irren, Zeitungen tun das nie, ätzte der große Satiriker Kurt Tucholsky vor 100 Jahren.“
Der von „Andere Zeiten e. V.“ herausgegebene Kalender 2017/18 zum Thema „Der andere Advent“ enthielt den Hinweis auf einen käuflich zu erwerbenden Magnetstreifen: „FREUNDSCHAFT, DAS IST WIE HEIMAT“ KURT TUCHOLSKY
„Tucholsky und Harfe“ war ein Bericht im Mindener Tageblatt, Nr. 4, vom 5. Ja­nuar 2018, Seite 1, überschrieben, dazu der Untertitel „Außergewöhnliches Konzert in Bad Hopfenberg“.
Ein stimmungsvolles Programm unter dem Motto „Harfenmusik und Textvorträ­ge“ gestaltete Gertraude Büttner aus Dipenau-Essern im Kursportsaal von Bad Hopfenberg.
Mit Harfenklängen aus der Renaissance (…) und dem Barock (…) bis hin zu in­ternationaler Folkmusik (…) war für jeden Geschmack des Publikums im gut be­suchten Kursportsaal etwas dabei.(…) Zur Auflockerung zwischen der Musik trug Gertraude Büttner heitere und ernste Texte von Rainer Maria Rilke (…), Erich Kästner (…) und Kurt Tucholsky („Park Monceau“) vor.“
Matthias Biskupek erinnert in der Zweiwochenschrift Ossietzky“, Heft 2, 27. Ja­nuar 2018, auf Seite 60ff. an den 70. Todestag von Karl Valentin, der im Februar 1948 just zu Rosenmontag in München verstorben ist.
„Er starb am Tag, da die närrische west- und süddeutsche Welt sich nicht zu las­sen weiß vor Spaß, am Rosenmontag. Schuld war die Erkältung(…).
Er hatte sich aber auch jene Krankheit zugezogen, die viele Satiriker und Humo­risten gegen Lebensende trifft, heißen sie nun Jonathan Swift oder Walter Meh­ring, Kurt Tucholsky oder Wilhelm Busch. Die Krankheit hat den Namen Resi­gnation.“
In derselben Ausgabe ist in der regelmäßigen Rubrik B e m e r k u n g e n unter der Überschrift Geklopfte Sprüche zu lesen:
„Von Kurt Tucholsky ist der Spruch überliefert: „Die Frauen haben es ja von Zeit
zu Zeit auch nicht leicht, wir Männer aber müssen uns rasieren.“ Das klingt, als ob der Mann geglaubt hat es gebe nur zwei Geschlechter.“ Günter Krone
In der Süddeutschen Zeitung findet sich regelmäßig auf Seite 4 eine Rubrik AK­TUELLES LEXIKON, in der Ausgabe vom 7. Februar 2018 zum Stichwort Pusteku­chen:
„Vorhersagen zur Bundespolitik sollte man sich in diesen Zeiten ja eigentlich
verkneifen. Unbeeindruckt davon zeigt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber. Zu den Anträgen, die beim Bundesverfassungsgericht gegen den SPD-Mitgliederentscheid über eine Koalition vorlagen, twitterte er: „Vorhersage Pustekuchen.“ Das lässt an eine Satire von Kurt Tucholsky denken, der einer Katze Fischköpfe herbeisehnt: „Son richtichen Kopp von nem Zanderchen – Pus­tekuchen!“
Dem Duden zufolge steht dieser Ausdruck umgangssprachlich für: „Das Gegen­teil, von dem, was man sich vorgestellt oder gewünscht hat, ist eingetreten.“
Ingrid Zwerenz bespricht in Ossietzky, Heft 3, 10. Februar 2018, S. 92f., die Au­tobiographie von Gregor Gysi und schreibt dazu u. a.:
„Während viele Zeitgenossen auf der Suche nach künstlichen oder außerirdi­schen Intelligenzen sind, schaut man besser nach bei Gregor Gysi, ein ähnlicher Charakter und Typ wie Kurt Tucholsky, beide tüchtige Juristen, sprachmächtig, geborene jüdische Berliner, ausgestattet mit unnachahmlicher Ironie, kongru­entem Witz und hochtourigem Humor. Differenzen sehe ich bei ihrem Urteil über Frauen, da hat Tucho mal einen Fehlgriff getan, als er formulierte: „Die Menschheit zerfällt in zwei Teile, einen männlichen der denken will, und einen weiblichen, der nicht denken kann.“ Hier bleibt einem etwas die Luft weg, und es tröstet auch nicht, dass er an anderer Stelle schrieb: „Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen.“
In einer Buchbesprechung von Eva Berger in der tageszeitung, Wochenendaus­gabe vom 10./11. Februar 2018, S. 15 (politisches Buch) taucht unser Namens­geber bereits im Untertitel auf: „Ein Berserker gegen Hitler, Weggefährte von Kurt Tucholsky und Joseph Roth: Mit der Schrift „Deutschland ist Caliban“ ist der große Polemiker Walther Rode wiederzuentdecken.“
Im Text heißt es dann weiter:
„Eine der ersten Streitschriften gegen Hitler und den Nationalsozialismus ist wiederzuentdecken: Walther Rodes „Deutschland ist Caliban“: (…) Walther Rode (geborener Rosenzweig) steht in einer Geistesreihe mit dem berühmten Literaten und Feuilletonisten der Zwischenkriegszeit von Kurt Tucholsky bis Joseph Roth und ist doch ein großer Unbekannter geblieben. (…)
Er schrieb es 1933 „zum Zeitvertreib“, während er darauf wartete (resignierend), dass Hitler „der Schlag trifft“.
Als gern gesehener Gast verkehrt er auch in Künstlerkreisen, in deren Mitte im
August 1934 zu früh und überraschend sein Herz aussetzt. Er ist 58 Jahre alt. Zu
diesem Zeitpunkt sind seine Schriften in vorauseilendem faschistischen Gehor­sam längst auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ein Jahr später begeht Tucholsky in Schweden Suizid, und Joseph Roth trinkt sich 1939 in Paris zu Tode. Keine Brüder im Geiste mehr da also, die an ihn hätten erinnern können. Die Nazis haben ganze deutsche Arbeit geleistet.“
In der Ausgabe des Ossietzky vom 24. Februar 2018, Heft 4, S. 116ff., befasst sich Christophe Zerpka unter dem Titel Solferino mit dem politischen Nieder­gang sowohl der französischen Sozialisten als auch Kommunisten und führt u. a. aus:
„Doch das links Blinken, rechts Abbiegen hat Tradition. Schon in der Weimarer
Republik lieferte Kurt Tucholsky diese hochaktuelle Beschreibung: „Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt: Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas. Vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahin gegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Ge­schäfte unter einem ehemals guten Namen.“
Die „taz-Berlin“ nahm den 80. Geburtstag von Klaus Staeck, studierter Jurist und bekannt geworden durch seine politischen Plakate und Postkarten, inzwi­schen mehr als 380, zum Anlass, ein Interview zu führen. Überschrift: „David hat eine reale Chance gegen Goliath.“ Auf die Frage von Pascal Beuker „Gibt es für Sie Grenzen der Satire?“ antwortete Klaus Staeck:
„Satire bleibt immer eine Gratwanderung. Aber ich kannte für mich immer die Grenzen, bis zu denen ich gehen konnte und wollte. Tucholskys Diktum „Satire darf alles“ habe ich deswegen stets noch zwei Worte hinzugefügt: „in Verant­wortung. Das ist mir wichtig.“ (taz, 27.02.18, S. 4f.)

Wie immer können alle vollständigen Texte bei der Geschäftsstelle abgerufen werden.

Bernd Brüntrup, mit Dank an Gerhard Stöcklin.

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Allgemein Presseschau Publikationen der Kurt Tucholsky-Gesellschaft Rundbrief Dezember 2017 Rundbriefe Tucholsky im Spiegel

Tucholsky im Spiegel [Dezember 2017]

Die Presseschau erscheint dieses Mal sogar mit Preisrätsel.
Ulrich Sander, Journalist, Buchautor und Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), fährt jeden Montag nach Wuppertal, um im Landesbüro der VVN-BdA nach dem Rechten zu sehen. In Ossietzky, Heft 16/2017, berichtet er in der Ausgabe vom 26. August 2017, S. 561ff., über eine Begegnung mit einem erblindeten Menschen am 19. Januar 2015 auf eben diesem Weg, die bei ihm zu verschiedensten Assoziatio­nen zum Wort »Blindsein« führt.
Sein Artikel beginnt wie folgt:

Augen in der Großstadt ist eines der schönsten Gedichte, die ich kenne. Es ist ein Gedicht von Kurt Tucholsky. Es heißt darin:

Du musst auf deinem Gang

durch Städte wandern;

siehst einen Pulsschlag lang

den fremden Andern.

Es kann ein Feind sein,

es kann ein Freund sein,

es kann im Kampfe dein

Genosse sein…

Es sieht hinüber

und zieht vorbei…

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider;

was da war?

Von der großen Menschheit ein Stück!

Vorbei, verweht, nie wieder.1

In der gleichen ossietzky-Ausgabe, diesmal Seite 579, sinniert Matthias Biskupek ironisch-satirisch über die Bedeutung bzw. Notwendigkeit von »Schnipseln«, mal auch »Aphorismen« oder sogar »geistreiche Sinnsprüche«. Natürlich darf bei so einer Betrachtung ein Hinweis auf den »größten Schnipsler aller Zeiten« (diese Bewertung stammt von dem Unterzeichner) – unseren Na­mensgeber – nicht fehlen.
Biskupek kriegt die entsprechende Kurve wie folgt:

Wir könnten an dieser Stelle den Text bis auf höchste Zinnen, also über alle Sinne Treiben, wollen aber doch nun endlich die Produktionsmethode von Aphorismen verraten. Man suche einen Text wie diesen und entnehme daraus folgendeAphorismen:

1. Auch Schnipsel können eine Seite füllen.

2. Langweilig ist noch nicht ernsthaft.

3. Auch geistreiche Sprüche benötigen ein Portal.

4. Wenn einer nichts gelernt hat, dann organisiert er. Wenn einer aber gar nichts gelernt und nichts zu tun hat, dann macht er Propaganda.

5. »Twittern« ist nur für Menschen mit abnehmendem Verstand

6. Wer lobt, wird selten nach seiner Aktivlegitimation gefragt.

7. Wer nicht gern nimmt, kann uns gern haben.

8. Erwarte nichts. Heute: das ist dein Leben.

9. Humor ruht oft in der Veranlagung von Menschen, die kalt bleiben, wo die Masse tobt, und die dort erregt sind, wo die meisten nichts dabei fin­den.

10. Er war eitel darauf, nicht eitel zu sein.

11. Er trug sein Herz in der Hand und ruhte nicht eher, bis sie ihm aus der Hand fraß.

12. Wann macht man aus der Gleichberechtigung endlich eine Gleichbe­richtigung?

Sie Sehen, wir haben im Nu ein Dutzend Aphorismen bei der Hand. Gewiss, die Nummern (…)* stammen von Kurt Tucholsky und wurden als Schnipsel in der Weltbühne 1931 und 1932 gedruckt.

*Nun das Preisrätsel.
Zuerst das Rätsel: Welche der obigen Aphorismen stammen von unserem Na­mensgeber?
Jetzt der Preis: Eine Essenseinladung mit Getränken bei dem Unterzeichner in Minden ohne Übernahme der Fahrt- und eventuellen Übernachtungskosten. Werden zusätzlich noch die Fundstellen richtig angegeben, gilt die Einladung zu den gleichen Konditionen auch für eine Begleitperson. Einsendeschluss ist der 6. Januar 2018, 24:00 Uhr.
Entscheidend ist im Zweifels­falle der Poststempel, aber nur falls eine #FreeDeniz-Briefmarke benutzt wird.
Bei mehreren richtigen Einsendungen hat allein der Unterzeichner ein Wahl­recht, mit wem er am liebsten dinieren möchte.
In der taz vom 4. November 2017 bespricht der Autor Helmut Höge ein Buch von Cat Warren, erschienen im Kynos-Verlag 2017: Der Geruch des Todes. Ein­sätze eines Leichenspürhundes unter der Überschrift: Drogen, Bomben, Leichen. Weil unser Geruchssinn verkümmert ist, trainie­ren wir Leichenspürhunde. Aber auch Bienen und Schimpansen haben eine feine Nase.

Und wie nicht anders zu erwarten, muss bei einem Buch über Hunde auch der spezielle »Hundefreund« Kurt Tucholsky zu Wort kommen.

Der englische Soldat Hugh Loftin verfasste 1917 – umgeben von toten Tie­ren und Menschen auf dem Schlachtfeld – ein Kinderbuch, das berühmt wurde: »Dr. Dolittle und seine Tiere«. Kurt Tucholsky schrieb: »Es kommt darin Jip, der Hund von Dr. Dolittle, vor, der sehr gut riechen kann. Einmal lag er auf dem Deck eines Schiffes und witterte, wo der verlorene Onkel wohl sein könnte (es war da ein Onkel verloren gegangen). Er stellte sich hin, zog die Luft ein und analysierte. Dabei murmelte er:Teer, spanische Zwiebeln, Petroleum, nasse Regenmäntel, zerquetschte Lorbeerblätter, brennender Gummi, Spitzengardinen, die gewaschen – nein, ich irre mich, Spitzengardinen, die zum Trocknen aufgehängt worden sind, und Füchse – zu Hunderten – junge Füchse – und Ziegelsteine‹, flüsterte er ganz leise, ›alte gelbe Ziegel, die vor Alter in einer Gartenmauer zerbröckeln; der süße Geruch von jungen Kühen, die in einem Gebirgsbach stehen; das Blei­dach eines Taubenschlags – oder vielleicht eines Kornbodens – mit darauf­liegender Mittagssonne, schwarze Glacéhandschuhe in einer Schreibtisch­schublade aus Walnussholz; eine staubige Straße mit Trögen unter Plata­nen zum Pferdetränken; kleine Pilze, die durch verfaultes Laub hindurch­brechen‹, und – und – und. Das ist nicht gemacht – das ist gefühlt«2, freu­te sich Tucholsky.

Bernd Brüntrup, mit Dank an Philipp Müller. Wie immer können alle vollständigen Texte bei der Geschäftsstelle abgerufen werden.

1 Theobald Tiger, AIZ (1930), Nr. 11; GA, Bd. 13, S. 97f.
2Peter Panter, Voss 10.12.1925; GA, Bd. 7, S. 540ff, 543

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Presseschau

Presseschau zum Tod von Gisela May

Gisela May, viele Jahre Ehrenmitglied der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, war eine der bedeutendsten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. Als Diseuse von Weltrang ist ihr Schaffen eng mit dem Werk Kurt Tucholskys verbunden.
Sehr vielfältig fielen die Würdigungen anlässlich ihres Todes am 2. Dezember 2016 aus. Wir versuchen hier einen Überblick zu geben, der selbstredend keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.
»Die May – wirklich einmalig« überschreibt Wolfgang Helfritsch, selbst Ehrenmitglied der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, seinen Nachruf im KTG-Rundbrief Dezember 2016.
Für Deutschlandradio Kultur sprach Britta Bürger mit der Schauspielerin Carmen-Maja Antoni über Gisela May, zusammengefasst unter dem Fazit »Ich habe immer ihre Haltung bewundert«.
Ebenfalls für Deutschlandradio Kultur verfasste Dirk Fuhrig einen umfangreichen Nachruf unter dem Titel »Von Mutter Courage zu „Muddi“«, auf den auch von der Internationalen Hanns-Eisler-Gesellschaft verwiesen wird.
Für die junge Welt zeichnete Frank-Burkhard Habel (seines Zeichens langjähriges Vorstandsmitglied der Kurt Tucholsky-Gesellschft) für den umfassenden Nachruf »Parteilichkeit, glaubwürdig« auf »eine der letzten großen Diseusen des literarischen Kabaretts« verantwortlich.
Für die ARD-tagesschau erstellte Tina Löhneysen vom rbb einen Beitrag, dessen Begleittext sich nachlesen lässt.

Der knapp 15minütige Film von Anne Kohlick »Keine sang Brecht wie sie – Abschied von Gisela May« für den rbb kann weiterhin auf der Website des Senders angesehen werden.
Er findet sich übrigens ebenso als eingebettes Video im Nachruf »Mutter Courage ist tot« von Oliver Kranz ebenfalls vom rbb.
Die dpa-Meldung findet sich in der Süddeutschen Zeitung, deren nichtsdestotrotz lesenswerten Beitrag man in derselben oder ähnlichen Form naturgmäß auch andernorts findet.
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb Simon Strauss eine Würdigung unter dem Titel »Brechts First Lady«.
Reinhard Wengierek hat seinen Nachruf für Die Welt mit »Der sozialistische Weltstar mit der Krawatte« betitelt.

Zwei Pole ihres Werkes erfasst die Überschrift »Muddi Courage«, die Lothar Heinke für seine Würdigung Gisela Mays im Tagesspiegel gefunden hat.
Etwas nüchterner formuliert dies Birgit Walter für die Berliner Zeitung, ihr Nachruf ist mit »Gegensätze gehörten zum Wesen dieser Diva« überschrieben.
Ihr Leben schlaglichtartig Revue passieren lässt Daland Segler für die Frankfurter Rundschau in seinem Nachruf »Die Stimme des Dichters«.
Kurz gehalten ist der Nachruf bei Theater der Zeit.
Für die Akademie der Künste, deren Mitglied Gisela May seit 1972 war, veröffentlichte deren Präsidentin Jeanine Meerapfel einen Nachruf.
In Der Freitag würdigte Magdalene Geisler unter dem Titel »Treuer Typus mit Pagenkopf« Leben und Werk Gisela Mays.
Den vermutlich ersten Nachruf veröffentlichte nachtkritik.de unter dem Titel »Die Stimme Brechts«.

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Allgemein Befreundete Institutionen

Trauerfeier für Gisela May am 12.1.2017 in Berlin

Ihre große Stimme fehlt uns.
Gisela May
31. Mai 1924 – 2. Dezember 2016
Antifaschistin, Schauspielerin, Eisler-Entdeckung, Weltstar der Brecht-Songs, des Chansons und im Musical, Autorin der Zeitgeschichte, Mitglied der Akademie der Künste,
Gewinnerin des Grand Prix du Disque, Nationalpreisträgerin der DDR, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, emanzipierte Frau, aufrichtige Freundin, engagierte Sozialistin
 – eine Stimme des Friedens und der Völkerverständigung –
Auf Verfügung von Gisela May findet die Trauerfeier
in der Trauerhalle des Friedhofs Baumschulenweg am 12. Januar 2017 um 13 Uhr statt.
Es spielt Adam Benzwi, es sprechen Dr. Jürgen Schebera und Prof. Klaus Völker.
Ihr Publikum, ihre Kolleginnen und Kollegen sind zur letzten Ehrerbietung eingeladen.
Das Urnenbegräbnis erfolgt zu späterem Zeitpunkt im engsten Freundeskreis.
_________________________________________________________________________________
Gisela May – Traueranzeige
Wer diese Annonce in der Berliner Zeitung, dem Tagesspiegel und im neuen deutschland (wo sich Gisela May die Veröffentlichung wünschte) unterzeichnen und auch finanziell unterstützen möchte, ist gebeten, dies per Überweisung zu tun: mit dem Verwendungszweck „H90033“ bzw. „Traueranzeige für Gisela May“ sowie dem eigenen Vor- und Nachnamen, der in der Annonce genannt werden soll, auf das Konto der Akademie der Künste mit der IBAN DE38 1007 0848 0512 7063 08
Es wird um eine Summe von 20 € – wo möglich, gern auch mehr – gebeten.
Da die erste Annonce bereits am kommenden Wochenende erscheinen soll, wäre schnelles Reagieren sehr gut.
Seien Sie alle/Seid alle herzlich gegrüßt und für die Unterstützung schon im Voraus bedankt – auch für das Verbreiten dieser Nachricht!
Angelika Haas
im Auftrag der Akademie der Künste und des Freundeskreises von Gisela May
Dr. Angelika Haas
für DAS ANTIEISZEITKOMITEE
c/o: Königsheideweg 90
12437 Berlin
Telefon: +49 / 030 / 63 97 88 02
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Allgemein

Literaturzeitschrift zur Weimarer Republik – Unterstützer gesucht.

Die Weimarer Republik existierte 5249 Tage lang und war eine der produktivsten und vielfältigsten Phasen literarischen Schaffens in deutscher Sprache. Literatur und Kunst erreichten Höhepunkte und weltweite Bedeutung in einem Maße, das seither nie wieder erreicht wurde.
Namen wie Bertolt Brecht, Frank Kafka, Thomas und Heinrich Mann, Hans Fallada und Herman Hesse sollen hier nur beispielhaft genannt werden.
Nun müssen an Werk und Leben Kurt Tucholskys Interessierte sicher nicht von der Bedeutung dieser Epoche überzeugt werden, weshalb wir heute auf ein spannendes und ambitioniertes Projekt hinweisen wollen, das Ihre Unterstützung benötigt:
Jörg Mielczarek, seit vielen Jahren engagiert für die Literatur der Weimarer Republik, möchte unter dem Titel »Fünf. Zwei. Vier. Neun.« eine monatlich erscheinende Zeitschrift begründen, die sich Gesellschaft, Kultur und Literatur dieser Zeit widmen soll:

Jede Ausgabe widmet sich dabei einem Schwerpunktthema. Bei der Nullnummer wird dies die Weltwirtschaftskrise sein, und nicht von ungefähr ist Hans Falladas Roman „Kleiner Mann, was nun?“ die Titelgeschichte dieser Ausgabe. Kein anderer Roman macht die Angst und die Verunsicherung der Angestellten und Arbeiter zu dieser Zeit so spürbar wie dieses Meisterwerk. Auf circa 100 Seiten werden zusätzlich weitere Stücke, Reportagen, Erzählungen und Gedichte zu diesem Schwerpunktthema veröffentlicht – diese werden zudem durch den originalgetreuen Abdruck von Zeitungsartikeln aus dieser Zeit in einen historischen Kontext gebracht. Herzstück der Nullnummer ist das komplette Theaterstück „Die Bergbahn“ von Ödön von Horváth in der Mitte des Heftes, das separat heraustrennbar ist. Ein solches „Heft im Heft“ mit einem kompletten Originaltext wird jede Ausgabe haben.
„Fünf. Zwei. Vier. Neun.“ ist aber mehr als nur eine Zeitschrift. Zu jeder Ausgabe erscheint daher ein Taschenbuch mit weiteren Texten zum Schwerpunktthema des Monats. Der Fokus liegt dabei auf Erzählungen und Werken von Autoren, die heute leider kaum jemand mehr kennt. Eine echte Fundgrube für Literaturliebhaber, in der es viel Neues zu entdecken gibt!

Die Startfinanzierung dieses unbedingt zu begrüßenden Vorhabens wird dabei über startnext.com, einer Crowdfunding-Plattform, realisiert.
Und hier kommen Sie ins Spiel: Bereits mit kleinen Beiträgen, die mit höchst interessanten Dankeschöns versehen sind wie beispielsweise dem bemerkenswerten Literatur-U-Bahn-Plan Berlin, können Sie der Zeitschrift zur Geburt verhelfen. Oder Sie schließen gleich ein Abo ab oder spenden großzügig. Lassen Sie sich nicht zurückhalten!

Zur Projektseite der Literaturzeitschrift Fünf. Zwei. Vier. Neun.

Projekt unterstützen
Zur Facebook-Community »Literatur-Weimar«.
Zur Website »Literatur der Weimarer Republik«.

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Allgemein Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Zum Tod von Inka Bohl

Die Jury für den Kurt-Tucholsky-Preis und die Kurt Tucholsky-Gesellschaft beklagen den Tod von Inka Bohl.
Inka Bohl war in der Literaturszene vor allem durch die Fachzeitschrift für Literatur und Kunst Der Literat bekannt, die als Organ des hessischen Landesverbandes Deutscher Schriftsteller seit 1958 herausgegeben und 1988 von Inka Bohl erworben wurde. Unter ihrer Verlagsleitung und Redaktion wurde Der Literat zu einem produktiven und streitbaren Fachblatt, in dem Literaten aus West und Ost – auch mit gegenteiligen Auffassungen – zu Wort kamen.  In den Jahren 2000 – 2008 wurde Der Literat in Berlin herausgegeben, im Jahre 2008 jedoch eingestellt.
In der Jury war Inka Bohl ein äußerst sachkundiges, einfühlsames und engagiertes Mitglied. Sie prüfte alle vorgebrachten Argumente und nahm sich die Zeit, sich auch mit solchen Editionen und Publikationen von Preiskandidaten zu beschäftigen, die nicht zur Preisbegründung vorgelegt wurden, und sie war aufgeschlossen für alle Hinweise, die der gründlichen Beurteilung der Arbeit und der Persönlichkeitsbewertung von Autoren dienen konnten.
Inka Bohl war ein stets zuverlässiges Jurymitglied. Ihre Freundlichkeit, ihre Aufgeschlossenheit und ihr Humor werden mir fehlen.

Wolfgang Helfritsch

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Allgemein Kurt Tucholsky Preis für literarische Publizistik

Kusche für immer – Zum Tod von Lothar Kusche

Lothar Kusches Glossen und Schnappschüsse erschienen häufig als Taschenbücher, und das war gut so. Sein erstes bb-Taschenbuch wurde 1960 unter dem Titel »Nanu, wer schießt denn da?« herausgegeben.
Es lohnte sich, seine lockeren Weisheiten in der Akten- oder Westentasche mit sich zu führen und im Tagesverlauf ab und zu einen verstohlenen Blick hineinzuwerfen. Darüber hinaus bürgten seine nüchternen Ideenspritzer und Schnapsideen auch im Eulenspiegel und in der Weltbühne für Originalität, egal, ob der Autor sich mit seinem eingetragenen Namen outete oder sich in seinen Mantel vornamens Felix  verzog. Nun ist der ehemalige dienstälteste DDR- und spätere bundesdeutsche Satiriker dahingegangen, und das tut weh, obgleich wir schon lange von seinem angeschlagenen Gesundheitszustand wussten. Er litt wohl selbst am meisten darunter, dass ihm das Schreiben nicht mehr wie gewollt von der Hand ging.
Lothar Kusche diente schon beim Eulenspiegel-Vorgänger Frischer Wind, schrieb für die Weltbühne und brachte nachfolgend die Ossietzky-Leser mit seinen  Beobachtungen und Texten zum Schmunzeln und Abnicken. Als Distel-Autor glossierte er Erscheinungen, die jeder kannte, für deren Dramatisierug aber manchem der Mut fehlte.
Ich erinnere mich an eine Szene, die ich in den 60er Jahren gesehen habe, als die Sowjetunion in ihrer Vorbild-und Beispielwirkung noch unantastbar war: Eine Delegation aus dem Brudervolk wird auf dem Flughafen Schönefeld (das werden Sie nicht mehr wissen, den gab es damals schon)  überschwenglich empfangen und ob ihrer Beispielleistungen auf allen Gebieten über den grünen Klee gelobhudelt. Im Hintergrund flattert die Losung »Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen!« über das Flughafen-Areal. Die Gastgeber überbieten sich mit Bewunderung, bis es dem Delegationsleiter zu viel wird.  »Wissen Sie, werter Genosse,« fragt er den Chef des Empfangskomiteés, »was Sie vor allem lernen sollten? Aufrichtigkeit!« Das war ein Tabu-Bruch.
Lothar Kusches Zugehörigkeit zur Tucholsky-Gesellschaft war logisch, und seine Ehrung mit dem Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2007 war mehr als verdient. Das traf für den Heinrich-Heine-Preis im Jahre 1960 auch schon zu, und vielleicht ist es fast symbolisch, dass sein Lebenswerk von Heine und Tucholsky als Namensgebern seiner Ehrungen geradezu eingerahmt wurde.
Er war ein verschmitzter, guter Beobachter. »Kollege P. hat seit gestern einen Pickel,« bemerkte er in einer Groteske. »Aber er ist sich noch nicht ganz sicher, ob dieser als Stoff für eine neue literarische Arbeit ausreichen wird.«
Wenn er im Cabinett oder anderswo um die Jahrtausendwende las, zuckte sein Spitzbart voller Mitfreude. Wenn er seine Glosse über die Herstellung der originalen märkischen Reiblinge vortrug, blieb kein Auge trocken.
Nun hat er sich selber in die Phalanx der unvergesslichen märkischen Reiblinge eingebracht.
Seine Ideen und unsere jährlichen Begegnungen zu Ossietzkys Geburtstag in der Ossietzky-Redaktion werden uns fehlen.
Lebend wäre er uns lieber, aber richtig totzukriegen ist Felix Kusche nicht.

Wolfgang Helfritsch

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Ein Peter-Panter-Park für Pankow

 
Logo Peter Panter Park

Ich bin ein großer Sportsfreund.

schrieb Ignaz Wrobel in der Berliner Volkszeitung, 13.06.1920.
Am Peter-Panter-Park hätte er seine Freude gehabt!
Das ist die Vision: Ein Sportpark für Kinder und Erwachsene mit und ohne Behinderungen in Berlin-Pankow. Der Name ist schon gefunden: Peter-Panter-Park. Denn die bisher unnutzbare Grünfläche liegt neben der Kurt-Tucholsky-Oberschule, und die wollte einen passenden Namen.
Damit der Peter-Panter-Park entstehen kann, brauchen der Verein Pfeffersport und die Kurt-Tucholsky-Oberschule (KTO) bis September 15.000 €.
Damit soll als erster Schritt der alte, völlig vernachlässigte Fußballplatz spieltauglich gemacht werden, besonders für Mädchenteams und inklusive Teams. Der alte Sportplatz liegt gleich hinter der KTO, umrahmt von Wohnhäusern. Auch die Nachbarn werden in die Planung und Gestaltung miteinbezogen, hat Marc Schmidt, der Pressesprecher von Pfeffersport, versprochen. Eine Anwohnerin hatte beklagt, dass ihnen keine Informationen im voraus zur Verfügung gestellt wurden. Die Nachbarn stehen dem Projekt aber wohl nicht feindlich gegenüber. Schließlich ist auch für sie ein gepflegter Sportrasen schöner als die eingezäunte Löwenzahn-Wiese, die dort jetzt blüht.
Die KTO hatte schon länger die Idee und den Wunsch, dort einen Sportplatz zu gestalten, und in „Pfeffersport“ ist jetzt ein Partner gefunden, der auch weitere Unterstützer gesucht und z.B. in der Werbeagentur Zappo auch gefunden hat. Die Kollegen von Christhard Landgraf haben ehrenamtlich die Website gestaltet und die Flyer für die Spendenaktion.
Am Sonnabend, den 30. April fand die Auftaktveranstaltung statt mit inklusiven Fussballmatches, Frisbee-Golf, Rollstuhlparcour und einer Diskussionsrunde, an der Vorstandsmitglied Jane Zahn für die Kurt Tucholsky-Gesellschaft teilnahm, aber auch der Schirmherr der Aktion, Rollstuhl-Skater David Lebuser, frisch gebackener Dritter bei der Weltmeisterschaft dieser Sportart in den USA.
In Berlin, so beklagte der junge Sportler, gäbe es zu wenig Möglichkeiten, mit Rollstuhl zu skaten. Das wird allerdings auch im Peter-Panter-Park nicht möglich sein, denn eine Skater-Anlage ist nicht geplant. Aber viele andere Möglichkeiten für mobilitätseingeschränkte Menschen, sich sportlich zu betätigen. Denn die Spendenaktion soll nur der Auftakt sein für weitere Verbesserungen: Die Laufbahn rund um das Feld muss erneuert werden, der Zugang für Rollstuhlfahrer erleichtert werden usw. Das aber ist nicht mehr ehrenamtlich und als Verein zu leisten, da ist die Kommune gefragt. Rona Tietje, Kandidatin der SPD für das Bezirksbürgermeisteramt, war auf dem Sportfest und zeigte sich begeistert von der Initiative.
Die Rektorin der KTO, Frau Hassel, begrüßte die Initiative ebenfalls. Auch für eine Benefiz-Veranstaltung gemeinsam mit Künstlern der KTG will sie sich einsetzen, diese könnte im September stattfinden zu Beginn des neuen Schuljahres. Im September sollen auch die 15.000 € gesammelt sein, damit der 1. Spatenstich gemacht werden kann. Der Verein Pfeffersport hat etwa 1000 Kinder auf seiner Warteliste, die eine Möglichkeit brauchen, Sport zu treiben.
Die nächste Aktion ist ein Spendenlauf am 14. Juni.
Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft hat 500 € bereits gespendet, ruft aber auch ihre Mitglieder und Freunde auf, dieses Projekt ebenfalls mit einer Spende zu unterstützen.
Entweder an die Gesellschaft, die die Summe anschließend gesammelt übergeben wird:

Kurt Tucholsky-Gesellschaft e.V.
Sparkasse Minden-Lübbecke
IBAN DE49 4905 0101 0040 1308 90
SWIFT-BIC: WELADED1MIN
Verwendungszweck: »Peter-Panter-Park«

oder

Online bei betterplace.org
oder

Direkt auf das Konto des Vereins Sportverein Pfefferwerk e.V.
Spendenkonto: DE57 1002 0500 0003 0684 05
Verwendungszweck: Peter-Panter-Park.

Jane Zahn

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Allgemein

An die Botschaft der Republik Frankreich in Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Auftrage der Mitglieder und des Vorstandes der Kurt Tucholsky-Gesellschaft e.V. und im eigenen Namen versichere ich Ihnen, den französischen Satirikern und Publizisten, unseren französischen Vereinsmitgliedern und dem ganzen französischen Volk unseren Abscheu gegenüber den mörderischen Anschlägen auf französische Karikaturisten.
Wir solidarisieren uns im Sinne unseres Namensgebers mit den mutigen Darstellern kritikwürdiger gesellschaftlicher Erscheinungen in Wort und Bild und stehen an ihrer Seite.
Mit den Angehörigen der Opfer teilen wir die tiefe Trauer und den heißen Grimm.
Unsere Veranstaltungen zum heutigen 125. Geburtstag Kurt Tucholskys werden von den tragischen Ereignissen in der französischen Hauptstadt überschattet. Wir werden dazu Stellung nehmen.
Die Geschehnisse erinnern uns jedoch in besonderem Maße daran, dass sich Tucholsky Frankreich und Paris besonders verbunden fühlte, in den 20er Jahren engagiert als Korrespondent in Ihrer Hauptstadt tätig war und sich im Park Monceau vom Streß seiner journalistischen Tätigkeit erholte.
Kurt Tucholsky war es auch, der sich einst wie folgt zur Satire äusserte:

Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.

Wir wünschen Ihnen für das Jahr 2015 trotz allem weiterhin Gesundheit, Mut und Erfolg.
Im Auftrage und im Namen der Mitglieder und des Vorstandes der Kurt Tucholsky-Gesellschaft e.V.
Dr. Wolfgang Helfritsch
Vorsitzender der Kurt Tucholsky-Gesellschaft a.D. und Ehrenmitglied
Das Schreiben als pdf herunterladen.

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Allgemein Pressemitteilung

»Die Zeit schreit nach Satire« – Zum Mordanschlag auf die Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« in Paris

Die Würde muss es sich gefallen lassen, daß sie manchmal am Bart gezupft wird.

schrieb Kurt Tucholsky, dessen 125. Geburtstag wir dieser Tage begehen, im Jahr 1924. Die Festveranstaltungen zu diesem Anlass sind überschattet von der Anschlagserie in Frankreich, die mit dem feigen und hinterhältigen Mordanschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris begann.
Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen, Freunden und Trauernden.
Dieser Anschlag berührt uns in besonderer Weise. Kurt Tucholsky war und ist einer der wichtigsten und bedeutendsten Satiriker deutscher Sprache. Sein Diktum Was darf Satire? Alles! wurde nicht zufällig in den letzten Tagen besonders häufig zitiert.
Tucholsky lebte viele Jahre als Korrespondent in Paris, hier ruhte er von seinem Vaterlande aus. Seine Pariser Zeit gehört zu seinen wichtigsten Schaffensperioden, zu Frankreich hatte er stets eine besondere Verbindung. Und schließlich hat auch die Kurt Tucholsky-Gesellschaft selbst Mitglieder in Frankreich und tagte zum 20jährigen Jubiläum 2008 in Paris.
Wir können und wollen also zu diesem infamen Anschlag, der nicht allein einer Zeitschrift, sondern der Idee der Meinungsfreiheit selbst gilt, nicht schweigen.
Die Möglichkeit, ungehindert und offen gesellschaftliche Zustände karikieren zu können, ist ein wesentliches Merkmal einer offenen, einer freien Gesellschaft. Der Spielraum, den Satire dabei hat, kann geradezu als Indikator dafür gelten, wie frei und offen eine Gesellschaft ist.
Eine freie und offene Gesellschaft aber ist naturgemäß verletzlich. Sie ist es jedoch weit weniger durch fanatisierte Kämpfer für eine Ideologie jeglicher Couleur, sie ist es weit mehr durch Angst.
Es ist die Angst, die montags Menschen auf die Straßen treibt, um gegen ein Phantom zu demonstrieren. Es ist die Angst, die die Politiker jetzt zusammeneilen lässt, um Maßnahmen zu ergreifen. Es ist die Angst, die dazu führt, dass im Namen der Freiheit die Freiheit erwürgt wird.
Lassen wir uns nicht von der Angst überwältigen, begegnen wir dem Terror so, wie er es verdient hat: Lachen wir ihm ins Gesicht. Genau so, wie es Satiriker und Karikaturisten aus der ganzen Welt in den letzten Tagen eindrucksvoll gezeigt haben. Nur, wenn wir es zulassen, dass wir aus Angst zu einer unfreien, verschlossenen Gesellschaft werden, nur dann wird der Terror gewinnen. Ursache für diesen Terror sind nicht Karikaturen und ist nicht der Glaube an Allah (was sich schon allein daran zeigt, dass es ein Polizist muslimischen Glaubens war, der sich den Attentätern entgegenstellte und dafür mit dem Leben bezahlte).
Es hört sich gewiss ein wenig schwülstig an, aber ich bevorzuge stehend zu sterben, anstatt auf Knien zu leben. (Stéphane Charbonnier)
Wenn wir als Gesellschaft unsere Solidarität mit den Opfern ernst meinen, dann sollten wir nicht nur Charbs Mut bewundern und unsere Profilbilder in sämtlichen sozialen Medien ändern, dann müssen wir jetzt, hier und heute aufstehen und uns den Feinden einer offenen und freien Gesell-schaft entgegenstellen, mögen sie kommen, woher sie wollen.
Und dafür gibt es nur eine wirksame Waffe: Gelassenheit. Wer jetzt mit Panik reagiert, wer jetzt Bürgerfreiheiten einschränkt, wer jetzt meint, Flüchtlingen ihre Menschenrechte abzuerkennen, würde unsere Probleme lösen, der spielt das Spiel des Terrors mit. Der schaufelt das Grab der Offenheit, der Freiheit, der Demokratie. Lassen wir das nicht zu.

Der Vorstand der Kurt Tucholsky-Gesellschaft.

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